So einen Unterschied zwischen Versprechen und Wirklichkeit gab es in der Welt der Versicherungen noch nie: Drei Prozent wollen die Assekuranzen ihren Lebensversicherungskunden im Durchschnitt Jahr für Jahr garantiert gutschreiben. Doch wenn die Versicherungsmanager das täglich in Millionenhöhe hereinströmende Geld anlegen wollen, haben sie ein Problem. Denn wenn sie sich wie gewohnt langfristig und extrem sicher binden wollen, in Bundesanleihen über zehn Jahre etwa, würden sie nicht einmal ein Prozent herausbekommen. Deshalb sinkt der Garantiezins in zwei Monaten erneut. Von 2015 an liegt er bei nur noch 1,25 Prozent – aktuell sind es noch 1,75 Prozent. Daher trommeln Versicherer im Endspurt mit Slogans wie „Verschenken Sie kein Geld“ und richten auf ihren Web-Seiten gar Countdowns ein. Zeit also, dass sich Anleger mit den Lebensversicherern auseinandersetzen. Wer kapitalstark ist und hohe Renditen verspricht, zeigt das große Exklusiv-Ranking der WirtschaftsWoche.
Fall 1: Mit Kleinbeträgen lange sparen
Schnell noch Langfristsparer zu einer Unterschrift unter einen Rentenvertrag zu bewegen, das hat bei Natalie Tiranno aus Frankfurt bereits geklappt. Die 35-Jährige hatte sich schon seit einiger Zeit immer wieder zum Thema Rente beraten lassen. Doch unterschrieben hat die Freiberuflerin erst diesen Oktober. „Ich wollte schon lange was für die Rente machen, wusste aber nicht, wie und was“, sagt die Lehrerin, die Menschen über Musik Fremdsprachen beibringt. Melodie und Rhythmik nehmen ihren Schülern die Angst vor Sprachen – das Versprechen, mit kleinen Beiträgen flexibel fürs Alter vorzusorgen, nahm ihr jetzt die Scheu vor der Entscheidung für das Renten-Sparen. Fünf Jahre lang will die Selbstständige 70 Euro im Monat zahlen, danach soll der Beitrag auf 130 Euro steigen. „Ich denke, dass ich mir den höheren Betrag dann leisten kann.“ Falls nicht, dann darf sie auch bei dem niedrigeren Beitrag bleiben; die Vertriebsprovision bliebe aber wie gehabt und drückte dann die Rendite.
Wichtige Kennzahlen zur Beurteilung von Versicherern
Hermann Weinmann, Wirtschaftsprofessor an der Hochschule Ludwigshafen, hat für die WirtschaftsWoche Daten zur Leistungsfähigkeit der größten Versicherer ausgewertet. Sie haben etwa 60 Prozent Marktanteil. Soweit veröffentlicht, sind die Zahlen von 2013, ansonsten 2012.
Stand: 26.05.2014
Diese Verzinsung kann Einmaleffekte aus den Verkauf von Wertpapieren enthalten. Vorzugsweise sollte diese Zahl auch um Einmaleffekte bereinigt angegeben werden. Sie zeigt, was Versicherer pro Jahr aus Kapitalanlagen ziehen. Generali etwa schaffte 3,0 Prozent – weniger als die 3,1 Prozent, die die Branche Kunden im Schnitt garantiert.
Sie entstehen, wenn der aktuelle Marktwert von Wertpapieren höher ist als der Wert, mit dem die Versicherer sie in ihren Büchern stehen haben. Um magere Renditen bei Zinspapieren auszugleichen, können Versicherer einen Teil dieser Reserven durch Verkäufe heben. So machen sie Geld flüssig, das sie an Kunden auszahlen könnten.
Mit den Kapitalerträgen muss der Versicherer mindestens die garantierten Leistungen finanzieren. Was darüber hinaus bleibt plus eingesparte Kosten, kann der Versicherer zusätzlich an die Kunden ausschütten. Versicherer, die sauber kalkulieren und kostengünstig arbeiten, schaffen hohe Überschüsse. Für die Finanzkraft des Versicherers ist die Quote Überschuss/Beitragseinnahmen entscheidend.
Versicherer bilden für zukünftig fällige Überschussbeteiligungen Rückstellungen. Das Geld stammt aus dem Kapitalanlagetopf. Erwirtschaftet der Versicherer mehr, als er den Versicherten schuldet, kann er freie Rückstellungen aufbauen.
Je höher die freien Rückstellungen im Verhältnis zu den im Folgejahr fälligen Überschussbeteiligungen sind, desto länger kann ein Versicherer eine Flaute auf dem Zinsmarkt aussitzen.
Mit wie viel Geld sie im Rentenalter rechnen kann, weiß sie ohnehin nicht genau. Sicher sind ihr lediglich aktuell garantierte 166 Euro im Monat, wenn sie 31 Jahre lang wie geplant einzahlen sollte.
Und anders als es die Versicherer in ihrer Werbung hinausposaunen, ist der Garantiezins auch nur ein Teil der Wahrheit. Denn der wird nur auf denjenigen Anteil am Kapital gezahlt, den der Versicherer nach Abzug seiner Kosten anlegt – und das können je nach Höhe des in der Lebensversicherung eingebauten Todesfallschutzes plus weitere Kosten auch nur 70 bis 80 Prozent der eingezahlten Kundengelder sein. Folge: „Wegen der niedrigen Zinsen kann besonders bei kurzlaufenden Verträgen von bis zu zwölf Jahren die ausgezahlte Summe unter der eingezahlten liegen“, hat Axel Kleinlein, Vorstandschef beim Bund der Versicherten, ausgerechnet. Deshalb ist es für Kunden wichtig, dass ihr Versicherer geringe Kosten hat. Und da es bei insgesamt 811 Milliarden Euro an Einlagen nicht um Kleingeld geht, muss der Versicherer zudem kapitalstark sein. Das bedeutet, dass er mit seinen Anlagen künftig deutlich mehr erwirtschaften kann, als er an Garantiezins zahlen muss.
Gut untergebracht
Tiranno hat nicht nur die noch bis Jahresende geltenden höheren Garantiezinsen mitgenommen. Sie kann mit ihrer Entscheidung vor allem deswegen ruhig schlafen, weil sie ihre Versicherung bei der Debeka abgeschlossen hat. Diese zählt im Rating der WirtschaftsWoche seit Jahren zu den kapitalstärksten Lebensversicherern der Branche, 2014 liegt sie auf Platz zwei. Damit Anleger vorbildliche Versicherer aufspüren oder ihre bestehenden Verträge abklopfen können, haben der Wiener Finanzwissenschaftler Jörg Finsinger und das Analysehaus Softfair zum 18. Mal im Auftrag der WirtschaftsWoche 70 Lebensversicherer aus Sicht der Kunden analysiert.
Wer neu abschließt, muss zudem mit einem rechnen: Er könnte Kunden mit alten Verträgen subventionieren. Schuld ist das Gefälle zwischen hohen und niedrigen Garantien. 1994 stieg der Garantiezins mit vier Prozent auf seinen höchsten Stand, seit Sommer 2000 aber ist er rückläufig (siehe Grafik). Wer noch einen Vertrag aus den goldenen Jahren hat, bekommt eben jene vier Prozent – bis zum Laufzeitende. Doch Zinsen auf sichere Anlagen, die Versicherer am Kapitalmarkt bekommen, sind niedrig – aktuell rentieren etwa 16-jährige Bundesanleihen bei 1,4 Prozent. Die Finanzaufsicht BaFin hat die Branche daher dazu verdonnert, zusätzliches Geld speziell für Hochprozent-Verträge zurückzulegen, seit 2011 rund 19 Milliarden Euro.
Lebensversicherer (Neugeschäft eingestellt, mit * markiert) | Realis. Zins auf Kapital- anlagen (1,²) | Abschl.- kosten- quote (1,4) | Ausschütt.- quote (1,6) | Leistungs- fähigkeit für den Kunden (1,7) | Sterne (8) |
Europa | 3,2 | 3,5 | 92,0 | 268,8 | 5 |
Debeka | 3,2 | 3,4 | 88,0 | 228,6 | 5 |
LVM | 3,1 | 3,2 | 91,2 | 198,0 | 5 |
Hannoversche | 3,1 | 3,6 | 93,1 | 191,4 | 5 |
HUK-Coburg | 2,9 | 3,1 | 92,6 | 173,4 | 5 |
Cosmos Direkt | 2,6 | 2,3 | 90,0 | 172,7 | 5 |
Mecklenburgische | 3,2 | 4,1 | 86,4 | 146,8 | 5 |
WGV | 3,1 | 3,8 | 88,3 | 141,6 | 5 |
Allianz | 3,0 | 4,2 | 78,7 | 86,1 | 5 |
Nürnberger Beamten | 3,0 | 4,1 | 89,1 | 84,3 | 5 |
Ergo Direkt | 3,1 | 4,2 | 81,4 | 81,6 | 5 |
Süddeutsche | 2,9 | 3,4 | 84,3 | 81,0 | 5 |
R+V | 3,0 | 4,4 | 82,8 | 71,2 | 5 |
Öff. LV-Anstalt Oldenburg | 3,0 | 4,5 | 94,7 | 66,4 | 5 |
Oeco Capital | 2,9 | 3,9 | 91,7 | 53,2 | 5 |
Bayern-Versicherung (VKB) | 3,0 | 4,5 | 81,8 | 48,3 | 5 |
Delta Lloyd* | 3,0 | 3,1 | 57,2 | 44,7 | 5 |
Alte Leipziger | 3,1 | 4,7 | 83,4 | 43,0 | 5 |
Landeslebenshilfe | 3,5 | 5,9 | 84,2 | 42,9 | 5 |
neue leben | 3,0 | 4,7 | 80,4 | 41,5 | 5 |
VHV | 3,4 | 5,7 | 100,0 | 39,4 | 5 |
Concordia | 3,1 | 4,5 | 85,8 | 36,8 | 5 |
Öffentl. Braunschweig | 3,0 | 4,3 | 80,9 | 34,5 | 5 |
HanseMerkur | 3,0 | 4,2 | 80,5 | 33,6 | 5 |
Itzehoer | 3,0 | 4,7 | 66,6 | 22,9 | 4 |
Stuttgarter | 3,2 | 5,4 | 89,2 | 22,6 | 4 |
InterRisk | 3,0 | 3,5 | 84,5 | 16,3 | 4 |
Volkswohl-Bund | 3,0 | 4,9 | 91,3 | 9,7 | 4 |
Neue Bayerische | 3,1 | 5,3 | 92,7 | 0,9 | 4 |
Öff. Leben Sachsen-Anhalt | 3,0 | 5,0 | 86,4 | 0,3 | 4 |
Benchmark (9) | 3,0 | 4,9 | 85,1 | - | - |
Quelle: Softfair Analyse, Professor Jörg Finsinger 1 in Prozent, gerundet; ² prognostizierte Rendite auf die Kapitalanlagen des Versicherers, unter realistischen Annahmen nach einem mathematischen Modell, |