Auswahlverfahren der Universitäten Studenten in der Testmühle

Deutsche Top-Universitäten sieben ihre Bewerber in ausgefeilten Verfahren aus, vor fast jedem zweiten Studiengang steht ein Test. Was angehende Studenten erwartet und wie Sie auch die schwersten Auswahltests bestehen.

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Zeppelin Universität

Scheitern kann vielfältig sein. Manche Kandidaten überfällt die Angst am Stufenbarren, andere verlässt die Kraft beim Kugelstoßen. 100 Meter Brustschwimmen können lang werden, der 3000-Meter-Lauf die Hölle. An der Sporthochschule Köln haben die Prüfer schon alles erlebt, von Nervosität bis hin zum Kreislaufkollaps. Eignungstest — ein harmloses Wort für die Tortur aus 20 Prüfungen an einem Tag. Ein zweiter Michael Ballack sein, das reicht hier noch lange nicht. Nur eine Übung darf misslingen, wenn man an die beste Sport-Uni des Landes möchte.

Abitur ist gut, Auslese ist besser – das Modell Köln findet immer mehr Anhänger. Und zwar nicht nur an Sport-, Kunst- oder Musikhochschulen; dort mussten angehende Studenten schon immer ihr besonderes Talent beweisen. Es sind zunehmend auch die Universitäten klassischer Prägung, die ihre Bewerber in ausgefeilten Auswahlverfahren auf den Prüfstand stellen.

Für dieses Recht haben die deutschen Unis lange gekämpft. Vor knapp zehn Jahren haben sie es bekommen und Stück für Stück ausgeweitet. Zunächst durften sich die Ausbildungsstätten ein knappes Drittel der Bewerber aussuchen. Seit 2004 verschafft ihnen eine Neufassung des Hochschulrahmengesetzes die Möglichkeit, 60 Prozent ihrer Studenten in zulassungsbeschränkten Fächern selbst auszuwählen. Nur noch jeweils 20 Prozent der Anwärter kommen dort direkt über die gute Abiturnote und Wartezeit zum ersehnten Studienplatz.

Auswahlverfahren vor jedem zweiten Studiengang

Und so steigen die Hürden für die meisten Akademiker in spe: Auf die Bewerber wartet inzwischen vor knapp jedem zweiten Studiengang ein eigenes Auswahlverfahren, hat das Hochschul-Informations-System (HIS) herausgefunden. Jeder siebte Studienanfänger hat im vergangenen Jahr ein solches Verfahren durchlaufen — mehr als doppelt so viele wie noch 2004.

Das war nicht immer so. Jahrzehntelang schrieb man sich an den meisten Universitäten einfach für ein Fach ein. Das Abitur genügte, einen Mangel an Studienplätzen gab es ohnehin nicht. Erst durch steigende Abiturquoten in den Siebzigerjahren wurden Politik und Wissenschaft gezwungen, immer mehr Abiturienten zu verteilen. Damals entstand die Dortmunder Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS). Sie sortierte die Bewerber nach Abinote, Wartezeit und Ortspräferenz.

All das ist Vergangenheit, zumindest weitgehend. Der ZVS sind nur noch wenige Fächer geblieben: Biologie, Psychologie, Pharmazie und die medizinischen Fächer. Für alle anderen lautet die Parole: Wettbewerb und Profilierung – vor allem über den Weg, sich die besten Studenten gleich selbst aussuchen zu können.

USA ist Vorbild für die neuen Auswahlverfahren an den Universitäten

Das Vorbild ist Amerika: „An sehr guten US-Universitäten käme niemand auf die Idee, jemand ohne Auswahlverfahren zum Studium zuzulassen“, sagt etwa Peter Frankenberg, Wissenschaftsminister in Baden-Württemberg. Höhere Hürden sollen von Niveau und Anspruch zeugen. Wer es schafft, soll sich geadelt fühlen und eine enge Zugehörigkeit zu seiner Alma Mater entwickeln. Für Hariolf Wenzler, Geschäftsführer der Bucerius Law School in Hamburg und Verfechter der Studentenauswahl, sind die neuen Methoden sogar „der Unterschied zwischen Zwangsehe und Liebesheirat“.

Entsprechend eröffnet die neue Gesetzeslage eine reiche Palette, die Verfahren zu gestalten. Dazu gehören dann etwa: Motivationsschreiben, Interviews, Essays, Präsentationen oder Fallstudien.

Die Auswahl ist aber auch notwendig: Zwischen 2009 und 2013 wird die Zahl der jährlichen Studienanfänger von 330.000 auf 355.000 steigen, prognostiziert das Centrum für Hochschulentwicklung. Deshalb sind es längst auch nicht mehr nur die Privatunis, die ihre Studenten in mehrstufigen Prüfverfahren auf ihre Fähigkeiten hin abklopfen.

Die öffentlichen Hochschulen ziehen nach: Exzellenzunis wie Freiburg oder Konstanz nutzen Eignungstests und Interviews, außerdem wird soziales Engagement belohnt. Die TU München bittet zu Auswahlgesprächen, die Nachbarn der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität verlangen Essays. Aber auch kleinere öffentliche Hochschulen wie die Leuphana Universität in Lüneburg setzen mittlerweile mit Erfolg auf intensive Tests.

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