AWD-Chef scheint derzeit eine Pechsträhne zu haben Maschmeyers skurriler 40-Millionen-Schlamassel

AWD-Chef Carsten Maschmeyer schien vor wenigen Wochen noch der König der Finanzberaterwelt zu sein: Doch dann klappte seine beinahe geschickt eingefädelte Übernahme von MLP nicht so wie gewünscht. Und nun hat er auch noch ein Gerichtsverfahren verloren, in dem es um viel Geld geht. Auch diesmal geht es um eine Übernahme.

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AWD-Chef Maschmeyer: Der Gründer und Zampano des Finanzvertriebs AWD ist seit August eigentlich ein Auslaufmodell. Quelle: dpa

FRANKFURT. AWD-Chef Carsten Maschmeyer kaufte im September den Finanzvertrieb GKM. Doch sein Aufsichtsrat stornierte den Vertrag. Nun glaubt der Verkäufer, dass Maschmeyer persönlich Eigentümer ist. Er hat ja bezahlt. Darüber streiten beide vor Gericht - mit dem ersten Punktsieg für GKM. Der AWD will GKM weiter kaufen. Doch die Verkäufer sagen: Da müssen die Hannoveraner mit ihrem Chef Maschmeyer verhandeln.

Freud und Leid liegen bei Carsten Maschmeyer dicht beieinander. Nicht zum ersten Mal treiben seine Aktionen anderen die Tränen in die Augen. Die missglückte Übernahme des Konkurrenten GKM ist solch ein Rührstück, eine jener Stories, wo man nicht weiß, ob man hinterher lachen oder weinen soll. Aber der Reihe nach.

Der Gründer und Zampano des Finanzvertriebs AWD ist seit August eigentlich ein Auslaufmodell. Er war vom neuen Eigentümer, der Versicherung Swiss Life, zum Co-Chef degradiert worden. Aus der von ihm geschickt eingefädelten Übernahme des Konkurrenten MLP ist nichts geworden. Swiss Life sitzt auf einem dicken Aktienpaket und kann nichts damit anfangen. Den erhofften schnellen Aufstieg zum Weltmarktführer unter den Finanzvertrieben konnte Maschmeyer damit erst einmal abhaken.

Doch seinen Tatendrang haben alle diese Niederlagen nicht gebremst. Obwohl nach wie vor Gerüchte über seinen Rückzug beim AWD kursieren, agiert "Maschi" wie in seinen besten Zeiten, als er noch Alleinherrscher im AWD war: Er jongliert mit Millionen, jagt durch die Republik und umgarnt alle jene, mit denen er ins Geschäft kommen will. Einer davon ist Reinhard Listl.

Listl hat den Finanzvertrieb GKM aufgebaut. Die GKM Gesellschaft für professionelles Kapitalmanagement AG wurde 1995 in Regensburg gegründet und verlegte 1999 ihre Zentrale nach Kelheim-Kapfelberg. Bundesweit gibt es rund 100 Büros und etwa 1500 haupt- und nebenberufliche Vertriebsleute.

Kein kleines Unternehmen also. Aber eines, das manche in der Branche als "einigermaßen üble Drückerkolonne" bezeichnen, weil es so stark mit nebenberuflichen Vertretern arbeitet. Maschmeyer indes habe darauf schon länger ein Auge darauf, erzählte Listl in einer Pressekonferenz, die in voller Länge in dem Internet-Videoportal Youtoube abrufbar ist. Schon im Februar sei er nach Leipzig gereist und habe bereits einen Scheck ausgestellt, um GKM zu kaufen. Doch sein Duzfreund Listl lehnte ab.

Anfang September startete Maschmeyer einen neuen Versuch. Er winkte an einem Samstag, dem 6. September, mit 50 Millionen Euro, die angeblich für eine Übernahme der GKM zur Verfügung ständen. Listl witterte die Chance seines Lebens und reiste am kommenden Mittwoch, dem 10. September, zu Maschmeyer nach Hannover - aber nicht in die Firmenzentrale.

Die beiden trafen sich im Privathaus des Ex-Patriarchen. Dort besiegelten sie einen Kaufvertrag "vorbehaltlich der Zustimmung des Aufsichtsrates der AWD-Gruppe", wie es hieß. "Einen Tag später überwies Maschmeyer der RL Holding GmbH von einem seiner Privatkonten den vereinbarten Kaufpreis", sagt Listl. Das waren 40 Millionen Euro, die von einem Privatkonto Maschmeyers an Listl geflossen seien. Konkurrenten beurteilen dies als einen "absurden Mondpreis".

Wichtig war: Das Geld musste rasend schnell hin- und herfließen, damit sich Maschmeyer noch am gleichen Tag, es war Donnerstag, der 11. September, den Strukturleitern der GKM AG vorstellen durfte. Die saßen alle auf einer Tagung in Bad Gögging zusammen.

Da große Gefühle bei Übernahmen von Finanzberatern wichtig sind, inszenierte Listl im Herzen von Bayern ein besonderes Schauspiel für das herbeigeeilte Nordlicht. In einem symbolischen Akt übergab seine Frau Katja dem Niedersachsen vor den GKM-Strukturleitern "das Lebenswerk ihres Mannes". Wie es seine Art ist, kehrte Maschmeyer selbst sogleich den großen Chef und Visionär heraus.

Er drückte auf die Tränendrüsen und zeigte seinen neuen Leuten eine 30 Seiten starke Präsentation über die Fusion von AWD und GKM unter dem Motto: "Gemeinsam Geschichte schreiben". Kein Witz, und damit das auch jeder glaubt, zeigte Listl die Unterlagen in seiner Videokonferenz vor. Da Maschmeyer kein Typ ist, der sich lange mit Kleinigkeiten aufhält, verhandelte er sogleich an Ort und Stelle mit den Strukturleitern der GKM "über ihre Zukunft, vor allem in finanzieller Hinsicht", berichtete Listl.

Das war am Donnerstag, als noch Friede, Freude und Feiern angesagt war. Die Zeit der härteren Bandagen begann schon einen Tag später: "Der AWD-Vorstand und der AWD-Aufsichtsrat sind ihm nach dem MLP-Deal zum zweiten Mal in den Rücken gefallen und haben den Kauf der GKM AG abgelehnt", beurteilte List diese Entwicklung. Zwei Tage später, also am Samstag, dem 13. September teilte Maschmeyers Rechtsbeistand aus Bonn dem Anwalt von Listl mit, dass sowohl die SwissLife als auch der Aufsichtsrat des AWD dem Kauf der GKM AG nicht zugestimmt hätten.

Der Kaufvertrag sei daher ungültig. Das entsprechende Fax trudelte um 20.01 Uhr in Regensburg ein. Sein eigener Aufsichtsrat, letztlich also der Eigentümer Swiss Life, war dem Co-Chef in den Rücken gefallen. "Offensichtlich lässt sich die Swiss Life nicht länger von Maschi auf der Nase herumtanzen und hat ihn nun erstmals öffentlich zurückgepfiffen", heißt es in der Branche dazu.

Listl nahm diese Absage jedoch locker, nicht nur, weil er ja schon das Geld hatte, sondern auch weil er auf eine Zusage Maschmeyers vertraute. Für diesen eigentlich unwahrscheinlichen Fall habe Maschmeyer versprochen, die GKM AG privat zu übernehmen, sagt Listl. Das hätten beide mehrmals vor Zeugen per Handschlag bekräftigt, und mehrfach hätten sie sich deswegen auch in den Armen gelegen. Nach dem Motto: "Wir sind Ehrenleute, wir vertrauen uns." Und von Maschmeyer seien pathetische Sätze vernommen worden, wie "beim Lichte meiner Kinder", erinnerte sich Listl.

Dass es Maschmeyer wirklich ernst gemeint hatte, belegt auch dies: Obwohl er den bereits bezahlten Kaufpreis schon zurückforderte und der Kaufvertrag schriftlich widerrufen worden war, schaffte es Maschmeyer nicht mehr, seine eigenen Leute zurückzupfeifen. So trafen sich hohe AWD-Manager noch am kommenden Sonntag, dem 14. September, mit den GKM-Strukturleitern in München.

Für Listl ist somit klar: "Nach Ansicht der RL Holding GmbH ist Carsten Maschmeyer, nachdem der Aufsichtsrat des AWD dem Kaufvertrag nicht zustimmte, Privateigentümer der GKM AG." Das bestreitet Maschmeyer allerdings.

Seine Sicht der Dinge legte Listl am 1. Oktober öffentlich dar, um den AWD in Zugzwang zu bringen. Er ließ sich dabei auch nicht durch Druck aus Hannover irritieren. Vor seiner Pressekonferenz bekam sein Anwalt einen Anruf des AWD-Pressesprechers Béla Anda: Dieser habe wörtlich gesagt: "Wenn Herr Listl die Pressekonferenz um 15 Uhr nicht absagt, wird der AWD schwere Geschütze auffahren." In der Pressemitteilung der RL Holding heißt es dazu: "Reinhard Listl sieht auch diesen ,Drohungen‘ gelassen entgegen."

Das kann er nun um so mehr, weil ein erster Termin vor Gericht am Dienstag nachmittag zu seinen Gunsten ausgegangen ist. Ein Gericht in Regensburg lehnte es in einem Eilverfahren ab, die gezahlten Millionen von Maschmeyer bei dem Verkäufer einfrieren zu lassen. Maschmeyer bezahlt schätzungsweise 200000 Euro an Prozesskosten dafür. Nun muss im Hauptverfahren geklärt werden, wer eigentlich Eigentümer von GKM ist.

Vielleicht regelt der AWD die Angelegenheit aber auch geräuschloser. Ein Rückkaufangebot von Listl ließ Maschmeyer zwar verstreichen. Gestern hieß es in Hannover jedoch verheißungsvoll: "GKM ist ein für AWD attraktives Unternehmen, zumal es sehr stark im Südosten präsent ist - einer Region, in der AWD unterproportional vertreten ist".

Es sei zwar ein Betrag an die RL Holding "auf eine Art Sonderkonto" überwiesen worden. Doch schon länger vorhandene Vorbehalte des AWD seien nicht ausgeräumt worden. Dazu zählt wohl, dass Maschmeyer darauf verzichtete, vor einem Kauf in die Bücher von GKM zu schauen. Das hätten beide Seiten für unnötig gehalten, weil Maschmeyer ja ein ausgewiesener Branchenkenner sei, berichtete Listl.

Aus Hannover kommen nun extrem freundliche Signale: "Der Vorstand der AWD Holding hält GKM grundsätzlich weiterhin für einen interessanten Partner", heißt es. Der AWD-Vorstand habe daher am Dienstag, den 7. Oktober, einstimmig beschlossen, die Übernahme von GKM aktiv voranzutreiben. Begrüßenswert seien dabei die Signale der RL Holding, zu einem branchenüblichen Verfahren bei der Unternehmensveräußerung zurückzukehren. Denn eines sei unstrittig: "Dass der Verkäufer sowohl den Kaufgegenstand, als auch den Kaufpreis behalten kann, ist mit dem Deutschen Rechtssystem nicht vereinbar."

Das sieht Reinhard Listl wohl auch so, doch reden mit dem AWD mag er nicht mehr. Den AWD-Vorständen Nils Frowein und Manfred Behrens hat er in der GKM-Zentrale inzwischen Hausverbot erteilt. "Strafbare Handlungen werden wir ahnden", erklärte er. "Da man ein Unternehmen nur ein Mal verkaufen kann, kann ich gar nicht mehr mit dem AWD verhandeln.

Der AWD muss jetzt mit Herrn Maschmeyer verhandeln, der laut Vertrag Privateigentümer der GKM AG ist." Schließlich habe er den vereinbarten Kaufpreis bezahlt. Zwar bestreite Maschmeyer an Eidesstatt, er habe die GKM privat gekauft, könne aber andererseits dem Gericht nicht erklären, weshalb er 40 Mio. Euro überwiesen hat. Die RL Holding GmbH habe einen Vertrag und auch das Geld.

Listl wirft Maschmeyer vor, dass er Abwerbegespräche mit den neun größten Strukturleitern der GKM führt, die er am 11. September kennengelernt hat. "An diesen Gesprächen dürften auch AWD-Vorstand Herr Frowein und AWD-Aufsichtsratsmitglied Herr Behrens beteiligt sein", glaubt Listl. "In einem Gespräch mit mir haben sich die genannten neun GKM-Geschäftspartner von den für sie fast kriminellen Machenschaften der AWD-Führung distanziert und mich gebeten, mit dem Münchhausen-Konzern AWD nicht mehr zu sprechen."

Wegen der ungeklärten Eigentumsverhältnisse der GKM AG wird Listl nun "in bewährter Art und Weise" das Unternehmen erst mal weiter führen. So beschloss es sein Aufsichtsrat. Und was sagt Maschmeyer zu alldem? Der ist schwer erreichbar. Er reist gerade mit dem Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Christian Wulff, durch China.

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