Bundesregierung senkt Wachstumsprognose Angst vor dem Abschwung

Die weltweite Finanzkrise könnte stärker und länger auf die deutsche Wirtschaft durchschlagen als bislang angenommen: Einem Medienbericht zufolge hat die deutsche Regierung ihre Wachstumprognose für 2009 bereits deutlich gesenkt und auch aus den Reihen von EZB und "Wirtschaftsweisen" mehren sich die Warnungen vor einem Wachstumseinbruch. Nur einer hält dagegen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Am Samstag mehrten sich die Stimmen, die einen Abschwung der deutschen Wirtschaft fürchten. Quelle: handelsblatt.com

HB BERLIN. Die Bundesregierung wird einem Magazinbericht zufolge ihre Wachstumsprognose für 2009 deutlich senken. Statt 1,2 Prozent rechneten die Experten von Wirtschaftsminister Michael Glos nur noch mit einem Wert um 0,5 Prozent, berichtete "Der Spiegel" am Samstag vorab. Ein Sprecher des Ministeriums wollte sich nicht zu dem Bericht äußern. Auch aus der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Sachverständigenrat der Bundesregierung kamen zunehmend skeptische Stimmen zur Konjunktur 2009.

EZB-Ratsmitglied Jürgen Stark geht dabei von längeren Bremsspuren aus: "Je nachdem, in welchem Umfang diese Schockwellen aus den USA uns erreichen, werden wir über eine längere Zeit ein schwächeres Wirtschaftswachstum in Deutschland sehen", sagte er der "Welt am Sonntag" in einem vorab veröffentlichten Interview. Die Zahlen des dritten Quartals würden wohl "sehr schwach" ausfallen. Das Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung, Peter Bofinger, zeigte sich ebenfalls skeptisch: "Ich halte im nächsten Jahr eine Stagnation für möglich", sagte er. Der Verband des Deutschen Maschinenbaus (VDMA) stellte seine bisherige Prognose in Frage: "Für 2009 sind die Fragezeichen angesichts der Auftragsentwicklung vor allen in den USA größer geworden", sagte Verbandschef Manfred Wittenstein der Zeitung "Euro am Sonntag". Bislang erwartete der Verband ein Plus von etwas unter fünf Prozent, die 2008 erreicht werden sollen.

Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Jürgen Thumann, fürchtet ferner, dass der Höhepunkt der Finanzkrise noch nicht erreicht sei. Abschreibungen und Verluste könnten noch die Summe von einer Billion US-Dollar erreichen, sagte er der "Rheinpfalz am Sonntag". Derzeit stellten die Kreditinstitute den Unternehmen noch genügend Kredite zu günstigen Konditionen bereit. Ob dies so bleibe, sei abzuwarten.

Die deutsche Wirtschaft sieht er dennoch weiterhin auf Wachstumskurs. "Die Lage ist weit besser, als sie von vielen "Möchtegern-Experten" beurteilt wird. Ich halte weiterhin ein Wachstum von bis zu zwei Prozent in diesem Jahr für möglich", sagte er der "Bild am Sonntag". "Deutschland ist stark, ist immer noch das Land mit der größten Industrie-Produktion." Zum Schutz vor den Folgen Finanzkrise forderte Thumann "eine Rückbesinnung auf unsere Traditionen und Werte, um unser System der sozialen Marktwirtschaft zu verteidigen". Den Unternehmen müsse es gutgehen und auch den Beschäftigten.

Thumann schloss sich der Forderung von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach besseren Kontrollen für die Finanzmärkte an: "Für die Finanzmärkte brauchen wir mehr Transparenz und effektivere Kontrollen." Wenn Finanzinvestoren Unternehmen nur deshalb kauften, um sie nach kurzer Zeit mit Gewinn weiterzuverkaufen, sei das nicht gut für die Firmenkultur.

Scharfe Kritik übte Thumann an den Auswüchsen der internationalen Finanzbranche: "Ich kritisiere die Gier. Wenn die 20 führenden Spitzenverdiener der amerikanischen Finanzbranche im Jahr, wie ich höre, durchschnittlich über 500 Mill. Dollar kassieren, stimmen die Verhältnisse nicht mehr. So bekam allein der Spitzenverdiener 2006 die unvorstellbare Summe von mehr als 1,5 Mrd. Dollar pro Jahr."

Auch EZB-Ratsmitglied Stark dämpfte zugleich Sorgen vor einer weltweiten Wirtschaftskrise infolge der Bankenzusammenbrüche in den USA. "Ich sehe kein Potenzial für eine globale Rezession", sagte er. "Das liegt auch daran, dass die USA wirtschaftlich heute längst nicht mehr so bedeutsam sind wie früher. Und viele Schwellenländer haben sich als neue Wachstumsmotoren etabliert."

Die Entscheidungsträger in der Politik warnte Stark vor einem zu strengen Sparkurs. Zwar seien Konjunkturprogramme der falsche Weg und führten nur zu einer dauerhaft höheren Staatsverschuldung, sagte er. Der Staat solle aber auch nicht versuchen, niedrigere Einnahmen durch Ausgabenkürzungen aufzufangen. Die Bundesregierung hatte allerdings erst vergangenen Woche ihr Ziel eines ausgeglichenen Haushalts 2011 bekräftigt.

Angesichts der weiterhin hohen Inflation sei eine Zinssenkung der Europäischen Zentralbank unrealistisch, sagte Stark weiter. "Die Zentralbank kann nicht zur Lösung der Probleme beitragen, indem sie die Zinsen senkt", betonte er. "Die Inflationsrate im Euro-Raum liegt nach wie vor bei 3,8 Prozent, weltweit ist immer noch viel zu viel Geld im Umlauf, und die Kreditvergabe von Banken an die Unternehmen wächst nach wie vor robust.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%