Zeitbombe Pflegeversicherung So sichern Sie sich und Ihre Eltern fürs Alter ab

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Egal, woher die Hilfe kommt, es empfiehlt sich, zuvor mit spitzem Bleistift zu rechnen. Einige Zahlen: Für die Pflegestufe 1 (Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung müssen täglich mindestens 1,5 Stunden betragen, Details siehe Kasten auf Seite 108) zahlt die staatliche Kasse bei ambulanter Betreuung einen Zuschuss von 420 Euro monatlich, bei stationärer Betreuung sind es 1023 Euro pro Monat. Der echte Aufwand für eine professionelle Betreuung liegt bei 1300 Euro. Für die Pflegestufe 2 (drei Stunden Hilfe am Tag) sind es 980 Euro ambulant, stationär 1279 Euro – nötig sind etwa 2200 Euro. In der Pflegestufe 3 (mindestens fünf Stunden pro Tag braucht der Kranke Hilfe) trägt die Pflegeversicherung ambulant und stationär 1470 Euro monatlich – bei geschätzten Kosten von mindestens 3300 Euro.

Der Selbsthilfe-Experte Werner Schell rät deshalb: „Wer eine gute Pflege sicherstellen will, wird in Zukunft nicht um den Abschluss einer privaten Pflegezusatzversicherung herumkommen.“

Empfehlenswert sind zwei Varianten:

- Die Pflegekostenversicherung erstattet die per Rechnung nachweisbaren Kosten bis zu einem Höchstbetrag oder einem zuvor festgelegten Prozentsatz. Ein Beispiel der Axa-Versicherung: Die häusliche Pflege durch einen Pflegedienst für täglich drei Stunden kostet den Versicherten pro Monat 1950 Euro.

Die gesetzliche Pflegeversicherung zahlt 921 Euro, bleibt ein Eigenanteil von 1029 Euro. Von dem übernimmt die Pflegekostenversicherung 828,90 Euro, wenn sie auf 90 Prozent abgeschlossen ist.

- Die Pflegetagegeldversicherung zahlt dem Kranken für jeden Tag, den er vom Arzt attestiert hilfsbedürftig ist, einen Ausgleich, abhängig von der Pflegestufe.

Bei der Barmenia zahlt ein 40-jähriger Mann für 49 Euro Tagegeld monatlich 25 Euro Beitrag, eine gleichaltrige Frau 36 Euro.

Für einen 60-jährigen Versicherten sind es 77 Euro, für die Frau 106 Euro. Einige empfehlenswerte Angebote finden Sie in der Tabelle auf Seite 114. Vor dem Abschluss steht allerdings wie bei allen privaten Kranken-Policen, die Gesundheitsprüfung. Jeder muss seine komplette Krankheitsgeschichte wahrheitsgemäß angeben und seine Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbinden.

Kinder haften für ihre Eltern. Schön, wenn die Eltern genügend eigenes Vermögen haben, das zu ihrer Betreuung zur Verfügung steht. Schade aber, dass es im Ernstfall schnell aufgebraucht sein kann. Dann müssen die Kinder ran. Sobald Einkünfte und Vermögen des Kranken für die Pflege aufgezehrt sind, springen zwar die Sozialämter ein. Doch deren erstes Interesse ist: Hat der Kranke Kinder, von denen sie die vom Steuerzahler aufgebrachten Gelder zurückfordern können?

Bis 2005 gingen die Sozialämter häufig ohne Gnade zur Sache. So erkannten einige bei der Berechnung des zur Verfügung stehenden Einkommens keinerlei Kosten zum Beispiel für Kinderbetreuung oder Altersvorsorge an. Doch dann setzte ein Urteil des Bundesgerichtshofs ihrem Eifer Grenzen. „Den Kindern steht nun ein größeres Schonvermögen zum Beispiel für die eigene Altersvorsorge zu“, sagt Jörn Hauß, der Duisburger Fachanwalt für Familienrecht, der das Urteil erstritten hat. „So ist bei einer selbst genutzten Immobilie zur Altersvorsorge nur der Vorteil anrechenbar, den der Besitzer durch die gesparte Miete hat.“ Nicht aber der komplette Immobilienwert.

Sozialamts-Bescheide von Dritten prüfen zu lassen zahlt sich aus. Hauß: „Gerade in kleineren Ämtern passieren noch immer häufig Fehler.“

Mein Freund, das Finanzamt. Für Tochter oder Sohn geht es beim sogenannten Elternunterhalt nicht um Brosamen. Bei Pflegestufe 3 können auch ohne Luxusbetreuung leicht mehr als 1000 Euro pro Monat vom Amt gefordert werden. „Die wenigsten können das aus der Portokasse zahlen, um so wichtiger ist es, dass die Betroffenen alle steuerlich absetzbaren Kosten auch geltend machen“, rät Martina Ortmann-Babel, Steuerexpertin bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young.

In der Regel gebe es mehr als eine Option, sich einen Teil der Kosten beim Finanzamt wiederzuholen. Absetzbar sind beispielsweise die Rechnungen für den ambulanten Pflegedienst oder der Unterhalt für die Eltern im Pflegeheim.

Wie meistens hängt es auch hier vom Einzelfall ab: Der Fiskus berücksichtigt Einkommen und Familienstand der Angehörigen und die Pflegestufe des Kranken.

Doch alte Eltern, womöglich schon verwirrt, sind nicht nur medizinisch und finanziell auf die Hilfe von Kindern und Pflegern angewiesen. Oft geht es auch um Rechtsfragen, die in ihrem Namen entschieden werden müssen, aber sie selbst sind nicht mehr klaren Verstandes. Sind Tochter oder Sohn in der Nähe, können sie per Vollmacht wichtige rechtliche und » finanzielle Entscheidung treffen. Immer aber funktioniert das nicht.

In fremden Händen. Es kommt vor, dass Pflegebedürftige ihrer Sippe nicht vertrauen; dass Angehörige sie nicht vertreten wollen oder können, zum Beispiel wenn ein Gericht ein Kind wegen eines Offenbarungseids für unzuverlässig hält. Dann kann das Vormundschaftsgericht einen gesetzlichen Betreuer bestellen. Findet sich kein Verwandter, kann es ehrenamtliche oder berufsmäßige Betreuer wie Anwälte auswählen. Oft sind die Pflegebedürftigen oder ihre Angehörigen mit den Entscheidungen des Betreuers nicht einverstanden, vor allem dann, wenn es um Geld geht. Meist steckt dahinter Angst ums Erbe.

Den Betreuer dann wieder loszuwerden ist nicht einfach. „Nur bei stichhaltigen Indizien kann ihm ein Gericht das Mandat entziehen“, sagt Thorsten Siefarth, Münchner Anwalt für Pflegerecht. Hat das Gericht andererseits den Eindruck, die Verwandtschaft sei nur hinter dem Geld des Pflegebedürftigen her, kann es auch Sohn oder Tochter das Betreuermandat verweigern.

Das Hauptproblem sieht Siefarth im Mangel an geeigneten Betreuern. Zudem lohne sich für Profis der Aufwand kaum, da sie pro Monat beim Sozialamt nur zwei bis sieben Arbeitsstunden abrechnen könnten, so der Betreute mittellos ist. Siefarth fürchtet angesichts niedriger Sozialetats, dass Betreuer künftig deutlich mehr Mandate übernehmen sollen: „Dann hätten wir Zustände wie vor Einführung des Betreuungsgesetzes, als ein Vormund mehr als 100 Mündel übernehmen durfte.“ Den pflegepolitischen Sprechern der Parteien in Berlin wird die Arbeit nicht ausgehen.

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