Rasant ist Orkan "Christian" über Deutschland hinweggefegt. Vor allem im Norden hat er ziemlich randaliert, ließ Bäume einstürzen und riss Dächer von den Häusern. Während Hausbesitzer jetzt den Ärger mit den Schäden haben, sind die Unwetter für Versicherer Freud und Leid zugleich. Einerseits steigen die Ausgaben, die Assekuranzen müssen die Schäden ihrer Kunden ersetzen. Andererseits lassen sich mit solchen Naturereignissen Preiserhöhungen gut rechtfertigen.
Die Grundlagen dafür sind bereits in der vergangenen Woche gelegt worden. Bei ihrem traditionellen Branchentreffen in Baden-Baden haben Vertreter der großen Rückversicherer gemeinsam die Prämien für die Versicherung von Katastrophen für das kommende Jahr ausgelotet. In einem Punkt waren sich die meisten Teilnehmer schnell einig: Es wird teurer. Unwetter wie das Hagel-Donnerwetter, welches im August in Baden-Württemberg Schäden in Millionenhöhe an Autos, Solaranlagen und Dächern anrichtete, verderben sowohl Erst- als auch Rückversicherern die Bilanz. Die SV Sparkassenversicherung, einer der größten Gebäudeversicherer in den betroffenen Regionen, rechnete mit Schäden in Höhe von bis zu 600 Millionen Euro. Insgesamt seien die Schäden durch Unwetter in Europa zwischen Januar und September um ein Drittel gegenüber dem Durchschnitt der letzten Jahre gestiegen.
Vorsorglich nutzte der Deutschland-Chef der Hannover Rück, Michael Pickel, das Treffen in Baden-Baden, um Preissteigerungen bei den Erstversicherern anzukündigen - insbesondere bei Wohngebäudepolicen, die Schäden durch Feuer, Sturm oder Leitungswasser abdecken. Nicht zu verwechseln sind die Policen mit Versicherungen gegen Elementarschäden. Nur damit sind Hausbesitzer auch gegen die Folgen von Überschwemmungen und Hochwasser abgesichert. Während jeder frei wählen kann, ob er sich gegen solche Schäden versichern will, ist zumindest die Feuerversicherung Pflicht. In der Regel wollen Kreditgeber diese schon vor Abschluss der Hypothek sehen. Die meisten Hausbesitzer schließen aber eine Wohngebäudepolice mit allen Bausteinen ab, Feuer, Sturm und Leitungswasser. Dieses Komplettpaket ist die sogenannte verbundene Wohngebäudepolice. Laut dem Branchenverband der Versicherer GDV besaßen die Deutschen 2012 rund 19,1 Millionen Wohngebäudepolicen.
Einigen Hausbesitzer haben bereits in den vergangenen Wochen unerfreuliche Post von ihrer Versicherung bekommen, die die Prämien für Wohngebäudepolicen erhöhen. Davon berichtet etwa die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Ein paar Versicherer kündigen bestehende Verträge und bieten dafür teurere Neupolicen", sagt Verbraucherschützerin Elke Weidenbach. Das Problem: Für den Verbraucher sind die Preiserhöhungen wenig transparent, für Laien ist es kaum nachvollziehbar, ob die höheren Beiträge auch gerechtfertigt sind. Oft müssten auch Versicherte mehr zahlen, die gar keinen Schaden an Haus und Hof gehabt hätten, so die Verbraucherschützer.
Wer solch ein Schreiben von seiner Versicherung erhält, sollte das nicht einfach hinnehmen und sich ärgern. Vielmehr ist eine Preiserhöhung eine gute Gelegenheit, um den alten Tarif und seine Konditionen genau zu überprüfen. Gerade solche Sachwertversicherungen werden von vielen Sparern oft als gegeben hingenommen und schlummern in den Aktenordnern, ohne dass die Höhe der Beiträge hinterfragt wird. Denn oft spart ein Anbieterwechsel viel Geld.
Was gibt's beim Wechsel zu beachten?
"Wie in allen Versicherungszweigen gibt es auch im Bereich der Wohngebäudepolicen erhebliche Prämienunterschiede am Markt", sagt Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg. Häufig seien es die kleineren Anbieter, die die günstigeren Preise bieten. Auch Bianca Boss vom Bund der Versicherten (BdV) hält einen Anbieterwechsel grundsätzlich für lohnenswert. "Der Verbraucher sollte aber nicht nur auf günstige Beiträge, sondern vor allem auf gute Versicherungsbedingungen achten", sagt Boss.
Normalerweise können Versicherte einmal im Jahr kündigen, die entsprechende Frist ist in der Regel drei Monate. "Allerdings haben Verbraucher bei Preiserhöhungen seitens der Versicherung ein Sonderkündigungsrecht", sagt Castelló. Innerhalb eines Monats kann der bestehende Vertrag dann gekündigt werden. Allerdings nur dann, wenn die Leistungen trotz höherer Prämie gleich geblieben sind.
Ist das Haus noch mit einer Hypothek belastet, muss der Kreditgeber einer Kündigung zustimmen. Das ist in der Regel kein Problem, wenn der Kunde einen neuen Folgevertrag vorlegen kann. Aufpassen müssen auch Hauskäufer. "Die bestehende Police geht automatisch auf den Käufer über", sagt Castelló. Wer also nicht aufpasst, hat möglicherweise den teuren Vertrag des Vorbesitzers eingesackt. "Auch hier besteht ein dreimonatiges Sonderkündigungsrecht", so die Verbraucherschützerin.
Bei älteren Verträgen muss noch genauer hingeschaut werden. "Altverträge haben tatsächlich häufig den Nachteil, dass die Bedingungen schlechter sind als die aktuellen und das die Beiträge dafür zu hoch sind", sagt Boss von BdV. Allerdings gibt es einige Altverträge, die besondere Vorteile aufweisen. So wurden beispielsweise in der ehemaligen DDR Wohngebäudepolicen verkauft, in denen die Versicherung gegen Elementarschäden wie die Folgen von Überschwemmungen und Hochwasser bereits mit inbegriffen. Bekanntermaßen lassen sich derartige Schäden mittlerweile nur noch zusätzlich versichern, gegen vergleichsweise hohe Beiträge. Gerade in einer Niedrigzinsphase, in der die Zinserträge der Versicherer sinken, versuchen Versicherer derart teure Altpolicen loszuwerden.
Deshalb hat die Allianz rund 15000 Kunden mit Ost-Verträgen in hochwassergefährdeten Gebieten jetzt eine Frist gesetzt. Noch bis Donnerstag können sie sich entscheiden, ob sie ihre alte DDR-Police behalten wollen. Dafür müssen sie allerdings eine höhere Versicherungsprämie und einen Selbstbehalt akzeptieren. Anderenfalls muss ein neuer Versicherer her. Laut Stiftung Warentest fahren allerdings die meisten Allianz-Kunden besser damit, den Vertrag zu den neuen Konditionen fortzuführen. Denn für die betroffenen Hochwasser-Risikozonen bieten Versicherer oft gar keine Elementarschadenversicherung an - oder die Police ist für Normalverdiener unbezahlbar. "Wenn es auf dem Markt kaum möglich ist, neuen Versicherungsschutz zu bekommen, ist eine Kündigung durch den Versicherer besonders ärgerlich", sagt BdV-Expertin Boss. Wehren könnten sich Versicherte dagegen allerdings nicht.
Nicht nur Allianz-Kunden wurde seitens ihres Versicherers gekündigt. Auch die Ergo trennt sich in diesem Jahr von zahlreichen alten Versicherungsverträgen. Denn die Düsseldorfer stellten rund 120.000 Kunden vor einen Deal. Entweder diese lassen sich auf neue Verträge ein und zahlen in der Regel 14 Prozent mehr Beiträge, oder sie fliegen aus der Versicherung.
Nicht Versicherers' Liebling
Einige Experten warnen Verbraucher davor, die Kündigung durch den Versicherer einfach hinzunehmen. "Eine Vertragsauflösung durch den Versicherer sollten Hausbesitzer möglichst vermeiden", sagt Weidenbach. In den Augen der Assekuranz gelten gekündigte Kunden als Risikofaktor, bei Verhandlungen mit der neuen Versicherung könnte der Verbraucher also im Nachteil sein. Weidenbach rät daher, den neuen, wenn auch teureren Vertrag zunächst anzunehmen und sich dann innerhalb des ersten Jahres nach einem neuen Anbieter umzusehen. "Wer kündigt, muss in jedem Fall sofort einen neuen Versicherer finden, es dürfen keine Lücken ohne Versicherungsschutz entstehen", sagt Weidenbach. Das sei innerhalb der Kündigungsfrist oft gar nicht zu schaffen.
Die Kündigung von Alt-Kunden ist ein Versuch der Versicherer, den Bereich der Wohngebäudepolicen wieder lukrativer zu machen. "Besonders attraktiv ist der Bereich für die Versicherungen nicht", sagt Boss. Defizitär, wie immer wieder behauptet, ist die Sparte allerdings auch nicht. 2012 ist die Schadenquote laut GDV sogar leicht um rund zwei Prozent auf 79,1 Prozent gesunken, die Beitragseinnahmen übersteigen also die zu zahlenden Leistungen.
Was passiert bei Neuabschluss?
Auch wer ein Haus gebaut oder gekauft hat, hat die Qual der Wahl bei der Police. Vor allem die richtige Schadenssumme stellt Laien oft vor Schwierigkeiten. Im Zweifel muss der Wert des Hauses mit einem Experten ermittelt werden. Der GDV rät zudem, eine Klausel für fahrlässiges Handeln in den Vertrag mit einzubauen. Damit sei die Police zwar möglicherweise teurer, allerdings zahle die Versicherung eben auch, wenn die Waschmaschine läuft, ohne dass der Hausbesitzer daheim ist.
Oft können Bauherren die Wohngebäudepolice gleich zusammen mit dem Baukredit abschließen, denn Geldgeber wie die Sparkassen haben auch hauseigene Versicherungen. Was für den Versicherer praktisch ist, muss sich für den Kunden allerdings noch lange nicht lohnen. "Policen, die so mitverkauft werden, sind meistens nicht die günstigsten", sagt Verbraucherschützerin Castelló. Richtige Sparfüchse können sich auch überlegen, ob sie sich auf die vorgeschriebene Feuerversicherung beschränken und auf die anderen Bausteine - Sturm- und Leitungswasserschäden - verzichten. In der Regel ist der finanzielle Vorteil dabei allerdings gering, Experten raten zum Komplettpaket, die verbundene Wohngebäudepolice.
Elementarschäden
Sobald es wieder zu herbstlichem Starkregen kommt, stellt sich erneut die Frage nach der Elementarschadenversicherung. Weiterhin kann sich aber nicht jeder Hausbesitzer in Deutschland gegen die Folgen von Überschwemmungen, Schneedruck oder Starkregen versichern. "Wer in den entsprechenden Risikogebieten wohnt, bekommt entweder gar keine Versicherung oder nur eine zu überhöhten Preisen", sagt Weidenbach.
Wer eine Police abschließen darf, dem Raten auch die Experten der Stiftung Warentest zum Abschluss. Denn schon bei Schäden durch starken Regen oder steigendes Grundwasser zahlt die normale Gebäudeversicherung im Zweifel nichts. Doch auch die Elementarpolicen weisen große Unterschiede auf, um Klausel-Lesen kommen Versicherte deshalb kaum herum. Einige Policen schützen beispielsweise vor Überschwemmungen durch Starkregen, zahlen aber bei Überschwemmungen durch Hochwasser nichts.
Wer bereits jetzt mit den Sturmschäden von Orkan "Christian" zu kämpfen hat, sollte zunächst gar keine Klauseln lesen oder Vergleichsportale bemühen, sondern zunächst den entstandenen Schaden seiner Versicherung melden. Passiert das nämlich nicht innerhalb von kurzer Zeit, kann sich der Versicherer weigern, die Kosten zu übernehmen.