Mensch und Maschine Sex mit Frankensteins Monster

Seite 3/3

Roboter gegen Pädophilie?

Und die Frage wird relevanter mit zunehmender Nähe der Roboter zum Menschen. Die Auslastung eines Staubsaugers mag mäßig interessant sein. Doch wenn sich die Maschinen um uns kümmern, mit uns interagieren und wie der Sexroboter Harmony in unsere Betten kommen, dann werden selbst intimste Bereiche unseres Lebens digital erfasst. Und von Robotern begleitet. Thomas Beschorner ist Wirtschaftsethiker in Sankt Gallen. Eigentlich beschäftigt er sich mit Fragen zu Korruption und Unternehmensmoral. Bis er vor einigen Monaten merkte, dass da etwas auf uns zukommt, auf das er nicht vorbereitet war.

Bislang war die Ethik anthropozentrisch. Der Mensch stand im Mittelpunkt, der Mensch mit seiner Würde, seiner Verantwortung seinem Zusammenspiel mit anderen Lebewesen. „Nun interagieren wir zunehmend mit Maschinen. Und wir haben an diesem Punkt noch überhaupt nicht geklärt, welche Regeln dafür gelten sollen“, sagt Beschorner. „Wenn Roboter
eine hohe Ähnlichkeit zum Menschen haben, so ist es gut vorstellbar, dass wir eine Empathie für diese Dinge entwickeln. Sie werden dann wesensähnlich“, sagt der Wirtschaftsethiker.

Roboter für Pädophile?

Im November 2016 zog der kanadische Zoll einen rechteckigen Pappkarton aus der Fracht aus Japan. Als die Beamten das Päckchen öffneten, befand sich darin eine Sexpuppe, die 1,25 Meter groß war. Der Mann, der die Puppe bestellt hatte, wurde der Pädophilie angeklagt – obwohl es keine Indizien dafür gab, dass er ein menschliches Kind missbraucht hatte.

Es gibt Sexroboter, die einen Knopf haben, der die Puppe widerspenstig werden lässt. Der sogenannte Rape-Button simuliert eine Vergewaltigung. „Die Frage ist: Können Roboter etwas stimulieren, was später an echten Menschen ausgelebt wird? Oder wird gerade das dadurch verhindert?“, sagt Beschorner. So stellen die Roboter in der Gesellschaft auch neue Fragen an die Gesellschaft. Gleichzeitig diskutieren Forscher mit Blick auf ihre eigenen Erfindungen, wo Roboter uns dienen, wo sie uns ersetzen – und wo sie uns bekämpfen.

Im vergangenen Jahr entwickelte Roboterforscher Bendel etwas völlig Neuartiges. Er schrieb einen Münchhausen-Algorithmus, den Lügenbot oder „die Horrormaschine“, wie er ihn selbst nennt. Wer dem Chatprogramm eine Frage stellt, bekommt vermeintlich richtige Antworten. Doch der Code tauscht nach einem völlig willkürlichen Prinzip Zahlen aus, kombiniert Wahrheit mit Unwahrheit oder negiert Aussagen. „Angela Merkel ist Bundeskanzlerin und die beste Rapperin der Welt“, antwortete der Lügenbot auf die Frage, wer diese Frau sei. Bendel fand das großartig: Seine Maschine hat mit einer wahren Aussage für Vertrauen gesorgt und dann gelogen.

„Menschen müssen wissen, dass Roboter die Unwahrheit sagen können“, sagt Bendel. Roboter machen uns den Alltag so bequem, dass es leicht ist, bestimmte Bereiche zu delegieren – bis hin zur Abhängigkeit. Die Interaktion von Mensch und Maschine war auch immer ein Machtspiel. „Du bist mein Schöpfer, doch ich bin dein Herr!“, ruft Frankensteins Monster seinem Schöpfer am Ende zu.

Wenn Roboterforscherin Bennewitz neue Maschinen entwickelt, hat sie ein anderes Konzept als die Konstrukteure des Sexroboters Harmony. Diese wollen, dass die Puppen so realistisch wie möglich aussehen. Sie grübeln über die perfekte Silikonmischung und haben mehrere Maskenbildner beschäftigt, damit die Hülle des Algorithmus schön aussieht. Bennewitz achtet darauf, dass ihre Maschinen dem Menschen nicht zu ähnlich sehen. Aufräumroboter Kenny etwa hat nur eine Kamera als Auge, er wirkt dadurch wie ein harmloser Zyklop. Denn nach all den Jahren mit den Robotern weiß sie: Je klarer die Grenze zwischen Mensch und Maschine, desto weniger Missverständnisse gibt es in der Beziehung.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%