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Meinung weekly: Chinas hohes Wachstum - weniger ist mehr

von Dr. Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der HSH Nordbank 

 

Jahrelang war eine Wachstumsverlangsamung in China zu beobachten. Im ersten Halbjahr 2017 hat das Expansionstempo jedoch zugelegt. Das ist nicht gut. Denn die eigentlichen Schwierigkeiten des Landes bleiben ungelöst und ein höheres Wachstum signalisiert eher eine Verschärfung der strukturellen Probleme, die sich in einer sinkenden Produktivität zeigen. 

Konkret ist das BIP Chinas im ersten Halbjahr um 6,9 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen und hat das Wachstum des Vorjahres von 6,6 % übertroffen. Kurzfristig ist diese höhere Aktivität sicherlich eine gute Nachricht. Denn damit ist mehr Importnachfrage und mehr Welthandel verbunden, so dass das Land der Mitte einen wichtigen Beitrag zur konjunkturellen Erholung anderer Schwellenländer sowie der Industrieländer leistet.

Ein großes Fragezeichen ergibt sich jedoch in Bezug auf die Nachhaltigkeit dieser Entwicklung. Die Stichworte sind hier der überdurchschnittliche Verschuldungsgrad, die aufgebauten Überkapazitäten u.a. in der Schwerindustrie, ein stark erhitzter Immobilienmarkt sowie der gesundheitsgefährdende Grad an Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden. Angesichts der im ersten Halbjahr wieder beschleunigten Investitionstätigkeit und eines privaten Konsums, der im Vergleich zu den letzten fünf Jahren unterdurchschnittlich wächst, deutet das darauf hin, dass sich die Regierung und die schwer kontrollierbaren Lokalregierungen nur schwer von dem alten Wachstumsmodell lösen können, das vor allem auf schuldenfinanzierte Investitions- und Bautätigkeit beruhte.

Die hohe Verschuldung – der Unternehmenssektor hat mit 164 % des BIP die höchste Verschuldungsquote unter den Schwellenländern, deren Quote im Durchschnitt (ohne China) bei rund 60 % liegt – bereitet nicht zuletzt Ratingagenturen Kopfschmerzen. Die Agentur Moody’s hat gerade im Mai China heruntergestuft. Die Regierung ist sich der Probleme bewusst. Präsident Xi Jinping  hat am vergangenen Wochenende bei der Nationalen Finanzmarktkonferenz  eine stärkere Regulierung des Finanzsektors angekündigt.

Weltwirtschaftlich geht darüber hinaus die Sorge um, dass sich am chinesischen Immobiliensektor eine Preisblase aufgebaut hat, deren Platzen mit einem kräftigen Rückgang der Bauaktivität einhergehen und einen schweren Schlag für das BIP-Wachstum bedeuten würde. Immerhin sind die Preise in Städten wie Peking und Schanghai seit H2 2015 mit zweistelligen Raten gestiegen, zeitweise um über 30 %. Die Tatsache, dass sich der Preisauftrieb und die Verkaufsaktivität zuletzt etwas verlangsamt hat, ist leider keine Garantie für eine weiche Landung des chinesischen Immobilienmarktes.

Die Umweltverschmutzung ist ein Thema, das vermutlich nicht mit einem lauten Knall in das Bewusstsein der China-Beobachter rückt, sondern vielmehr schleichend das Wachstumspotenzial des Landes der Mitte untergräbt – gesunde Menschen sind die Grundvoraussetzung für eine prosperierende Volkswirtschaft.

Anzuerkennen ist, dass der schwere Tanker China in den vergangenen Jahren umgesteuert wurde. Der Prozess gestaltet sich jedoch sehr zäh und offensichtlich ist die Versuchung groß, in das alte Fahrwasser zurückzukehren. Wichtig ist daher, Kurs zu halten. Den Menschen muss eine einfache Botschaft kommuniziert werden: Ein niedrigeres Wachstum bedeutet letztlich mehr Wohlstand, oder kurz gesagt: Weniger ist mehr.


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