Geldwäsche Wie die Deutsche Bank ihr Russlandgeschäft aufarbeitet

Von 2012 bis 2014 sollen bis zu zehn Milliarden Dollar in Russland über die Deutsche Bank gewaschen worden sein. Die Aufarbeitung der dubiosen Geschäfte liest sich wie ein Krimi, in dem fast alle Beteiligten versagten.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Seit den internen Untersuchungen hat das Geldhaus einen Großteil der Geschäfte in Russland eingestellt. Quelle: dpa

Moskau Schon im Frühjahr 2014 läuteten bei der Deutschen Bank durchaus die Alarmglocken. Es gab eine auffällige Häufung dubioser Transaktionen aus Moskau. Eine Bank aus Zypern warf Fragen auf, und im Moskauer Büro der Deutschen Bank wurde eine Liste erstellt. Einige der Warnungen wurden ignoriert, andere nicht ernst genommen. Erst Anfang 2015 reagierte die Deutsche Bank mit einer umfassenden internen Untersuchung, bei der schließlich ein „Geldwäschemuster“ erkennbar wurde. Zwischen 2012 und 2014 sollen demnach bis zu zehn Milliarden Dollar gewaschen worden sein.

Fazit dieser Untersuchung: Die interne Kontrolle der Bank, eigentlich zum Aufspüren genau solcher Muster und anderer Finanzdelikte gedacht, hat „systemisch“ versagt. Das vernichtende Urteil findet sich im Zusammenhang mit der Antwort auf die so genannten Spiegelgeschäfte in Russland. Auch die russische Notenbank hatte eine Untersuchung vorgenommen, die im letzten Jahr auch eine Strafzahlung wegen Mängeln bei der Offenlegung von Transaktionen nach sich zog. Inzwischen ermitteln auch die Finanzaufseher aus den USA und in Europa.

Insgesamt hat die Deutsche Bank 5,5 Milliarden Euro für die Bereinigung von Rechtsstreitigkeiten, einschließlich der Folgen der Spiegelgeschäfte in Russland zurückgestellt. Nicht zuletzt die Häufung von Konflikten mit Aufsichtsbehörden haben den Aktienkurs der Deutschen Bank in den letzten Monaten stark belastet.

Der Vorstandsvorsitzende John Cryan, seit Juli im Amt, hat die Bereinigung der Rechtsstreitigkeiten zu seiner persönlichen Mission erklärt. In diesem Jahr noch solle das Thema Russland und andere wichtige Rechtsverfahren beendet werden. Die Bank erlebe derzeit nicht ihre besten Zeiten, sagte Cryan im März auf einer Konferenz in London. Systeme und Kontrollen hätten im Falle der russischen Transaktionen versagt.

Laut ihrer Sprecherin Renee Calabro hat die Deutsche Bank die internen Untersuchungsergebnisse an die Behörden weitergeleitet. Seitdem seien Defizite beseitigt, Disziplinarmaßnahmen bei betroffenen Mitarbeitern ergriffen und die Kontrollmechanismen unter die Lupe genommen worden. Es handele sich im Übrigen um einen weiter laufenden Prozess, sicherte eine Sprecherin zu.

Im Rahmen der Spiegelgeschäfte wurden lokale Aktien in Rubel gekauft, während die gleichen Titel in London für Dollar verkauft wurden. Zu diesem Ergebnis kam die russische Zentralbank ebenso wie die Untersuchung der Deutschen Bank selbst. Solche Handelsgeschäfte sind in einigen Fällen durchaus legal. Das US-Justizministerium möchte nun wissen, ob die Deutsche Bank gegen Meldepflichten verstoßen hat, die Geldwäsche verhindern sollen, wie es aus informierten Kreisen hieß.


Netz aus Offshore-Unternehmen

Der interne Untersuchungsbericht der Deutschen Bank beschreibt ein Netz von miteinander verbundenen Offshore-Unternehmen und Brokern in Moskau, die vor allem mit ihren hohen Umsätzen die Aufmerksamkeit der Bank und der Aufsichtsbehörden erregten. Oft wurden diese Umsätze nur in eine Richtung erzielt – ausschließlich Aktienverkäufe etwa. Die betreffenden Unternehmen wurden aus Russland kontrolliert und platzierten ihre Order allesamt beim Aktien-Desk der Moskauer Niederlassung der Bank.

Die russische Notenbank warnte die Deutsche Bank vor einigen ihrer Moskauer Partnerbroker. Auch von mehreren Angestellten der Bank lagen Warnungen vor. Die Deutsche Bank beendete daraufhin die Geschäftsbeziehung zu einigen dieser Firmen. Die Forderung nach einer umfassenderen Untersuchung aus dem Back-Office der Deutschen Bank in Moskau wurde von Vorgesetzten in London allerdings ignoriert, wie die Deutsche Bank inzwischen herausgefunden hat.

Die Schlüsselfrage bleibt sowohl nach den Untersuchungen der Deutschen Bank wie der russischen Notenbank unbeantwortet: Wessen Geld wurde da überhaupt gewaschen?

Laut Informationen von Bloomberg News stammte ein Teil des russischen Geldes aus dem Umfeld des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Darunter sollen ein Verwandter und zwei langjährige Freunde – Arkady und Boris Rotenberg – sein. Derzeit gibt es keine Anhaltspunkte für Ermittlungen gegen die Rotenbergs oder andere Individuen. Der Kreml hat die Vorwürfe als ungerechtfertigt bezeichnet.

Die allerersten Hinweise auf die Spiegelgeschäfte stammen der Untersuchung zufolge aus dem Januar 2014, als die zypriotische Hellenic Bank die Londoner Niederlassung der Deutschen Bank um Hilfe ersuchte im Zusammenhang mit „verdächtig hochvolumigen Transaktionen“ über das Konto einer in Großbritannien registrierten Firma namens Ergoinvest LLP. Hellenic erhielt zunächst keine Antwort, sandte zweimal Erinnerungen, bevor im März eine Antwort von der Deutschen Bank in Moskau eintraf. Der dortige Aktienhandel – und nicht etwa die mit Compliance oder der Verhinderung von Geldwäsche befassten Abteilungen – verbürge sich für die Transaktionen und den Kunden.

Während ein Teil der Deutschen Bank Ergoinvest verteidigte, stellte ein anderer Teil der Bank in einem anderen Teil der Welt erste Fragen. Eine für die Aufdeckung von Finanzkriminalität zuständige Abteilung in New York wandte sich an die Hellenic Bank. Bei der zypriotischen Bank kamen widersprüchliche Signale zu Ergoinvest an, also bat man bei der Tochter in New York um nähere Erläuterungen. Eine Antwort blieb nach dem internen Bericht aus. Die Hellenic Bank äußerte sich auf Nachfrage nicht zum Thema. Repräsentanten von Ergoinvest – laut britischem Handelsregister im Besitz von Firmen mit Sitz im Commonwealth Dominica – ließen sich nicht ermitteln.

Die Deutsche Bank machte ungeachtet der vielen Fragen weiter Geschäfte mit Ergoinvest – darunter laut Bericht der russischen Notenbank auch Spiegelgeschäfte. 2015 begannen die russischen Behörden erste Fragen über Ergoinvest und andere Broker zu stellen.


Bargeld sollte aus Russland geschafft werden

Nur wenig später untersuchte das Back-Office in Moskau Transaktionen, die nicht mit Ergoinvest im Zusammenhang standen, wie es in der Untersuchung weiter hieß. Dabei zeigten sich beide Seiten eines Mechanismus, der im Grunde dazu diente, Bargeld aus Russland zu schaffen. Ein kleiner lokaler Broker kaufte Aktien in Moskau und verkaufte sie über eine Holding mit Sitz auf den britischen Jungferninseln gegen Bares in London.

Im August entschied das Führungspersonal der Deutschen Bank in Moskau, die Beziehungen zu beiden Unternehmen abzubrechen, wie sich aus dem Bericht der Notenbank ergibt. Noch am selben Tag bot das Moskauer Back Office den Kollegen in London Hilfe bei der Suche nach vergleichbaren Transaktionen anderer Kunden an, eine Antwort blieb aber laut interner Untersuchung aus.

Trotz zunehmender Warnungen wurde seinerzeit nach einer internen Prüfung der Moskauer Aktienhandelsabteilung eine ausreichende Bewertung attestiert. Die verdächtigen Transaktionen wurden dabei nicht erwähnt. Dieser Untersuchung wurden ein knappes Jahr später von internen Stellen „schwerwiegende Mängel“ bescheinigt.

Die russische Zentralbank kam in ihrer Untersuchung, die Transaktionen aus einem Zeitraum von einem Jahr zum Gegenstand hatte, zu dem Schluss, dass die Deutsche Bank Opfer krimineller Machenschaften wurde. Sie verhängte eine Geldstrafe von etwa 5000 Dollar für Versäumnisse wie die Nichteinhaltung von Fristen. Die Notenbank wollte sich Bloomberg gegenüber zu den Vorfällen nicht äußern.

Seit der internen Untersuchung hat die Deutsche Bank einen Großteil der Geschäfte in Russland eingestellt, ohne allerdings einen Zusammenhang mit der Untersuchung der Spiegelgeschäfte herzustellen. Die Bank hat drei Mitarbeiter in Moskau entlassen. Alle drei bestreiten Fehlverhalten und gehen gegen ihre Entlassung vor.

Überdies wurden Sparten für Regulierung, Compliance und gegen Finanzkriminalität umstrukturiert. Gerade in so genannten Hochrisikomärkten, teilte die Bank im November mit, würden keine neue Kunden mehr angenommen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%