Volkswagen VW droht der Abstieg aus dem Dax

VW fliegt im Dezember aus dem Dax, wenn der Großaktionär Katar wie angekündigt seinen Anteil der Stammaktien von sieben auf 17 Prozent aufstockt. Für VW dürfte dann HeidelbergCement in den Leitindex einziehen und nicht wie bisher erwartet die VW-Vorzugsaktien. Es sei denn, die Deutsche Börse ignoriert einfach weiterhin die wirtschaftliche Beteiligung von Katar an den Vorzugsaktien, die der Großinvestor offiziell verkündet hat.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Ein VW-Mitarbeiter säubert am Quelle: dpa

"Wenn Katar im Dezember seinen Anteil an VW-Stammaktien erhöht, haben wir einen Dax ohne VW und mit HeidelbergCement", sagt Christian Stocker, Aktienanalyst und Index-Experte bei der Bank Unicredit in München.

Der Grund: Wenn Katar den Anteil von sieben auf 17 Prozent erhöht, fällt der an der Börse handelbare und nicht bei Großaktionären fest liegende Streubesitz unter das Mindestmaß von zehn Prozent. Die Deutsche Börse wird die Aktie dann sofort aus dem Dax werfen.

"Bisher galt es als sicher, dass dann die VW-Vorzugsaktien für die VW-Stammaktien in den Index aufrücken", sagt Stocker. Doch seit gestern gilt das nicht mehr. Denn Katar verkaufte ein bis zu 1,6 Milliarden Euro schweres Paket der stimmrechtslosen Vorzugsaktien, das entspricht 23,8 Prozent der VW-Vorzüge.

Dadurch müsste normalerweise der Streubesitz steigen, doch das Gegenteil passierte: Die Deutsche Börse ging bisher trotz des Groß-Anteils von Katar davon aus, dass 100 Prozent der VW-Vorzugsaktien im Streubesitz seien. Doch das steht in seltsamem Widerspruch zu der Pressemitteilung, in der Katar bekanntgab, auch nach dem Großverkauf noch bei 25 Prozent der Vorzüge ökonomisch im Risiko zu stehen.

Außerdem brach wegen des Großverkaufs der Kurs der Vorzugsaktien um 15 Prozent auf 61 Euro ein. Weil der Streubesitz auf 75 Prozent sank und der Kurs auf 61 Euro fiel, verringerte sich der Börsenwert des Streubesitzes auf 4,9 Milliarden Euro, sagt Stocker. Das ist sehr viel weniger als der Streubesitz von HeidelbergCement: Der Konzern bringt immerhin 6,6 Milliarden Euro auf die Waage, ein komfortabler Abstand zu den VW-Vorzügen von 1,7 Milliarden Euro. Um das Aufzuholen, müsste der Kurs dere VW-Vorzugsaktien in den kommenden Wochen um 35 Prozent steigen. 

Fondsmanager auf dem falschen Fuß erwischt

"Der Dax-Abstieg von VW ohne Aufstieg der Vorzugsaktien hätte erhebliche Umschichtungen bei Fonds zur Folge", sagt Stocker.

Denn börsengehandelte Indexfonds garantieren den Anlegern die Wertentwicklung des Dax und sichern sich mit Derivaten und Aktienkäufen ab.

Auch von Managern verwaltete Fonds dürfen oft nicht stark von der Entwicklung des Index abweichen und kaufen daher die im Dax enthaltenen Aktien. "Einige Fondsmanager haben schon VW-Vorzugsaktien gekauft - in der Erwartung, dass die in den Dax aufsteigen", so Stocker.

Diese Anleger müssen VW-Vorzüge nun verkaufen - und spätestens beim Aufstieg in den Dax HeidelbergCement-Aktien kaufen. "Der Kursrückgang bei VW-Vorzugsaktien wird vorerst weitergehen", prophezeit Stocker deshalb.

Für den Dax muss der Rauswurf von VW kein Schaden sein. Schließlich hat wenig dem Index in den vergangenen Jahren so geschadet wie die Kurskapriolen der VW-Stammaktie, die zwischenzeitlich auf 1000 Euro wegen der heimlichen Übernahmeaktivitäten von Porsche schoss - und danach auf 100 Euro fiel.  Auf derartige Bocksprünge werden die Index-Anleger künftig gern verzichten.

Ausweg: Katar ignorieren

Der einzig realistische Weg, wie die Dax-Vorzugsaktien trotz der Pressemitteilung von Katar und des darauf folgenden Kurseinbruchs in den Index aufsteigen könnten, ist der Folgende: Die Deutsche Börse könnte sich weiterhin auf den Standpunkt stellen, dass 100 Prozent der VW-Vorzugsaktien in Streubesitz sind, also nicht von einem Großaktionär kontrolliert werden.

Das Einzige, was dabei stört, ist die ökonomische Realität. Die ist seit dem 9. November offiziell und in der Pressemitteilung von Katar nachzulesen: "Qatar Holding LLC beabsichtigt, seine ökonomische Beteiligung ('economic interest') auf bis zu 25 MIllionen Aktien der Volkswagen AG zu monetisieren. Diese Beteiligung war Teil eines derivativen Arrangements, das Qatar Holding mit Credit Suisse International eingegangen ist. [...] Die Platzierung entspricht in etwa der Hälfte von Qatar Holdings gesamtem wirtschaftlichen Risiko ('Exposure') zu Volkswagens Vorzugsaktien."

In der Pressemitteilung ist  zu lesen, dass Katar fast die Hälfte der Vorzugsaktien von Volkswagen indirekt kontrollierte. So sehr, dass kurz nach Katars Ankündigung, einen Teil davon zu Geld zu machen, die entsprechenden Vorzugsaktien von Banken am Markt verkaufen wurden. Die übrigen 25 Prozent der Aktien kontrolliert Katar de facto, ergibt sich daraus. Weil dabei aber Optionsgeschäfte eine Rolle spielen, und es sich um Vorzugsrechte ohne Stimmrecht handelt, gelten rechtlich dennoch möglicherweise diese 25 Prozent als Streubesitz. Auch wenn das der ökonomischen Realität widerspricht.

"Das schwächt das Vertrauen in den Dax"

Die Deutsche Börse teilte mit, dass derivative Geschäfte grundsätzlich nur dann für die Berechnung des Streubesitzes berücksichtigt würden, wenn ein Übernahmeangebot nach dem Wertpapiergesetz vorliege. Das ist bei Volkswagen und Katar nicht der Fall. Zu einzelnen Unternehmen wollte sich der Börsenbetreiber nicht äußern.

"Die Deutsche Börse wartet ab, bis sie eine Mitteilung von Volkswagen oder dem Investor erhält, dass sich der Anteilsbesitz verändert hat. Vorher wird die Börse nicht handeln", sagt Anke Platzek, Aktienanalystin und Index-Expertin der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Volkswagen habe aber kein Interesse daran, freiwillig etwas zu melden, was den Aufstieg der Vorzugsaktien in den Dax verhindern würde.

Die Folge dieses Dilemmas ist das jüngste Kurschaos bei den VW-Vorzugsaktien und eine neue Unsicherheit darüber, was im Dezember mit dem Dax passiert. "Das schwächt das Vertrauen in den Dax", sagt Platzek.

Die Deutsche Börse will dagegen keinen Vertrauensverlust bei Ihrer Marke Dax erkennen. "Wir veröffentlichen jeden Monat die Rangliste, ebenso öffentlich ist der Index-Leitfaden, den wir in jüngster Zeit aktualisiert haben", teilte der Börsenbetreiber mit.

Leider dürften viele Investoren trotzdem mit der Unsicherheit über den Dax unzufrieden sein, besonders wenn sie in den vergangenen Tagen mit VW-Vorzugsaktien Geld verloren haben.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%