Folge 5 Gründertagebuch: Perfekter Coup

In seinem Gründertagebuch beschreibt Geschäftsführer Ozan Taner den Alltag und Aufstieg eines Startups, das in Deutschland brasilianischen Espresso verkauft.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Vor knapp zwei Jahren gründeten die drei Berater Ozan Taner, Wolfgang Rüth und Niels Frandsen die Moema Espresso Republic GmbH, um brasilianischen Gourmet-Espresso zu importieren. Was bisher geschah: Silvester 2003 treffen sich die drei befreundeten Unternehmensberater Ozan Taner, Wolfgang Rüth und Niels Frandsen in Südbrasilien. Nach Jahren in der Beratung wollen sie ein eigenes Unternehmen gründen. Sie haben verschiedene Geschäftsideen und entwickeln zu den drei besten Businesspläne. Im Juli 2004 treffen sie sich zu einem Trip durch den Amazonas, vergleichen Pläne, danach steht fest: Sie wollen brasilianischen Edel-Espresso nach Europa importieren – die Geburtsstunde der Moema Espresso Republic GmbH (www.moema-espresso.com). Für die WirtschaftsWoche führen sie seitdem exklusiv ein Tagebuch. Zur Finanzierung wählt das Trio einen ungewöhnlichen Weg: Taner soll das Geschäft hochziehen, die beiden anderen bleiben Consultants und finanzieren Taner Lebenshaltungskosten. Ein riskantes Modell, aber es geht auf. Taner sondiert in Brasilien den Espresso-Markt, baut Kontakte zu Kaffeebauern und -röstern auf, meistert bürokratische Hürden. Zur Unterstützung heuern die Gründer Praktikanten aus Deutschland an. Eine davon, Birgitt, wird die erste feste Mitarbeiterin. Anfang 2005 zieht Taner nach Berlin, wo das Unternehmen seinen Sitz bekommt. Nach acht Monaten wird zusammen mit Sommeliers ein eigener Espresso-Blend entwickelt, zudem laufen die Importvorbereitungen an. Der Praktikant Björn wird als Teilzeitkraft eingestellt und übernimmt administrative Aufgaben. Anfang 2006 ist es dann so weit: Ein Container mit knapp sechs Tonnen Kaffee erreicht Hamburg, das Produkt wird erstmals großflächig in Deutschland verkauft. Der Umsatz entwickelt sich gut, inzwischen arbeitet auch Mitgründer Wolfgang Rüth teilweise für Moema. Das Unternehmen hat über 600 Kunden, zwei feste und 15 freie Mitarbeiter. Das nächste Ziel: ein großes Vertriebsnetz aufzubauen sowie ein neues Produkt zu entwickeln. Ausführlich sind die früheren Gründertagebucheinträge unter folgendem Link nachzulesen: www.wiwo.de/gruendertagebuch 10. April 2006 Ich habe einen Termin bei der Europa-Zentrale von Ebay. Dort soll ab heute unser Espresso getestet werden. Wenn es gut geht, werden die Mitarbeiter dort künftig unseren Kaffee trinken. Per Fragebogen sollen die Mitarbeiter über uns entscheiden. 12. April Unglaublich! Im Businessplan waren wir von einem Wachstum zwischen 12 und 14 Prozent des EspressoMarktes ausgegangen. Heute veröffentlicht der Kaffeeverband die Zahlen für das letzte Jahr: Der Markt ist innerhalb eines Jahres um über 60 Prozent gewachsen! Wir scheinen auf das richtige Pferd gesetzt zu haben. 13. April Wir müssen an Versicherungen für Startups denken. Ich treffe mich mit diversen Maklern. Neben der Betriebs-Haftpflichtversicherung benötigen wir weitere Policen. Ein Dschungel! 15. April Wichtiges Meeting mit einem der größten Café-Ketten Berlins. Der Ketten-Manager ist beeindruckt von unserem Produkt und möchte mit uns kooperieren. Das etwas angestaubte Image der Kette soll durch unsere jüngere Marke aufgepeppt werden. Ich bin immer mehr davon überzeugt, dass wir dieses Jahr noch den Durchbruch schaffen. 17. April Die brasilianischen Web-Designer schaffen es nicht. Wir haben sie beauftragt, weil sie billiger waren als deutsche. Aber nach einem Jahr Entwicklung sind sie immer noch nicht mit unserer Web-Seite fertig. Das Projekt war für einen Monat terminiert. Die neuen Web-Seiten müssen zur Fußball-WM online sein! 18. April Knapp zwei Monate nach der Markteinführung entpuppt sich unser Angebot an Zahlungsmöglichkeiten als Problem. Bisher bieten wir nur die Abwicklung per Überweisung und Vorkasse an. In der Gastronomie nichts Ungewöhnliches, unsere Kunden aus der Wirtschaft aber verlangen eher das elektronische Lastschriftverfahren. Ich treffe mich mit unserem Bankberater, und es geht sofort: Am Nachmittag haben wir das Angebot implementiert. Nächster Schritt: die Bestellung „auf Rechnung“. Hierfür müssen wir allerdings unser selbst programmiertes Bestellungsmodul Mermaid (Moema Espresso Republic Ministry for Administration, Intelligence and Development) überarbeiten. Ein enormer Programmieraufwand. Wir verschieben das Thema doch lieber auf den Winter. 20. April Unsere erste Mitarbeiterin Birgitt und die spanische Praktikantin präsentieren mir ihre Marketingkonzepte zur Fußball-WM. Wir möchten vom Hype um die brasilianische Nationalmannschaft profitieren. Wir teilen uns die Aufgaben: Zuerst müssen die brasilianische Botschaft, das Landwirtschaftsministerium und die Exportförderungsbehörde kontaktiert werden. Gleichzeitig soll auch die große Musikmesse Popkomm im September in Berlin angesprochen werden. Brasilien ist dort dieses Jahr Hauptthema! 23. April Ärger mit unseren Web-Designern. Weil wir den Ton verschärft haben, wollen die sensiblen Brasilianer das Projekt vorzeitig beenden. Niels und ich pochen auf den Vertrag. 24. April Wir suchen einen Vertriebsmitarbeiter. Dazu finde ich ein interessantes Programm der Arbeitsagentur: Wer einen Langzeitarbeitslosen einstellt, bekommt über ein Jahr die Hälfte des Gehalts bezahlt. Ich frage nach und werde enttäuscht: Im Vertrieb sind derzeit kaum Arbeitslose registriert. Gute Verkäufer sind Mangelware. 25. April Das lang erwartete Fax aus Dubai trifft heute ein. Anfang des Jahres haben wir Verhandlungen für ein Mega-Geschäft aufgenommen. Nun die Absage: Unser Espresso sei qualitativ und preislich zu hoch für den Markt. Langfristig seien sie aber interessiert, mit uns Geschäfte zu machen. Allerdings sollen wir dafür einen günstigeren Espresso herstellen. Schade.

Inhalt
  • Gründertagebuch: Perfekter Coup
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%