Harvard-Ökonom Rogoff „Große Geldscheine abschaffen“

Im Handelsblatt-Interview spricht sich Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff für ein Ende großer Geldscheine aus. Auch andere Experten halten nichts von Cash - es befeuere die Schattenwirtschaft. Doch das EU-Recht steht dagegen.

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Geldscheine Quelle: dpa

Über die Abschaffung des Bargelds diskutieren am Montag in London Ökonomen und Vertreter von Notenbanken und Banken auf einer von der Schweizer Notenbank mitveranstalteten Tagung. Einer der Teilnehmer, der Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff, fordert im Handelsblatt-Interview (Montagsausgabe), Bargeld mittelfristig abzuschaffen. „Ein sehr großer Anteil der negativen Begleiterscheinung der Bargeldnutzung hängt mit den großen und vor allem den sehr großen Scheinen zusammen“, so Rogoff. „Wenn man aufhört, diese auszugeben, dann hat man schon sehr viel erreicht.“ Später sollte Papiergeld völlig abgeschafft werden.

Auch der Wirtschaftsweise Peter Bofinger hält eine Abschaffung des Bargelds für sinnvoll. „Bei den heutigen technischen Möglichkeiten sind Münzen und Geldscheine tatsächlich ein Anachronismus“, sagte der Wirtschaftswissenschaftler dem „Spiegel“. Bargeld erschwere den Zahlungsverkehr „ungemein“. Als Beispiel nannte Bofinger die verlorene Zeit, „wenn Leute vor Ihnen an der Ladenkasse nach Kleingeld suchen und die Kassiererin nach Wechselgeld“.

Zur Person

Wichtiger sei aber noch, dass eine Abschaffung des Bargelds „die Märkte für Schwarzarbeit und Drogen“ austrocknen würde, sagte Bofinger. Fast ein Drittel des Euro-Bargelds seien 500-Euro-Scheine - „fürs Einkaufen braucht die niemand, damit wickeln lichtscheue Gestalten ihre Geschäfte ab“.

Die in Europa um sich greifenden Barzahlungsverbote und die Verweigerung der Annahme von Bargeld durch staatliche Stellen seien mit EU-Recht und deutschem Recht nicht vereinbar, so der Frankfurter Professor für Geld-, Währungs- und Notenbankrecht, Helmut Siekmann, zum Handelsblatt (Montagsausgabe). Siekmann ist Herausgeber eines juristischen Standardwerks zur Europäischen Währungsunion.

Die Begrenzung des Rechts auf Barabwicklung auf Beträge von unter 1000 Euro wie in Frankreich geplant und in Italien bereits Gesetz, oder auf unter 500 Euro wie in Griechenland, sei Siekmann zufolge nicht mit Artikel 128 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU vereinbar, der Euro-Banknoten zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt. Die Europäische Zentralbank erkennt dagegen keinen Gegensatz zum EU-Recht und beruft sich dabei auf Anfrage des Handelsblatts auf eine Verordnung, die die Begrenzung des Münzannahmepflicht auf 50 Münzen vorsieht.

Ebenfalls in Widerspruch zum EU-Recht und zum Bundesbankgesetz stehe Siekmann zufolge die Praxis deutscher Finanzämter, kein Bargeld zur Zahlung von Steuerschulden anzunehmen. „Der Annahmezwang für hoheitliche Stellen ist konstituierendes Merkmal eines gesetzlichen Zahlungsmittels“, so Siekmann.

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