Gastbeitrag Hermann Simon Hidden Champions: Die Welt ist ihr Markt

Zwischenzeitliche Rückschläge sind für jedes Unternehmen, das wachsen will, die Regel und eine erhebliche Frustrationstoleranz ist notwendig. Denn: Auf dem Weg zum globalen Weltmarktführer lauern viele Hürden.

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Unternehmensberater und Wirtschaftsprofessor: Hermann Simon. Sein Spezialgebiet: Strategie, Marketing und Pricing. Und natürlich mittelständische Weltmarktführer. Quelle: picture-alliance/ dpa

Bonn Hermann Simon ist Gründer der globalen Strategieberatung Simon-Kucher & Partners sowie Bestseller-Autor und Management-Denker. Im Rahmen der Handelsblatt-Online-Serie „Hidden Champions: Deutschlands geheime Weltstars“ schreibt der Mittelstands-Experte regelmäßig Gastbeiträge zum Thema.

Erinnern Sie sich noch an meinen August-Beitrag? Es ging darum, dass eine enge Fokussierung in Verbindung mit Tiefe die erste Säule der Hidden-Champion-Strategie bildet. Sie ist schließlich Voraussetzung für das Erreichen und Halten von Weltklasse.

Fokussierung macht den Markt aber auch klein, weshalb sich die Frage stellt, wie man ihn wieder groß genug macht, um erfolgreich zu sein. Kurz: Durch globale Vermarktung! Sie stellt deshalb die zweite Säule der Hidden-Champion-Strategie dar. Der Weltmarkt ist im Mittel um den Faktor elf größer als der deutsche Markt. Das globale Marktvolumen lässt die Realisierung von Economies of Scale selbst in engen Märkten zu.

Die Hidden Champions sind mit großer Entschlossenheit in Richtung Globalia unterwegs. Nicht wenige von ihnen sind zu wahrhaft globalen Unternehmen geworden. Die Welt ist ihr Markt, und sie arbeiten mit großer Ausdauer daran, ihre führenden Marktpositionen auf möglichst viele Länder auszudehnen. Sie haben in diesem Prozess Erfahrungen gesammelt, die für viele Unternehmen wertvoll und nutzbar sind.

So erweist sich die Globalisierung als der wichtigste Wachstumstreiber der Hidden Champions. Jedes Unternehmen, das wachsen will, sollte diese Chance nutzen. Die inhaltliche Basis für den Erfolg dieser Strategie liegt darin, dass die Kunden in einer Branche über Länder hinweg ähnliche Bedürfnisse haben. Die Erfahrungen der Hidden Champions legen nahe, dass es besser ist, in einem inhaltlich engen Markt regional zu expandieren als in einer Region in unterschiedliche Märkte einzusteigen.

Die Hidden Champions beginnen früh mit dem Eintritt in ausländische Märkte und ziehen dabei den Alleingang vor. Sie sehen den Pioniervorteil und die direkte Kundenbeziehung durch eigene Tochtergesellschaften als wichtige Erfolgsparameter. Die Globalisierung dauert mehrere Generationen und erfordert sehr langfristige Ziele sowie eine große Ausdauer. Zwischenzeitliche Rückschläge sind die Regel, erhebliche Frustrationstoleranz ist notwendig.


Ohne China geht es nicht

Im Prozess der Globalisierung findet eine regionale Verschiebung der Umsätze statt. Aus Unternehmen, die bisher den Großteil ihrer Erlöse in Transatlantica erzielten, werden globale Unternehmen mit einem starken Gewicht Asiens. Das erfordert eine erhebliche Umorientierung im Hinblick auf Kultur und Personal.

Die mit dieser Verlagerung einhergehende Neusetzung von Prioritäten bereitet große Schwierigkeiten, da mehrere attraktive Zukunftsmärkte gleichzeitig um knappe Ressourcen konkurrieren. Die Frage, ob man erst in einem Markt eine kritische Größe erreichen sollte, bevor man in den nächsten geht, oder ob man mehrere Märkte gleichzeitig angehen sollte, lässt sich nicht generell beantworten. Eine wohlüberlegte Wahl ist angezeigt. Besonders beeindruckend ist die frühe und starke Präsenz der Hidden Champions in China. Nimmt man sie als Maßstab, dann geht es für international agierende Firmen ohne China nicht.

Die globale Vermarktung bringt zusätzliche Risiken mit sich, sorgt aber in der Regel auch für eine Risikodiversifikation, zumindest wenn die Geschäftszyklen über Regionen zeitlich versetzt sind. Das Internet erleichtert die Globalisierung insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen erheblich. Allerdings bringt das globale Internet-Marketing auch deutlich höhere Anforderungen mit sich.

Der früher bei der Eroberung neuer Märkte verbreitete „Haudegen-Ansatz“ wird vermehrt durch ein professionelles und systematisches Vorgehen ersetzt. Die Internationalisierung selbst muss als Lernprozess verstanden werden. Gleichzeitig Voraussetzung und Folge der Globalisierung ist eine Erweiterung der kulturellen und mentalen Kompetenzen. Der Engpass in der Globalisierung liegt in der Regel beim Personal.

Die Welt ist der Markt. Die Hidden Champions haben bewiesen, dass dieser Satz nicht nur für große, sondern gleichermaßen für mittlere und kleine Unternehmen gilt. Die erweiterte Perspektive eröffnet ungeahnte Wachstumschancen und diejenigen Firmen, die diese ergreifen, stoßen in neue Größenordnungen vor.

Die Erfahrungen zeigen aber auch, dass Globalisierung ein langfristiger und Ausdauer erfordernder Prozess ist. In dessen Mittelpunkt stehen Unternehmer und Mitarbeiter, die die Grenzen nationaler Kulturen überwunden haben und Weltbürger geworden sind. Die Hidden Champions dienen als Vorbild und Ermutigung für andere Firmen in aller Welt, den gleichen Weg zu gehen.

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