Staatsverschuldung Was bringt ein Europäischer Währungsfonds?

Der Fall Griechenland legt die Mängel der Währungsunion schonungslos offen. Jetzt soll ein Europäischer Währungsfonds künftige Krisen vermeiden - ein Konzept mit Tücken.

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Proteste in Griechenland Quelle: dpa

An innovativen Vorschlägen zur Rettung Griechenlands und der Europäischen Währungsunion herrscht in diesen Tagen kein Mangel. Schlager-Oldie Nana Mouskouri, 75, teilte der Weltöffentlichkeit mit, sie werde die Rente für ihre fünf Jahre im Europaparlament der griechischen Staatskasse überlassen. Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou bat bei einem Treffen mit US-Präsident Barack Obama um Unterstützung gegen „prinzipienlose Spekulanten“.

Dennis Snower schließlich, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, erinnerte sich an eine alte Politikerregel („Wenn du nicht mehr weiterweißt, gründe einen Arbeitskreis“). Eine „aus zehn bis 15 Finanzexperten bestehende unabhängige Schuldenkommission“ solle künftig „den Regierungen von in Not geratenen Ländern einen Finanzrahmen“ vorgeben. So als wäre nicht schon jetzt das Nebeneinander rivalisierender Institutionen ein wesentlicher Grund für den strukturellen Stillstand und die ordnungspolitische Orientierungslosigkeit in Europa.

EWF soll wie IWF funktioneren

Die meiste Resonanz aber erzielte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Am vorvergangenen Wochenende preschte er mit einer Forderung vor, die beim Treffen der EU-Finanzminister am Dienstag in Brüssel ganz oben auf der Agenda stehen dürfte. Ein Europäischer Währungsfonds (EWF) soll künftig nach dem Vorbild des Internationalen Währungsfonds (IWF) Euro-Staaten mit Zahlungsproblemen Kredite gewähren – und im Gegenzug harte Reformen einfordern.

Damit will Schäuble das zentrale Dilemma der EU lösen: Nach dem in Artikel 125 des EU-Vertrags verankerten „No-bail-out-Prinzips“ dürfen die Union oder einzelne Mitgliedstaaten nicht für Schulden eines anderen Mitglieds einstehen. Helfen dürfte den Griechen zwar der als Krisenfeuerwehr bewährte IWF in Washington – so wie er es schon jetzt in EU-Staaten wie Lettland, Ungarn und Rumänien tut. Ein IWF-Engagement im Euro-Staat Griechenland aber, obwohl von immer mehr Ökonomen gefordert, betrachten die Krisenverwalter in Brüssel, Paris und Berlin als unbotmäßige Einmischung des Fonds in die inneren Angelegenheiten der Euro-Zone – und als Eingeständnis der institutionellen Schwachbrüstigkeit der gesamten Währungsunion.

Der theoretische Unterbau des EWF stammt von Thomas Mayer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, und Daniel Gros, Chef des Centre for European Policy Studies in Brüssel. Und das Konzept, das globale Dominoeffekte von Staatsbankrotten verhindern soll, klingt zunächst plausibel. Doch es ist ein vergifteter Apfel, den die Ökonomen den Politikern reichen: Der EWF unterhöhlt den Sanktionsmechanismus des Marktes für fiskalisch unsolide Länder. „Letztlich würde der Fonds trotz aller Auflagen Länder belohnen, die die für eine stabile Währungsunion notwendigen Regeln brechen“, warnt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank.

Nicht der Markt mit seinen Strafzinsen soll Sünderländer auf Konsolidierungskurs bringen, sondern von der Politik bestellte EWF-Wächter? Nach den Erfahrungen mit dem weichgespülten Stabilitäts- und Wachstumspakt braucht es eine gehörige Portion Gottvertrauen, um das zu glauben. Viele Ökonomen befürchten, dass die Einrichtung eines EWF die No-bail-out-Klausel endgültig zur Farce macht. Vielmehr würde ein EWF die Rettung unsolider Länder durch die Steuerzahler anderer Euro-Staaten quasi institutionalisieren.

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