Porträt Der Ehrgeizige: Niels Stolberg

Jungenhaft wirkt Niels Stolberg, ein bisschen hanseatisches Charisma vielleicht. Der 47-Jährige verfolgt als Chef der Reederei Beluga Shipping ehrgeizige Ziele. Ein Porträt.

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Niels Stolberg Quelle: Pressefoto

Sollte es Menschen geben, denen der Ehrgeiz quasi von der Nasenspitze abzulesen ist, dann gehört Niels Stolberg nicht dazu. Der blonde 47-Jährige Reeder, jungenhaft wirkend, strahlt eher neugierige Gelassenheit aus, fröhliche Zuversicht und ein bisschen hanseatisches Charisma vielleicht, aber äußere Merkmale von Ehrgeiz, irgendetwas, das von innen nach außen lodert, oder das sich von außen in sein Innerstes senkt, ist für den Außenstehenden nicht auf Anhieb erkennbar.

Einer, der seinen Besuchern zunächst einmal mit seinen Lieblingspralinen vertraut macht, bevor er auf Beluga und all das zu sprechen kommt, ist nicht unbedingt die Verkörperung von Extremmotivation, Hyperambition und Totalehrgeiz, könnte man meinen.

Aber der Anschein trügt. Niels Stolberg, Chef der Reederei Beluga Shipping, ist ein ambitionierter Mann, dessen Ehrgeiz darin besteht, scheinbar Unmögliches ins Reich der Wahrscheinlichkeiten zu befördern, es sich selbst immer wieder zu zeigen und ein bisschen auch denen, die ihm und seinen unternehmerischen Ambitionen mit Skepsis begegneten, wie vor 13 Jahren als sich der gelernte Kapitän und diplomierte Wirtschaftsingenieur mit einem „Cargo Operator“, also einer Art Frachtvermittlung, selbstständig machte.

Heute ist die Beluga Shipping eine der international führenden Projekt- und Schwergut-Reedereien, für die rund 70 Schiffe im Einsatz sind, die 268 Millionen Euro umsetzt und rund 1600 Mitarbeiter beschäftigt, darunter 1300 Seeleute.

Andere Wege gehen, Visionen zu Ende denken, das sei der Ehrgeiz gewesen, sagt er, der ihn die vergangenen 30, 40 Jahre getrieben habe, also von Kindheit an. Vom Vater, der als Lotse arbeitete, hat er die Leidenschaft fürs Maritime übernommen und wohl auch die Neigung, beharrlich zu sein und zunächst einmal nichts als gegeben hinzunehmen.

Die Mutter, eine gelernte Buchhändlerin, zeigte ihm, dass es Vorstellungskräfte gibt, die sich bis ins Reich des Phantastischen ausdehnen und dennoch Realisierungschancen haben. Und Otto Rehhagel, als Trainer-Ikone ein etwas unerwartetes Vorbild für einen Schwergutreeder, habe ihm gezeigt, dass jedem Ehrgeiz eine „kontrollierte Offensive“ innewohnen müsse, wenn er denn Wirkung entfalten solle, und zwar nicht nur „auffem Platz“.

Die rehhagelsche Taktik der „kontrollierten Offensive“ hat es Niels Stolberg angetan, weil sie erstens auf den sportlichen Aspekt verweist, dem jeder Ehrgeiz irgendwie zu eigen ist: Wir können es wagen, wir kriegen das hin, wir schaffen es – weil wir gut sind.

Und weil sie, die „kontrollierte Offensive“, den Weg in Grenzbereiche des Unternehmerischen öffne, in vermeintlich riskante Areale, deren Risikoträchtigkeit aber einzuschränken ist: Mit Information, Information, Information.

Aller Ehrgeiz, das zeigt Niels Stolberg, ist zunächst einmal höchst konkret und besteht aus Zahlen, Daten, Fakten und – Wetterkarten. Seinen Ehrgeiz, Windenergie in der Schwergutschifffahrt zu nutzen und Kitesegel („Skysails“) vor die Schiffe zu spannen, um später mal jeden fünften Liter Diesel einzusparen – diesen Ehrgeiz hat Stolberg damit unterfüttert und risikominimiert, dass er sich in die Details der Technik und Navigation gekniet hat. Wenn einer heute weiß, wo die globalen Winde jetzt und in Zukunft wehn, damit seine Schiffe und damit sein Kostenmanagement davon profitieren, dann Stolberg und seine Leute.

Auf diese Weise könnte es sein, dass er die Folgen des Klimawandels nutzen wird, ihren Einfluss auf Wetter- und Windverläufe und die paradox klingende Möglichkeit, ausgerechnet von den Folgen von zu viel weltweiter Verbrennung für seine Schwerlasttransporte auf hoher See zu profitieren – mittels Windenergie.

In der unternehmerisch kühl kalkulierten Rechnung mit dem Wind steckt aber auch ein gerüttelt Maß an politischer Überzeugung: Niels Stolberg, der in den Achtzigerjahren mit Gleichgesinnten gegen die Kernkraft protestierte, in seiner Heimatstadt Brunsbüttel und anderswo, ist  bis heute ein Atomkraftgegner geblieben und macht sich für alternative Energien stark, unter anderem vor seinen eigenen Schiffen.

Der Ehrgeiz solch „kontrollierter Offensiven“ ist immer mit Faktizität, Machbarkeitsrealismus und Risikominimierung verbunden, aber auch mit Schritt für Schritt, Vision für Vision, Ziel um Ziel.

Wohin der Weg seiner Firma in den nächsten zehn Jahren gehen soll, das ist Stolberg und seinem Führungsteam klar und das ist Basis des Beluga-Ehrgeizes, für den jeder, der hier arbeitet, ein Gespür bekommen soll. Zu diesem Ehrgeiz gehört es wie selbstverständlich, im Wettbewerb die Nase vorn zu haben, die Chancen der Globalisierung zu nutzen, Grenzbereiche geschäftsbefördernd auszuloten, dabei Risiken möglichst zu umschiffen.

Der Ehrgeiz des Niels Stolberg hat aber auch soziale, kulturelle und karitative Dimensionen. Er hat – zunächst gegen Widerstände - auf seiner geliebten Nordseeinsel Spiekeroog Public-Private-Partnerships mit der Kirche angestoßen, und er hat dort das Künstlerhaus Spiekeroog bauen lassen, in dem Stipendiaten arbeiten und Gäste Kreativität entfalten.

Er ist Initiator der Beluga School of Life in Thailand, in der rund 240 Tsunami-Opfer ein neues Zuhause und eine Ausbildungschance bekommen haben. Der Ehrgeiz besteht unter anderem darin, ein Projekt so zu organisieren, dass es so gut wie keine Verwaltungskosten verschlingt und dennoch funktioniert. Es scheint zu gelingen.

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