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Im Fokus: Frankreich: Ein Update

Im Wochenbarometer vom 30. März und vom 6. April haben wir über die Wahlen in Frankreich (erster Wahlgang: am kommenden Sonntag, 23. April) geschrieben und eigentlich sollte das Thema damit beendet gewesen sein. Aber seit Anfang des Monats hat sich in den Umfragen eine deutliche Verschiebung ergeben, die bereits an den Märkten ihre Spuren hinterlassen hat.

Wie die Grafik für die Umfrageergebnisse im ersten Wahlgang zeigt, hat der Kandidat des linksradikalen Wahlbündnisses „La France Insoumise“ („nicht unterworfenes“ oder „aufsässiges“ Frankreich) Jean-Luc Mélenchon den Rückstand gegenüber den anderen Kandidaten deutlich verringert. Bis vor einigen Wochen war man davon ausgegangen, dass eigentlich nur die Kandidaten, die in den Umfragen die Plätze 1 bis 3 belegen (der linksliberale Emmanuel Macron, die Rechtspopulistin Marine Le Pen und der konservative François Fillon) eine Chance haben, es in den zweiten Wahlgang zu schaffen. Die Idee war: Zieht Marine Le Pen in den zweiten Wahlgang ein, wird sie gegen einen der gemäßigteren Kandidaten Fillon oder Macron eine deutliche Wahlniederlage erleiden. Mit Mélenchons Aufholjagd aber ist das Feld deutlich dichter zusammengerückt. Denn in den neuesten Umfragen liegen zwischen dem Erstplatzierten Macron (23,3 %) und dem viertplatzierten Mélenchon (19 %) nur noch gut vier Prozentpunkte.

Was wäre wenn?
Mélenchon hat – sollte er sich für den zweiten Wahlgang qualifizieren – gegen Fillon und Le Pen gute Chancen auf die Präsidentschaft. Marine Le Pen hat nach gegenwärtigen Umfragen gegen keinen der Kandidaten eine Chance. Aber was wäre wenn? Die Programme von Mélenchon und Le Pen sind für das Überleben der EU und des Euro in etwa gleich gefährlich. Marine Le Pen will ein Referendum über den Austritt aus der Eurozone und der EU anstreben. Mélenchon würde als Präsident eine vollständige Monetarisierung der französischen Staatsschulden durch die EZB anstreben und – sollte er mit dieser Idee scheitern – wäre der Austritt aus der Eurozone der „Plan B“. Sowohl Marine Le Pen als auch Jean-Luc Mélenchon versprechen alle möglichen sozialen Wohltaten, die die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Wirtschaft deutlich beeinträchtigen würden. Ähnlich wie Donald Trump in den USA wollen beide mit protektionistischen Maßnahmen gegensteuern. Das Ergebnis dürfte langfristig eine deutliche Verschlechterung der Wachstumsaussichten sein. Daher halten wir für den Fall, dass nach dem ersten Wahlgang einer der beiden Kandidaten eine gute Chance auf die Präsidentschaft hat, Marktreaktionen für wahrscheinlich, die eine solche Politik einpreisen. Konkret bedeutet das eine drastische Korrektur der Bewertung an den französischen – und etwas weniger stark an den europäischen – Aktienmärkten, einen Absturz bei französischen Anleihekursen und ein allgemeines Einsetzen von Kapitalflucht, was das französische und das europäische Finanzsystem gefährden würde. Die Renditen auf sichere Anleihen wie zehnjährige Bundesanleihen dürften noch einmal deutlich nachgeben und der Euro eine drastische Abwertung erfahren. Yen und Schweizer Franken dürften aufwerten und der Goldpreis deutlich ansteigen. Gefährlich wird es vor allem, wenn – wie die Umfragen für den zweiten Wahlgang zeigen – der erste Wahlgang eines der Duelle Le Pen/Mélenchon oder Fillon/Mélenchon als Ergebnis bringt.

Macron weiterhin Favorit
Zieht man die Lehren aus dem Brexit-Votum und der US-Wahl, muss man mit Umfragen sehr vorsichtig sein. Mit Mélenchons Aufstieg in den Umfragen ist die Wahrscheinlichkeit für ein erdbebenartiges Event – ein Wahlsieg Le Pens oder Mélenchons – angestiegen. Ein Sieg Emmanuel Macrons ist aber weiterhin das wahrscheinlichste Ereignis. Macron führt im ersten Wahlgang in den letzten 8 von 11 Umfragen, damit ist seine Absicherungsmarge gegen ein weiteres Aufholen Mélenchons oder Fillons am größten.


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