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Konjunktur und Zinsen monthly: Eurozone

Die politischen Risiken in diesem Superwahljahr scheinen abzunehmen. In den Niederlanden hat die europafeindliche Partei von Geert Wilders deutlich weniger Stimmen erhalten als befürchtet. Die Umfragen in Frankreich, wo im April und Mai die Staatsspitze neu gewählt wird, deuten auf einen Sieg eines europafreundlichen Kandidaten hin. Gleichzeitig darf man hoffen, dass die US-Administration weniger protektionistisch agiert, als sich aus den Äußerungen Trumps ableiten lässt. Erfreulich sehen die Konjunkturdaten aus. Die Unternehmen stellen wieder mehr Menschen ein und schauen mit einer überraschenden Zuversicht in die Zukunft. Entsprechend haben wir unsere Wachstumsprognose nach oben angepasst: Das Wirtschaftswachstum in der Eurozone sollte im laufenden Jahr 1,6 % betragen (bisher: 1,3 %). An der Inflationsfront hat sich auch etwas getan. Zwar wird man die Teuerungsrate von 2 %, die im Februar erreicht wurde, nicht bis zum Jahresende halten können. Aber mit einem voraussichtlichen Preisanstieg von 1,3 % im Dezember 2017 kann man durchaus von einer kräftig gesunkenen Deflationsgefahr sprechen. Vor diesem Hintergrund hat auch die EZB verbal etwas abgerüstet. Für eine umfassende Entwarnung ist es dennoch zu früh. Risiken gibt es weiterhin genug und dazu zählen sowohl politische als auch konjunkturelle Gefahren.

Die Outputlücke schließt sich

Ungeachtet der politischen Unsicherheiten bleibt die Wirtschaft der Eurozone auf Wachstumskurs. Mittlerweile ist das BIP der Währungsunion seit dem zweiten Quartal 2013 durchgehend expandiert. Im vierten Quartal 2016 wurde eine Wachstumsrate von 0,4 % (QoQ) verzeichnet. Der Aufschwung ist breit angelegt: Außer Griechenland wies jede Volkswirtschaft der Eurozone im Jahr 2016 ein positives Wachstum auf, angeführt von Irland (über 6 %) und vom fünftplatzierten Spanien (3,2 %). Allerdings stehen die beiden großen Volkswirtschaften Frankreich und Italien auf den hintersten Plätzen (beide bei etwa 1 %).

Getragen wurde das Wachstum vor allem vom privaten Konsum, aber auch von der Investitionstätigkeit. Ein wichtiger Beitrag kam von den Staatsausgaben, während der Außenbeitrag zurückgegangen ist und damit – rein technisch – einen negativen Wachstumsbeitrag lieferte. Der Blick auf die Sektoren unterstreicht die Solidität der Erholung. Nur in der Landwirtschaft ging die Wertschöpfung im vergangenen Jahr zurück. Unter den anderen einzelnen Wirtschaftssektoren stechen wachstumstechnisch Information und Kommunikation sowie Handel, Transport und  Beherbergung hervor. Auch der Bausektor expandierte überdurchschnittlich. Die weiteren Aussichten sind gut. Der PMI-Index für das Verarbeitende Gewerbe ist in der Eurozone in den letzten sechs Monaten Getragen wurde das Wachstum vor allem vom privaten Konsum, aber auch von der Investitionstätigkeit. Ein wichtiger Beitrag kam von

den Staatsausgaben, während der Außenbeitrag zurückgegangen ist und damit – rein technisch – einen negativen Wachstumsbeitrag lieferte. Der Blick auf die Sektoren unterstreicht die Solidität der Erholung. Nur in der Landwirtschaft ging die Wertschöpfung im vergangenen Jahr zurück. Unter den anderen einzelnen Wirtschaftssektoren stechen wachstumstechnisch Information und Kommunikation sowie Handel, Transport und  Beherbergung hervor. Auch der Bausektor expandierte überdurchschnittlich. Die weiteren Aussichten sind gut. Der PMI-Index für das Verarbeitende Gewerbe ist in der Eurozone in den letzten sechs Monaten durchgehend gestiegen, was auf eine Beschleunigung  der Aktivitäten in diesem Sektor hindeutet. Der Index lag im Februar bei robusten 55,4 Punkten. Die Erholung im Verarbeitenden Gewerbe scheint dabei breit abgestützt zu sein, da sich diese Entwicklung in den vier größten Volkswirtschaften der Eurozone im Großen und Ganzen in ähnlicher Weise beobachten lässt. Frankreich hängt ein wenig hinterher, zeigt aber ebenfalls ein positives Wachstum an. Der PMI-Index für den Dienstleistungssektor deutet auf eine Beschleunigung der Aktivität hin. Hier sticht Frankreich positiv mit einem Indexstand von 56,4 hervor.

Für das Gesamtjahr rechnen wir nunmehr mit einer Wachstumsrate von 1,6 % (bisher: 1,3 %). Damit sollte sich die Outputlücke (Differenz zwischen dem potenziellen BIP und dem tatsächlichen BIP) etwas rascher schließen und die Inflation leicht höher ausfallen als bislang angenommen. Zwar wird die Inflation, die im Februar 2,0 % erreichte, dieses Niveau nicht halten können, da der Basiseffekt beim Ölpreis im Laufe des Jahres ausläuft. Mit einer voraussichtlichen  Teuerungsrate von 1,3 % im Dezember 2017 ist das Deflationsrisiko aber erheblich geringer als noch vor einigen Monaten. Für die Europäische Zentralbank (EZB) ergibt sich dadurch Handlungsspielraum.

Target-Salden erreichen neue Rekordstände – Eurokrise 2.0?

Als im Jahr 2012 die Target-Salden mehr als 700 Mrd. Euro erreichten, wurde dies als eindeutiges Krisenzeichen gewertet. In der Tat hatte sich damals bis Anfang Juli die Eurokrise zugespitzt, was auch an dem rapiden Anstieg der Risikoprämien für Peripherieanleihen festgemacht werden konnte. Derzeit übersteigen die Target2-Salden sogar die 800 Mrd. Euro-Grenze, aber von einer Eurokrise spricht niemand. Was ist da los?

Zur Einordnung: Target2 ist das Zahlungssystem, das für den Zahlungsverkehr mit Euroländern verwendet wird. Bei praktisch jeder Überweisung werden zwei Zentralbankkonten bewegt: Das Zentralbankkonto der Bank des Kunden, der die Zahlung leistet und das Zentralbankkonto der Bank des Kunden, der die Zahlung empfängt. Wenn also etwa italienische Kunden ihr Geld bei italienischen Banken auf ihre Konten bei deutschen Banken überweisen, sinken die Guthaben der italienischen Banken bei der italienischen Zentralbank, während die Guthaben der deutschen Banken bei der Bundesbank im gleichen Ausmaß steigen. Vor 2007 wurden diese Guthabenveränderungen durch Transaktionen am Geldmarkt ausgeglichen: Die italienische Bank hat den Abfluss von Zentralbankgeld durch eine Kreditaufnahme etwa bei einer deutschen Bank ausgeglichen, deren Zentralbankguthaben im gleichen Ausmaß gesunken ist. Seit dem Zusammenbruch der Geldmärkte in 2007 und 2008 ist dies nicht oder nur noch eingeschränkt möglich. Stattdessen leihen sich die italienischen Banken das Zentralbankgeld von der italienischen Zentralbank. Die beschriebene Kapitalflucht aus Italien bedeutet, dass sich bei der deutschen Bundesbank Forderungen gegenüber der italienischen Zentralbank aufbauen. Umgekehrt bauen sich bei der italienischen Zentralbank Verbindlichkeiten gegenüber der Deutschen Bundesbank auf. Man spricht von Target-Forderungen bzw. Target-Verbindlichkeiten. Immer wenn grenzüberschreitende Zentralbankzahlungen geschehen, verändern sich die Target-Salden.

Warum aber steigen jetzt die Target-Forderungen noch weiter, wo sich die Eurokrise doch merklich beruhigt hat und man keinen Anstieg der Kapitalflucht feststellen kann? Das liegt an der QE-Politik. Die Anleiheankäufe des Eurosystems werden von nationalen Zentralbanken ausgeführt. In 80 % der Fälle ist die Bank, von der die Anleihen gekauft werden, jedoch nicht im eigenen Land angesiedelt, sondern in einem anderen Euroland oder außerhalb der Eurozone. Damit kommt es bei diesen Ankäufen fast immer zu grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr, der wiederum die Target-Salden ändert. Wenn beispielsweise die italienische Zentralbank von einer deutschen Bank eine italienische Anleihe kauft, steigt das Zentralbankguthaben dieser deutschen Bank bei der Bundesbank. Dies ist gleichzeitig eine Target-Forderung gegenüber der italienischen Zentralbank. In diesem Fall hat keine Kapitalflucht stattgefunden, sondern ein Zentralbankgeldtransfer von Italien nach Deutschland, ausgelöst durch die italienische Zentralbank.

Geldpolitik und Zinsen: Einstieg in den Ausstieg?

Vor dem Hintergrund der positiven Konjunkturentwicklung, der höheren Inflationsraten sowie abnehmender politischer Risiken (siehe Kasten auf nächster Seite) ist in den vergangenen Wochen der Druck auf die EZB gestiegen, früher als „versprochen“ aus dem Staatsanleiheankaufprogramm auszusteigen. Zur Erinnerung: Im Dezember 2016 hatte Mario Draghi angekündigt, das monatliche Ankaufvolumen von 80 Mrd. Euro ab April 2017 auf 60 Mrd. Euro zu senken und das Programm insgesamt bis mindestens Ende 2017 laufen zu lassen. Bei der geldpolitischen Sitzung am 9. März hat Draghi klar gemacht, dass er Kurs halten will. Allerdings signalisierte er gleichzeitig eine gewisse Wende in der geldpolitischen Ausrichtung. So verwies Draghi darauf, dass die TLTRO- Programme (langfristige Refinanzierungsinstrumente) auslaufen, man aber nicht über eine Verlängerung diskutiert habe. Außerdem hat man in dem Statement den Satz „…um dieses Ziel zu erreichen, wird der EZB-Rat alle zur Verfügung stehenden Instrumente … nutzen“ gestrichen, womit deutlich gemacht wird, dass die Lage als deutlich weniger kritisch gesehen wird als bisher. Man habe außerdem überlegt, in der so genannte forward guidance die dort genannte Möglichkeit „die Zinsen zu senken“ zu streichen, darauf dann aber doch verzichtet.

Was folgt daraus? Das Anleiheankaufprogramm wird sehr wahrscheinlich nicht über das Ende 2017 hinaus verlängert. Vielmehr rechnen wir damit, dass die Rückführung der Ankäufe im Januar 2018 in 10 Mrd. Euro-Schritten beginnt und im Juni 2018 die letzten Ankäufe stattfinden. In der zweiten Jahreshälfte 2018 könnte es dann zu einer Anhebung des Einlagenzinses (derzeit bei -0,4 %) kommen, möglicherweise würde auch der Leitzins am Ende des kommenden Jahres wieder die Nulllinie verlassen.

Bund-Renditen weiterhin auf Rezessionsniveau

Die langfristigen Bund-Renditen sind mit derzeit 0,48 % immer noch auf Rezessionsniveau. Vor wenigen Wochen sanken die Renditen sogar auf unter 0,3 %, obwohl die Aktienmärkte eine gute Stimmung signalisierten und die Daten von der Konjunktur- und Inflationsfront eigentlich für steigende Renditen sprachen (und sprechen). Eine Erklärung ist am ehesten bei der EZB zu suchen: Durch das Anleiheankaufprogramm verknappt sich Monat für Monat das Angebot an Bunds, zumal Deutschland keine neuen Schulden mehr begibt, sondern im Gegenteil sogar Tilgungen vornimmt. Bei zweijährigen Staatsanleihen ist die Knappheit besonders groß, weil diese Titel häufig als Sicherheit bei Kapitalmarktgeschäften eingesetzt werden und sich daher einer ohnehin hohen Nachfrage erfreuen. Entsprechend lag die Rendite in den vergangenen Wochen zeitweise unter 0,9 %.

Solange die EZB an den Anleihemärkten aktiv ist, ist ein Ausbruch der Renditen nach oben nur schwer vorstellbar. Viele Beobachter weisen darauf hin, dass die Zinsdifferenz zwischen den USA und der Eurozone bereits auf einem historisch hohem Niveau ist. Im Zehnjahresbereich sind dies derzeit 2,15 Prozentpunkte. Kann es von dort aus noch weiter nach oben gehen? Vermutlich ja, da auch die Geldpolitik in der Eurozone einen historisch einmaligen Lockerungsgrad erreicht hat, während die US-Notenbank dabei ist, ihre Geldpolitik zu straffen. Mit einer Zinsdifferenz von 2,50 Prozentpunkten wäre aber sicherlich das Ende der Fahnenstange erreicht.

Wir gehen davon aus, dass die langfristigen Bund-Renditen allmählich steigen werden und die zehnjährigen Titel bis zum Jahresende bei 0,6 % rentieren.


Hier können Sie unserere monatlich erscheinenden "Rententrends" mit aktuellen News zu den Kapitalmärkten und weitere Research-Publikationen herunterladen.
 
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