Roboter übernehmen Arbeit So sieht die Fabrik der Zukunft aus

Roboter übernehmen die Arbeit in immer mehr Fabriken. Die Fertigung wird damit schneller, zuverlässiger und preiswerter wird – der Mensch muss nicht das Nachsehen haben.

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Quelle: Illustration: Dmitri Broido, Foto: Fotolia

Eine Fabrikhalle in Gütersloh Ende Oktober: Mehrere Dutzend orangefarbene Roboterarme führen eine Choreografie auf, als hätte die sich ein Regisseur für einen Science-Fiction-Film ausgedacht: Sie strecken, drehen, beugen sich, legen Metallteile von einem Arbeitstisch zum nächsten, verteilen Klebstoff und verschrauben Bauteile. Alles mit übermenschlicher Präzision und blitzschnell, ein Ballett aus lebendig gewordenem Metall.

Der futuristische Maschinentanz findet am Stammsitz des Hausgeräteherstellers Miele statt. In mehreren Fabrikhallen, groß wie Fußballfelder, fügen Roboter und Menschen gemeinsam binnen Stunden hier Hunderte Einzelteile zusammen, bis am Ende fertige Waschmaschinen in Transporter verladen werden, 5000 Stück pro Tag.

Schon seit 117 Jahren baut Miele Waschmaschinen. Anfangs noch größtenteils per Hand. Dann, ab den Sechzigerjahren, zunehmend am Fließband und mit Geräten. Seit vier Jahren aber ist noch einmal alles anders geworden. Denn seitdem baut Miele große Teile seiner Waschmaschinen mit Robotern. Und jetzt geht alles noch einmal deutlich schneller, preiswerter und produktiver voran als bisher.

Diese Jobs mischen Roboter auf
IndustrieSchon heute werden viele Arbeitsschritte von Maschinen übernommen - doch die vernetzte Produktion setzt auch in den Werkshallen eine weitere Automatisierungswelle in Gang. Das muss unterm Strich aber nicht zwangsläufig zu Jobverlusten führen, heißt es aus der Wirtschaft: Bereits Ende 2016 lag Deutschland bei der „Roboter-Dichte“ weltweit auf Platz drei hinter Südkorea und Japan - und trotzdem sei die Beschäftigung auf einem Rekordstand, erklärt der Maschinenbau-Verband VDMA. Auch der Präsident des Elektronik-Branchenverbandes ZVEI, Michael Ziesemer, sagt: „Es können auch mehr Jobs entstehen als wegfallen.“ Die Digitalisierung werde eine Vielzahl neuer Geschäftsmodelle und damit neue Stellen hervorbringen. „Wer kreativ ist, rangeht und sich Dinge überlegt, hat jede Menge Chancen.“ Quelle: dpa
Das vernetzte und automatisierte Fahren dürfte künftig viele Jobs überflüssig machen Quelle: dpa
BüroSchreibarbeiten, Auftragsabwicklung und Abrechnungen - Büro- und kaufmännische Fachkräfte erledigen nach Experteneinschätzungen Arbeiten, die heute schon zu einem hohen Grad automatisierbar sind. Dadurch könnten auch viele Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen: Mehr als 1,6 Millionen Menschen in Deutschland sind in solchen Berufen tätig. Quelle: dpa
Der Handel wurde als eine der ersten Branchen von der Digitalisierung erfasst - entsprechend laufen im Online-Handel viele Prozesse automatisiert ab Quelle: dpa
Sie melken die Kühe, füttern, misten aus und helfen beim Ernten - Roboter haben längst auch auf den Bauernhöfen Einzug gehalten Quelle: dpa
Roboter in der Pflege - was in Japan bereits zum Alltag gehört, bereitet vielen Menschen in Deutschland noch eher Unbehagen Quelle: dpa
Auch im Haushalt tun Roboter schon ihren Dienst Quelle: dpa

Vor Kurzem noch war es fast ausschließlich die Autoindustrie, die auf Robotik setzte. Auf riesige Maschinen, die Metallteile schweißen oder Fensterscheiben in die Karosserie einbauen – abgeschottet in Käfigen, wie gefährliche Tiere. Nun aber werden Roboter handzahm: Sie lernen, Menschen auszuweichen, wenn Gefahr besteht, sie zu verletzen. Und sie sind preiswerter geworden, kleiner und leichter zu programmieren.

Das macht sie für neue Einsatzzwecke interessant. „Die Nachfrage nach Robotern zieht jetzt in vielen zusätzlichen Branchen an“, sagt Sami Atiya, Chef der Division Robotik und Antriebe beim Schweizer Industriekonzern ABB. „Von der Elektroindustrie bis zu Nahrungsmittelherstellern“, so Atiya. Und darum boomt das Automationsgewerbe wie nie zuvor. Bis 2020 werden mehr als 1,7 Millionen neue Industrieroboter in den Fabriken der Welt installiert, insgesamt sind dann gut drei Millionen im Einsatz. Das Marktwachstum pro Jahr: 14 Prozent.

Die Roboterrevolution hält auch deutsche Hersteller wie Miele wettbewerbsfähig gegenüber Billiglohnländern. Denn sie spart Arbeitskosten – und steigert die Vielfalt der Produkte. „Roboter erlauben es, Herstellungsprozesse viel flexibler zu automatisieren als bisher“, sagt ABB-Manager Atiya. Statt immer das gleiche Stück abertausendfach zu produzieren, sind jetzt auch Kleinserien und Einzelstücke möglich. Der Kunde will es so: Immer beliebter wird es, Konsumgüter nach Gusto zu konfigurieren, ob in Farbe, Form oder Funktion.

Mit Software orchestrierte Feinarbeit

Gleichzeitig fertigen die Maschinen in einer Qualität, die Menschen nicht leisten können. Wie bei Miele. Da übernehmen Roboter längst fast alle Aufgaben bei der Fertigung der Waschmaschinengehäuse. Ein Arbeiter legt Seitenwände und Verstrebungen auf eine Halterung. Flugs greift sich ein Maschinenarm das Gestell und führt es einem Gerät zu, das die Teile zusammenstanzt. Sieben, acht Drehungen, schon sind die Teile verbunden und es geht weiter zu nächsten Station. Weiter hinten trägt ein Roboter mit einer Spritze Dichtungsmasse auf, ein Sensor hilft ihm, millimetergenau anzusetzen. Sieben Maschinenarme arbeiten Hand in Hand und sind nach nur 49,5 Sekunden fertig.

Ausgedacht hat sich das Zusammenspiel Sebastian Lörcks, bei Miele zuständig für die Produktionsplanung. Mit einer Software von ABB kann der 27-Jährige jeden kleinsten Arbeitsschritt der Roboter schon am Computer planen, bis alles perfekt getaktet ist. „Wenn die echten Roboter aufgebaut werden, müssen wir die Steuerbefehle nur noch überspielen“, sagt Lörcks.

Das sind die Trends der Robotermesse IRex
Der kommende Roboterriese: Der Autohersteller Toyota hat seit zehn Jahren eine große Roboterabteilung aufgebaut. Der humanoide Roboter T-HR3 kann präzise selbst komplexe Handgriffe erledigen. Quelle: Martin Kölling
Der größte Trend: Cobots, also Roboter, die mit dem Menschen interagieren. Mit seinem berühmten Roboterarm ist Kuka aus Augsburg ein Cobot-Hersteller der ersten Stunde. Quelle: Martin Kölling
Ein Cobot als Küchenhilfe: Dieser kollaborative Roboter von Kawasaki Heavy drückt Plastikdeckel auf Fertigmahlzeiten. Quelle: Martin Kölling
Der japanische Elektronikhersteller Panasonic produziert einen automatischen Tomatenpflücker, der dank maschinellem Lernen reife Tomaten identifizieren und einsammeln kann. Quelle: Martin Kölling
Dieser Roboterarm von Kawasaki Heavy kann auch beim Röntgen helfen und so die Strahlenbelastung von Klinikmitarbeitern senken. Quelle: Martin Kölling
Diese Schweißroboter von Daihen haben auch Entertainer-Qualitäten – und können einen Lichtschwert-Tanz aufführen. Quelle: Martin Kölling
Der japanische Roboterriese Fanuc zeigt nicht nur kleine kollaborative Roboter, sondern auch klassische Riesen. Dieser Arm kann ein 1,2 Tonnen schweres Auto heben. Quelle: Martin Kölling

Eingebauter Sanftmut

Per Software sieht er in seinem Büro auch, ob es Probleme bei den Maschinen gibt. Inzwischen bietet ABB auch an, die Roboter via Internet aus der Ferne zu überwachen, rund um die Uhr. Fällt einer aus, ist der Wartungstechniker noch schneller da als bisher.

Das alles verändert auch das Zusammenspiel von Mensch und Maschine. Die schweren Aufgaben – Teile heben, über Kopf schrauben – müssen Arbeiter nicht mehr erledigen. Alles, was langweilig, dreckig, gefährlich ist – übernimmt die Maschine. Die Arbeiter dagegen tun Dinge, die besonderes handwerkliches Geschick oder Improvisation voraussetzen, bauen etwa biegsame Gummidichtungen ein. Dass sich beide nicht in die Quere kommen, darüber wachen Annäherungssensoren, die den Roboter notfalls stoppen.

Der eingebaute Sanftmut macht Roboter inzwischen auch für Werkstätten und Kleinfabriken interessant, Orten mit wenig Platz und vielen Menschen. Etwa bei Hofmann Glastechnik in Staudt im Westerwald. Der Traditionsbetrieb mit 23 Mitarbeitern stellt Spezialgläser her, etwa Gefäße für Medizinlabore oder Röhren für Röntgengeräte.

Paletten voller Rohlinge stapeln sich im Produktionsraum. Davor ist ein Roboterarm emsig im Einsatz: Mit einer Zange greift er ein Laborglas und platziert es in einen Ofen. Nach ein paar Minuten holt er das Glas wieder heraus und stellt es auf einer zweiten Palette ab. Es ist eine Arbeit voller Wiederholungen, die bisher Hilfskräfte erledigt haben, von früh bis spät. „Aber Hilfsarbeiter sind schwer zu bekommen“, sagt Geschäftsführer Robert Hofmann, „wir haben hier Vollbeschäftigung in der Region.“ Darum suchte der Mittelständler nach einem Roboter für diese Aufgabe – und wurde auf einer Messe fündig.

Der Anbieter Universal Robots ist einer der Vorreiter für sogenannte kollaborative Roboter: kleine, schlaue Roboterarme, nicht viel größer als das menschliche Vorbild, die mit Menschen an einem Tisch arbeiten können und bei Berührung sofort innehalten. Ihre Bewegungen lassen sich mit einer Software und per Hand leicht programmieren, so wie Eltern einem Kind beibringen, die Schuhe zu schnüren.

Per Hand konnte ein Mitarbeiter bisher 250 Gläser am Tag fertigen. Der Roboter braucht keine Pausen und schafft 400. Früher konnten sich Mitarbeiter am heißen Ofen mal eine Brandblase holen, heute macht der Stahlarm den gefährlichen Job. Und weil der Roboter immer genau den Takt einhält, gibt es viel weniger Ausschuss.

Außerdem kündigt die Maschine nicht plötzlich den Job, wie das Hofmann bei Hilfskräften schon erlebt hat. Die Investition in seinen ersten UR5, ein fünfstelliger Betrag, habe sich schon nach einem Jahr ausgezahlt. Schon plant er die nächste Anschaffung: „Der erste Roboter hat den zweiten verdient, jetzt verdient der zweite den Dritten“, sagt Hofmann.

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