Industrie Wie der 3-D-Druck eine Revolution auslöst

Mittelerweile können auch personalisierte Hörgeräte und Schuhe gedruckt werden. Auch Automobilbauer experimentieren bereits mit dem Druck von Bauteilen. Quelle: dpa

Hörgeräte, Flugzeugteile, Schuhsohlen – der 3-D-Druck zieht in die Massenfertigung ein. Ein Lagebericht.

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Da ist die Sache mit den Preisen. Luke Winston, schwarzes T-Shirt, schwarze Jeans, steht in einem Besprechungsraum im dritten Stock eines Backsteingebäudes im Nordwesten Bostons und erzählt die Geschichte seines Start-ups Formlabs. 2011 wurde es von MIT-Absolventen gegründet, ein ordentlicher 3-D-Drucker habe damals noch 50.000 US-Dollar gekostet, sagt Winston, der den weltweiten Vertrieb leitet. Formlabs neueste Topmaschine für die Industrie sei schon für knapp 10.000 Dollar zu haben: „Das geht, weil wir günstigere Komponenten einsetzen und weil sich die Technologie so schnell weiterentwickelt.“

Da ist auch noch die Sache mit den Zahnbrücken. Winston führt weiter, in den nächsten Raum. An einer Wand steht ein Regal, auf dem Formlabs-Mitarbeiter ihre schönsten 3-D-Kreationen ausstellen. Neben Pokemón-Figuren, Vasen und einem Totenkopf sind auch filigrane Zahnbrücken wie kleine Kunstwerke aufgereiht. Winston führt ins nächste Zimmer, schnappt sich eine Art Tablett, vollgestellt mit solchen Dentalhilfen aus durchsichtigem Kunstharz, und wedelt damit durch die Luft: „Amerikanische Zahnlabore müssen ihre Fertigung nicht mehr nach China verlagern“, sagt er und zeigt auf sein Tablett. Mit dem 3-D-Drucker könnten US-Labore jetzt in den USA ihre Zahnhilfen selbst billiger produzieren. „Das ist die Zukunft“, sagt Winston.

Fallende Preise, steigende Nachfrage – so lautet schlechthin die Formel, wenn aus Erfindungen Massenprodukte werden. Die Formlabs-Maschinen stehen neuerdings auch beim Sportartikelhersteller New Balance. Der druckt damit Schuhsohlen aus, die individuell an die Füße jedes Kunden angepasst sind. Winston und sein Team entwickeln auch die Kunstharzfüllungen für ihre Drucker selbst – und sind damit Treiber des größten technologischen Umbruchs, den die Produktionstechnik seit Jahrhunderten erlebt hat.

So arbeiten 3D-Drucker
Das gewünschte Werkstück wird - wie bisher schon - im Computer als 3-D-Modell entworfen...
Die Software zerlegt das Modell in nanometerdünne Schichten und sendet die Konstruktionsdaten an den 3D-Drucker. Quelle: Premium Aerotec
Laserlicht, Elektronenstrahlen und Infrarotlicht lassen im Drucker Metall- oder Kunststoffpulver zu festem Material verschmelzen.
Ist eine Schicht fertig, wird neues Pulver aufgetragen und die nächste Lage verschmolzen. Quelle: Premium Aerotec
Ist der Druck beendet, wird der Rohling weiterverarbeitet.
Ungenutztes Pulver wird für den nächsten Druck verwendet. Quelle: Premium Aerotec

Vorbei die Zeiten, in denen Entwickler nur Prototypen oder zerbrechliche Design - proben druckten. Auch Flugzeugteile, Hüftgelenke, Hörgeräte und Lkw-Ersatzteile entstehen heute schon im 3-D-Drucker. Nicht mehr als Einzelstücke, sondern in Serie. Das Geschäft mit Druckern plus all den daran angeknüpften Diensten wie Softwarebereitstellung und den gedruckten Produkten selbst, betrug im vergangenen Jahr weltweit rund sechs Milliarden Dollar. 2020 soll es schon auf 21 Milliarden Dollar anwachsen, schätzt der Marktexperte Terry Wohlers. Und danach exponentiell wachsen. Der Durchbruch der Industriedrucker ist dabei ein weltumspannender Trend, dessen entscheidende Protagonisten auch in Deutschland zu finden sind.

So revolutionär wie das Fließband

So wie Claus Emmelmann. Etwa 5800 Kilometer von Boston entfernt sitzt der kantige Typ mit dem über die Jahre ergrauten Meckikopf in seinem Büro. Emmelmann ist Chef und Gründer des Laserzentrums Nord (LZN) in Hamburg, einer der weltweit wichtigsten Forschungseinrichtungen zum 3-D-Druck. Auch in Deutschland gelte: „Nach Jahrzehnten der Entwicklung ist die Technik reif für den industriellen Einsatz.“

Emmelmann setzt die Folgen des Einsatzes der Teiledrucker in der Produktion gar mit den Umwälzungen durch Dampfmaschine, Fließbandproduktion oder dem Einzug der Computer in die Unternehmen gleich: „Wir erleben den Beginn der vierten industriellen Revolution.“

So arbeiten 3D-Drucker

Die Technik stellt das jahrtausendealte Fertigungsprinzip aller menschlichen Erfindungen auf den Kopf. Ob Steinzeitmensch, mittelalterlicher Bildhauer oder moderner Konstrukteur: Stets haben sie Werkstückrohlinge zurechtgeschliffen, geschmiedet, geschnitten oder gestanzt. So blieb am Ende, neben reichlich Verschnitt, das gewünschte Produkt übrig.

Beim 3-D-Druck jedoch passiert das Gegenteil: Spezialmaschinen kleben, schmelzen oder backen Kunststoffe, Glas, Keramik, oder Metall zu einem Werkstück zusammen. Fast so, wie Tintenstahldrucker Bilder und Buchstaben zweidimensional aufs Papier bringen, verwandeln sie die digitalen Konstruktionsvorlagen und lassen reale Gegenstände Schicht für Schicht in die Höhe wachsen.

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