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Meinung weekly: Wallonie blamiert Europa. Quo vadis EU?

Die Europäische Komission hat sich bis auf die Knochen blamiert. Die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland musste unverrichteter Dinge zurück nach Hause fliegen. Die EU hat es nicht geschafft ein längst zu Ende verhandeltes Handelsabkommen mit Kanada zu ratifizieren. Die Vorzeichen für einen erfolgreichen Abschluss der TTIP-Verhandlungen stehen denkbar schlecht. Lange hat die EU-Kommission den sich zusammenbrauenden Widerstand unterschätzt. Dem Eindruck, Ceta sei ein trojanisches Pferd des Kapitalismus und bringe nur wenig Gewinn für die Bürger, ist sie nicht entschieden genug entgegengetreten. Jean-Claude Juncker ist viel zu diffus mit der Frage umgegangen, wer am Ende eigentlich über Ceta entscheiden solle. Vor Angst, die Unterstützung der Europäer nach dem EU-Austritt der Briten zu verlieren, verstieg sich der Kommissionspräsident in Aktivismus und ließ die nationalen Parlamente über Ceta abstimmen. Damit wollte man das Signal nach dem Brexit senden, in Zukunft näher an den Bürger zu rücken. Generell ist das Streben nach einer größeren demokratischen Legitimation europäischer Entscheidungen zu begrüßen. Dies hätte jedoch zu Beginn des Verhandlungsprozesses angestrebt werden müssen.

Der Schaden, den der Ruf der EU genommen hat, dürfte schwer zu reparieren sein. Chrystia Freeland hat das am Samstag auf den Punkt gebracht: Kanada hat seine Hausaufgaben gemacht, die EU nicht – und das zwei Jahre nach Abschluss der eigentlichen Verhandlungen. Von dem Drama um Ceta geht nun die Botschaft aus: Die EU ist derzeit nur mit sich selbst beschäftigt und kein verlässlicher Vertragspartner mehr. Der Ceta-Streit wirft zudem auch grundsätzliche Fragen nach der zukünftigen Strategie in der EU-Handelspolitik auf. Das Problem: Alle 28 Mitgliedsstaaten müssen einem Handelsvertrag zustimmen, damit er in Kraft treten kann. In Zukunft könnten weitere Länder versuchen Sonderwünsche durchzusetzen. Eine Einigung würde noch schwerer zu erreichen sein. Aus Gründen der demokratischen Legitimation sollten die nationalen Parlamente jedoch unbedingt in den Entscheidungsprozess mit einbezogen werden. Der eleganteste Weg für die Zukunft wäre daher, die Mitgliedstaaten und ihre Parlamente künftig früher und besser in Verhandlungen einzubinden. Zu erwägen wäre etwa, dass  die Kommission künftig mit den Parlamentspräsidenten der EU-Staaten gemeinsam die Verhandlungen auf Seiten der EU führt.

Die Handelspolitik der EU muss künftig schon von Anfang an transparent und demokratisch sein, statt nach Abschluss der Verhandlungen den Schein dessen zu vermitteln. Die Verhandlungsmandate hätten vom Europaparlament gemeinsam mit den EU-Staaten beschlossen werden müssen – allein schon, um das Argument zu entkräften, dass die EU am Volkswillen vorbei Politik für Großkonzerne betreibt. Die Neuausrichtung ist nötig, weil nicht alle künftigen Vertragspartner die Geduld von Kanada zeigen werden. Die USA werden weit weniger Verständnis für europäische Interessen aufbringen. Es ist schwer vorstellbar, dass ein Handelsabkommen unter diesen Vorzeichen mit den USA erfolgreich abgeschlossen wird. Deswegen sollte Europa sich Gedanken machen, wie es mit den Verhandlungen mit den USA über das Handelsabkommen TTIP weiter verfährt. Es verlangt vor allem nach einem klaren Bekenntnis zu einer gemeinsamen Handelspolitik und eindeutigen demokratischen Spielregeln. Denn sonst wird am Ende alles infrage gestellt werden: Europa und seine Handelsabkommen.


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