E-Mail-Typen Du bist, wie du mailst

In flüchtig verfassten E-Mails geben viele im Berufsalltag mehr von ihrer Persönlichkeit preis, als ihnen bewusst ist. Kennen Sie schon den Kontroll-Freak, den Wadenbeißer oder den Betreffzeilen-Schreiber? Eine Typologie.

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Welcher E-Mail-Typ sind Sie? Quelle: handelsblatt.com

Man kann nicht nicht kommunizieren, behauptete der österreichische Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick: Jedes Verhalten zweier Menschen, die sich gegenseitig wahrnehmen, sei bereits Kommunikation. Und jede Botschaft enthalte über die reine Sachinformation hinaus einen Hinweis darauf, wie der Sender emotional zum Empfänger steht. Mit Schweigen, Worten und Gesten verraten wir also eine Menge über uns und wie wir unsere Beziehung zum Gegenüber sehen.

Berater Gunter Meier ist überzeugt, dass Gleiches für den digitalen Austausch im Berufsalltag gelte. Meier zeigt Fach- und Führungskräfte den richtigen Umgang mit E-Mails.

Oft genug ist die elektronische Kommunikation im Büroalltag an die Stelle des persönlichen Gesprächs getreten: Rund ein Viertel ihres Arbeitstages beschäftigen sich europäische Manager mit E-Mails. Das hat jüngst eine Umfrage des britischen Henley Management College bei 180 Führungskräften in Deutschland, Großbritannien, Dänemark und Schweden ergeben. In deutschen Unternehmen erhalten Mitarbeiter täglich schätzungsweise zwischen 50 und 100 Nachrichten.

Dem Impuls, auf eine E-Mail zu antworten, geben die meisten Bildschirmarbeiter sofort nach, so zitiert die St. Gallener Medien-Professorin Miriam Meckel in ihrem Buch "Das Glück der Unerreichbarkeit" die aktuelle Forschung. Allerdings: Schnell ist nicht gleich produktiv - und schon gar nicht gleich gut.

Eine hektisch versandte Anfrage hier, eine impulsive Reaktion auf ein Ärgernis dort: Die meisten unterschätzen die nonverbalen Signale, die sie unbemerkt mitversenden und die beim Empfänger dennoch ein bestimmtes Bild vom Verfasser entstehen lassen. Persönlichkeitsmerkmale werden stets "über das Geschriebene mittransportiert", betont Trainer Meier und verweist beispielsweise auf das latente Misstrauen, das dem Adressaten aus einer von ihm erwarteten "Lesebestätigung" entgegenschlägt.

Zum verdeckten Mittel, Entscheidungen auf Kollegen oder Vorgesetzte abzuwälzen, wird häufig die Bc- oder Cc-Funktion missbraucht; als ob Schweigen zu einem Beschluss automatisch Zustimmung bedeute. Schließlich verweisen vermeintliche Kleinigkeiten wie Rechtschreibfehler durchaus auf mangelnde Kompetenz eines Mitarbeiters.

Allzu vertrauliche Grußformeln oder ein "Smiley" hinterlassen beim Ansprechpartner nachhaltig schlechten Eindruck, wenn die Arbeitsbeziehung rein beruflich und formal ist. So erinnert Stil-Experte Adriano Sack daran, dass das schnelle Medium E-Mail kein Freibrief für Zwanglosigkeit oder zuweilen gar Unverschämtheit sei: Der Adressat liest "das geschriebene Dokument wie einen normalen Papierbrief."

Erst denken, dann senden, lautet daher die einfache, aber häufig missachtete Devise. "Du bist, wie du mailst" gilt im Job mittlerweile ebenso wie der Grundsatz "Du bist, wie du sprichst". Im Folgenden eine Übersicht über die häufigsten E-Mail-Typen - und was ihr Stil jeweils über den Verfasser sagt.

Cc... Kollegen; Chef / Betreff: Ihr Fehlverhalten

Typ: Outlook ist für ihn eine Art Kampfarena. Kommt es zur Auseinandersetzung, zerrt er arglose Mitarbeiter oder Autoritäten gerne per "Cc-Funktion" zur Verstärkung in den Zeugenstand. In der Heckenschützen-Variante funktioniert das natürlich auch (Bc).

Was der Stil verrät: Vorsicht, Wadenbeißer! Hier verschanzt sich einer hinter dem Sicherheitszaun E-Mail, verschafft seinem Ärger impulsiv Luft und markiert Territorium. Die peinliche Berührtheit des unfreiwilligen Publikums bemerkt der Kläffer leider nicht. Dieser Mangel an sozialem Gespür lässt ihn oft das persönliche Gespräch scheuen: Er weiß, dass er in der Aug-in-Aug-Debatte wenig souverän und schnell unterlegen ist.

"Der Absender hat von Ihnen eine Lesebestätigung angefordert."

Typ: Seine Mails treffen stets mit der Priorität "hoch" und der Lesebestätigungsfunktion ein. Gerne versendet dieser Kollege auch Einladungen zum Mittagessen in der Kantine per Outlook-Terminanfrage.

Was der Stil verrät: Kontrollfreak. Hier überwacht nicht nur jemand misstrauisch, wann Sie seine E-Mail lesen, sondern setzt Sie auch subtil unter Druck, sofort zu antworten. Obendrein macht er deutlich, wie effizient seine Arbeitsweise ist. Ist sie aber nicht: Wer so mailt, fühlt sich meist gestresst und beschäftigt sich mehr mit seiner elektronischen Post als dem eigentlichen Job.

"An: Alle - Wir sollten das dringend erledigen, s.u."

Typ: Wenn er schon etwas zu sagen hat, dann nur coram publico. Eingehende Post oder Eingebungen werden grundsätzlich über den großen Verteiler gejagt - an alle, Dringlichkeit: hoch. Was er selbst zur Lösung beiträgt, bleibt in der Verlautbarung jedoch meist unklar.

Was der Stil verrät: Achtung, Windmaschine! Hier schreibt jemand mit ausgeprägtem Aufmerksamkeitsdefizit. "Ich bin der Einzige, der in diesem Laden an alles denkt", will der Absender Beifall heischend ausdrücken, meint aber auch: "Erledigen sollen das die anderen." Das auffällig oft verwendete "Wir" ist das Lieblingspronomen dieses Weg-Deligierers. Dahinter kann er sich gut verstecken. Und falls keiner auf seine Rundmails reagiert - auch gut: Er hat seine Schuldigkeit getan und alle auf den Missstand hingewiesen. Eine Antwort mag er deshalb nicht: "Gute Idee. Kümmerst du dich bitte darum?!"

Betreff: meeting verschoben melde mich wg. termin, gru?

Typ: Fasse dich kurz! Dieser Typ nutzt für seine Botschaften ausschließlich die Betreffzeile. Hier ist schließlich genug Platz für wesentliche Informationen. Auf Groß- und Kleinschreibung verzichtet er dabei genauso wie auf Orthografie.

Was der Stil verrät: Form, Ästhetik, Höflichkeit? Zeitverschwendung, findet dieser Pragmatiker. Aufgaben will er so schnell wie möglich erledigen - auch weil ihm keine Arbeit im Kern lästig ist. Er kalkuliert stets rational. Das macht ihn zur Idealbesetzung fürs Operative, weniger fürs Originelle. Als Gesprächspartner für eine mußevolle Pause beim Italiener ist er ungeeignet.

"Ganz herzliche Grüße aus dem sonnigen München und ein wunderbares Wochenende!!!"

Typ: Immer schön freundlich -je mehr, desto besser. Also müssen Superlative her: Aus "Danke" wird "tausend Dank", die Grußformel "Mit freundlichen Grüßen" mutiert zur Profil-Prosa - Wochenendwünsche und Wetterbericht inklusive.

Was der Stil verrät: Hier will jemand etwas verkaufen. Motto: Bei einem so herzlich vertrauten Arbeitsverhältnis wird kein Empfänger einen Gefallen ausschlagen. Tatsächlich hat der gewiefte Schmeichler mit der alten Vertriebsmaschine Erfolg. Der gnadenlosen Freundlichkeit kann sich kaum einer entziehen. Nur eines bringt ihn aus dem Konzept: stoische Sachlichkeit.

Betreff: Re: Re: Re: Re: Re:…

Typ: Das letzte Wort habe ich! Bei diesem Kollegen endet die Konversation erst, wenn er das will. Und das kann dauern. Entsprechend füllt sich die Betreffzeile mit Replik-Hinweisen - weniger mit Inhalten.

Was der Stil verrät: Entweder ist dieser Typ a) bequemlich oder b) unfähig: Statt den Kern der Konversation zu erfassen, stottert er Idee um Idee zusammen oder holt sich die Informationen, die er braucht, stückchenweise. Auf die Idee, dass er anderen damit die Arbeitszeit stehlen könnte, kommt er indes nicht. Schließlich spielen die Kollegen das Pingpong-Spiel häufig viel zu geduldig und zu lange mit.

"fyi AS"

Typ: Wozu Anrede- oder Grußformel? Auf solch überflüssigen Schnickschnack verzichtet dieser Typ konsequent. Die Anmoderation seiner Mails lautet wahlweise: "z. K." (zur Kenntnis) oder "fyi" (for your information) Seinen Namen schreibt er ebenfalls nie aus, Kürzel genügt.

Was der Stil verrät: Dieser Kollege geht ganz in seiner Funktion auf. Warum im Büro persönlich werden? Hier geht es vor allem um die Sache! Die beherrscht er allerdings auch aus dem Effeff, was seine E-Mails unterstreichen sollen. Und wer die kryptischen E-Mails nicht entziffern kann, ist ohnehin von gestern.

":-) :-)) ;-) :-("

Typ: Seine Mails spickt er reichlich mit so genannten Emoticons - Grinsegesichtern aus Punkten, Strichen und Klammern. Manchmal bestehen seine Antworten aus nichts anderem als einem Smiley.

Was der Stil verrät: Hier legt einer Wert drauf, dass man ihn auch im schriftlichen Austausch richtig versteht: Bloß niemanden verärgern, bloß jeden Zwischenton sauber rüberbringen. Entweder ist dieser Typ als Diplomat bekannt und beliebt. Oder er kaschiert so nur sein mangelhaftes Ausdrucksvermögen, seine Unentschlossenheit und Harmoniesucht. Klagt er häufiger über Durchsetzungsprobleme im Job, ist das ein klares Indiz für die zweite Variante.

"[...]"

Typ: Die personifizierte Schreibblockade. Mit seinen Antworten lässt er sich meist tagelang Zeit - wenn er überhaupt reagiert.

Was der Stil verrät: Das Postfach des notorischen Spät- oder Gar-nicht-Antworters sieht genauso aus wie sein Schreibtisch: Stapel von Unerledigtem belasten sein Gewissen - ab und zu. Als Leistungsträger weiß er im Grunde, dass er sich sein Chaos leisten kann. Sein Erfolg sowie nachsichtige Kollegen geben ihm Recht. Zudem ist Technikmuffeligkeit eine Attitüde, die abhebt. Die Kehrseite: Nicht selten sind Mailverweigerer offene Menschen, die das persönliche Gespräch vorziehen. Warum also vergebens auf Antworten warten? Anklopfen reicht.

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