Immobilienmarkt In den USA lauern große Risiken

Die Ökonomen sagen: Es läuft alles besser als erwartet. Aber auf dem US-Immobilienmarkt lauern noch große Risiken.

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Es sind die Tage der Propheten. Diese Woche meldeten sich die OECD und die deutschen Forschungsinstitute mit ihrem Frühjahrsgutachten. Nächste Woche wird der Internationale Währungsfonds (IWF) in die Kristallkugel der Weltwirtschaft blicken. Die Botschaft heißt unisono: Es läuft besser als erwartet. Die meisten Ökonomen korrigieren ihre ohnehin optimistischen Wachstumsprognosen noch einmal leicht nach oben.

Ob Atomkatastrophe in Japan, Volksaufstände in der arabischen Welt oder die Schuldenkrise in Europa - die Wirtschaft beeindruckt das offenbar kaum. Und so schütteln auch die leicht zu verunsichernden Anleger ihre Zweifel ab. Die meisten Börsenindizes haben seit Jahresbeginn kräftig zugelegt.

Allerdings hat IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn bereits Wasser in den Wein geschüttet und vor "mehreren schwarzen Schwänen" gewarnt, die seiner Meinung nach immer noch im "weltwirtschaftlichen Teich" schwimmen. Die grazilen Vögel sind bekanntlich Unglücksboten für Katastrophen, mit denen niemand rechnet. In seiner Aufzählung nennt der Franzose dann allerdings Risiken, die bereits auf den Radarschirmen der meisten Ökonomen geortet wurden: globale Ungleichgewichte, riesige Kapitalströme in die Schwellenländer, hohe Rohstoffpreise. Auch Japan und Arabien werden erwähnt, aber schwarze Schwäne sehen anders aus.

Fragt man Ökonomen, welche Restrisiken ihre Prognosemodelle außer Acht lassen, zeigt ihr Finger auffällig oft nach Amerika. Auf den ersten Blick ist auch das keine Überraschung. Hatten wir doch die USA längst als Konjunkturlokomotive ausgemustert und ans Ende der jetzt vor allem von China gezogenen Wirtschaftskolonne gehängt. Hohe Arbeitslosigkeit, noch höhere Haushaltsdefizite, ungelöste Budgetstreitereien - als das macht Amerika zum Klotz am Bein der Weltwirtschaft.

Andererseits sagt die OECD den USA eine Wachstumsrate von gut drei Prozent voraus. Das ist für amerikanische Verhältnisse zwar nur Durchschnitt. Aber auch hier zeigt der Trend nach oben. Der schwarze Schwan der US-Konjunktur ist ein anderer: der US-Immobilienmarkt.

Dort nahm die große Finanz- und Wirtschaftskrise ihren Anfang, und hier befindet sich nach wie vor die Achillesferse der amerikanischen Wirtschaft. Ob Hausverkäufe, Hauspreise, Zwangsvollstreckungen oder Baugenehmigungen - nahezu alle Warnsignale blinken erneut. Der Yale-Ökonom Robert Shiller sieht den US-Immobilienmarkt bereits auf dem Wege zum "double dip" - also kurz vor einer erneuten Rezession. Die Preise sind unter das Niveau von 2009 gefallen. Rund 40 Prozent der Häuser müssen heute deshalb verkauft werden, weil die Eigentümer überschuldet sind oder ihre Hypothek nicht mehr bedienen können. Daran konnte auch nicht die Geldschwemme etwas ändern, mit der die US-Notenbank seit Monaten versucht, die langfristigen Zinsen niedrig und damit den Hausbesitz erschwinglich zu halten.

Zwar hat sich der Anteil des Bau- und Immobiliensektors am Bruttoinlandsprodukt der USA nach der Krise von sechs auf 2,3 Prozent verringert. Doch der Häusermarkt hat für die US-Wirtschaft eine weitaus größere Bedeutung, weil viele Amerikaner ihr Vermögen in ihr Heim gesteckt haben. Unter US-Ökonomen gilt deshalb die Faustregel, dass der Immobilienmarkt die Richtung für die gesamte Wirtschaft vorgibt. Anders gesagt: Wenn das amerikanische Haus nicht wieder in Ordnung kommt, kann auch der Rest der US-Wirtschaft nicht gesunden. Und das ist dann auch ein Problem für den Rest der Welt. Der nächste schwarze Schwan könnte also ein alter Bekannter sein.

Der Autor ist internationaler Korrespondent in Zürich.

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