Gefälschte Luxus-Artikel Die Produktpiratin von nebenan

Mit gefälschten Taschen, Uhren und Schuhen verdienen Produktpiraten in den USA Millionen. Die Marken haben kaum Möglichkeiten, gegen die Betrüger vorzugehen. Eine mutmaßliche Fälscherin erhielt gar eine Green Card.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die meisten gefälschten Luxusprodukte stammen aus China. Quelle: ap

Schanghai Xu Ting ist in den USA schon lange als Verkäuferin von gefälschten Luxusartikeln bekannt. Acht Nobelmarken haben die Chinesin bereits verklagt. Dem Chanel-Konzern schuldet sie 6,9 Millionen Dollar (6,2 Millionen Euro), weil sie im Internet Fake-Produkte unter dem Namen des Modeherstellers veräußerte.

Abbringen ließ sich die 45 Jahre alte Einwandererin bisher nicht von ihren Geschäften. Sie führt zusammen mit ihrem Mann und ihrem dreijährigen Sohn ein komfortables Leben in einem Vorort von San Diego in Kalifornien. Seit vergangenem Jahr hat sie sogar eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis für die Vereinigten Staaten.

Die meisten gefälschten Markenprodukte stammen aus China. Verkauft werden sie aber in den USA, wo Produktpiraterie nur selten als Verbrechen verfolgt wird. Da beide Staaten kaum kooperieren, fällt es den Fälschern leicht, ihr Geld in Sicherheit zu bringen. Die Drahtzieher ausfindig zu machen ist nahezu unmöglich. Und so lange die Täter ihre Gewinne behalten können und vor Festnahmen sicher sind und solange die Kunden weiter kaufen, wird der Handel mit Billig-Kopien weiter florieren.

„Es gibt Millionen Wege, das System auszutricksen“, sagt der auf Schutz- und Urheberrechte spezialisierte Anwalt Dan Plane aus Hongkong. „Das einzige, was sie (Xu Ting) stoppen könnte, wäre wohl ihr Tod – vermutlich auf irgendeiner Ferieninsel – oder ihre Festnahme.“

Bisher hat sich die Chinesin schlicht geweigert, vor Gericht zu erscheinen. Sie studiert an der San Diego State University, verhalf ihrer Familie in China zu Bankguthaben in Höhe von mindestens 890.000 Dollar und kaufte sich zusammen mit ihrem Mann ein Haus für 585.000 Dollar, wie aus den Unterlagen der Behörden und Gerichte hervorgeht.

Chanel-Sprecherin Kathrin Schurrer wollte sich auf Nachfrage nicht zu den Forderungen des Luxusgüterkonzerns gegen Xu Ting äußern und verwies auf das laufende Verfahren. Sie erklärte lediglich, eine mögliche gerichtliche Beschlagnahmung von Xu Tings Haus sei nach kalifornischem Recht nicht möglich, da es sich um den Erstwohnsitz der Frau handele. Entscheidend für Chanel sei schlichtweg, dass die Produktfälschung gestoppt werde.

2009 hatte ein Richter in Florida gegen Xu Ting entschieden und die Schließung von sieben Internetseiten verfügt, auf denen Nachahmerwaren von Louis Vuitton, Marc Jacobs und Céline angeboten wurden. Im Jahr darauf klagten Gucci und andere Marken der französischen Kering-Gruppe vor einem New Yorker Bundesgericht gegen die Chinesin, deren späteren Ehemann und acht weitere mutmaßliche Produktpiraten. Den Beschuldigten wurde vorgeworfen, kopierte Handtaschen und Portemonnaies im Wert von mehr als zwei Millionen Dollar an amerikanische Kunden verkauft zu haben.


Green Card seit Februar 2014

Xu Tings Ehemann Xu Lijun erzielte damals eine außergerichtliche Einigung. Der Bauingenieur wies die Anschuldigungen zurück, überließ Gucci aber 400.000 Dollar von seinen Einnahmen aus der Markenpiraterie und zahlte eine Geldbuße in Höhe von 7500 Dollar.

Xu Lijuns Anwalt Eric Siegle bezeichnete seinen Mandanten als „kleinen Niemand“. „Die Leute, die hier in den USA festgenommen oder verklagt werden, stehen auf der unteren Ebene“, sagte Siegle. „Zum Kern des Problems kommt man nur, wenn man herausfindet, wohin das Geld geht.“

Das ließ sich im Fall der Gucci-Klage aber nicht nachvollziehen, da die chinesischen Banken keine Auskunft über die Geldströme geben wollten. Dies würde gegen das chinesische Gesetz verstoßen, erklärte die Bank of China. Das Verfahren läuft weiter. Kering-Sprecherin Charlotte Judet erklärt, Gucci werde jedes mögliche Urteil gegen Xu Ting entschlossen durchsetzen. Die Beklagte wollte sich nicht zu den Verfahren äußern.

Xu Ting hatte im Februar 2014 eine Green Card erhalten. Dan Kowalski, Fachanwalt für Einwanderungsrecht, sagte, möglicherweise sei den Behörden das juristische Vorgehen gegen die Chinesin nicht bekanntgewesen. Wahrscheinlicher sei es aber, dass dieses schlicht nicht als Hindernis gesehen wurde. Ein Antrag auf eine unbefristete Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis kann zwar wegen schwerer Verbrechen abgelehnt werden, nicht aber wegen zivilrechtlicher Schwierigkeiten. Die vagere Voraussetzung eines „einwandfreien Charakters und guten Rufs“ wird eher bei Anträgen auf Einbürgerung als bei solchen auf Green Cards angewendet.

In den USA werden die meisten Produktfälscher zivilrechtlich von den Unternehmen belangt. Dabei hätte eine strafrechtliche Verfolgung mit drohender Haftstrafe nach Ansicht von Juristen eine deutlich abschreckendere Wirkung. „Es ist wahrscheinlicher, dass jemand vom Blitz getroffen wird, als dass er wegen Markenpiraterie inhaftiert wird“, sagt Geoffrey Potter, Anwalt für Immaterialgüterrecht in der New Yorker Kanzlei Patterson Belknap Webb & Tyler.

Die Behörden räumen selbst ein, dass ihnen im Kampf gegen die Produktfälscher oft die Hände gebunden sind. Bruce Foucart vom Koordinationszentrum für den Schutz geistigen Eigentums sagt: „Wenn man eine (Internetseite) schließt, stehen leider schon zehn weitere bereit, um unter einem anderen Namen an den Start zu gehen.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%