Kommentar Maut gegen Schlaglöcher

Der Preis für das Einreichen des spätesten Sommerloch-Thema des Jahres geht an die Grünen. Die Idee einer City-Maut kommt aber nicht nur zu spät. Sie ist für deutsche Kommunen auch unbezahlbar.

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Die Verkehrsminister kommen am 04.10.2012 in Cottbus zu ihrer zweitägigen Herbsttagung zusammen. Auch eine erneute Debatte über die Pkw-Maut könnte aufflammen. Quelle: dapd

Düsseldorf Geht es nach dem Willen der Grünen, so könnten deutsche Kommunen bald das Recht bekommen, eine Gebühr für das Einfahrt mit Autos in die Innenstädte zu erheben. Vorbilder sind Stockholm und London, wo solche Modelle schon funktionieren. Hintergrund der Debatte in Deutschland, zu der auch "Bild" Stimmung machte: Den meisten Städten und Kommunen fehlt das Geld, um ihre Straßen und Wege ordentlich in Schuss zu halten, ihre Kämmerer greifen regelmäßig in leere Taschen.

Der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses, Anton Hofreiter (Grüne), hatte der „Saarbrücker Zeitung“ (morgige Ausgabe) im Vorfeld des Herbsttreffens der Landes-Verkehrsminister gesagt, besonders für größere Städte mit relativ hohem Verkehrsaufkommen sei eine solche Gebühr zweckmäßig. „Eine City-Maut macht aber nur Sinn als Kombination: Das Geld, das eingenommen wird, muss auch sinnvoll in die Verkehrsinfrastruktur investiert werden. Vor allem in den öffentlichen Nahverkehr.“ In London, so Hofreiter, habe sich durch die Einführung der City-Maut die Zahl der Staus deutlich verringert und die Lebensqualität erhöht.

Solche Instrumente könnten eine Lenkungswirkung in Ballungsräumen entfalten, sagte ergänzend Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) heute im Deutschlandfunk. "Aber das muss auch genau geprüft werden. Und es geht ja auch nicht darum, dass wir allen Städten das aufoktroyieren wollen, sondern dass man überhaupt die Voraussetzung schafft, dass eine Kommune entscheiden kann, ob sie zum Beispiel eine Nahverkehrsabgabe einführen will oder eine City-Maut einführen will oder nicht."
So vorhersehbar reflexhafte die Aufregung nun in einigen Medien und User-Kommentaren auch ist, so gering sind doch die Aussichten, dass aus den Plänen bald Realität wird. Aus Sicht der Steuerzahler und Autofahrer ist das ganze eine so ausgemachte Schnapsidee, dass auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer sie sofort als Flop entlarvt. Er ließ postwendend verlauten, solche Pläne stünden nicht auf der Agenda der Bundesregierung.

Es ist klar, warum. Die Infrastruktur für das Erfassen und Abrechnen der Fahrzeuge müsste erst geschaffen werden, allein das würde so teuer und aufwändig, dass es sich nur wenige deutsche Gemeinden werden leisten können. Die Länder sind schließlich mit mehr als 622 Milliarden Euro verschuldet, Geld . Die Einnahmen dürften sich auch nur für wenige Metropolen rechnen, Hannover und Pirmasens sind nicht London und Stockholm.

Deutschlands Auto-Lobby dürfte geschlossen Sturm laufen, sollten Planspiele realistischer werden, mit zusätzlichen Einnahmen Schlaglöcher zu füllen, denn es gälte Ausnahmeregelungen für jede erdenkliche Branche und vielerlei Fahrzeugarten sowie Einfahrt-Anlässe zu erwirken. Und ohne Anhebung der Pendlerpauschale wäre die City-Maut wohl nicht umsetzbar.

Der Vorschlag der vermeintlich Auto-hassenden Grünen, die erneut ungeschickt alle Vorurteile bestätigen, lässt außer Acht, dass es genau diese benötigte Infrastruktur auf den deutschen Autobahnen und einigen Bundesstraßen bereits gibt. Wenn schon PKW-Maut, wie auch Ramsauer sie will, warum nicht auf der Autobahn?

Wer sich an das organisatorische und technische Chaos bei der Einführung von "Toll Collect" noch erinnert, der wird schon aus politischem Überlebensinstinkt auf Distanz zur City-Maut gehen. Und die weiteren Themen der Verkehrsminister-Runde, die ihre Herbsttagung in Cottbus abhält, deutet ebenfalls an, dass bei der City-Maut nicht zu schnellen Ergebnissen kommen wird. Sie lauten "Transparenz bei Benzinpreisen", "Helmpflicht für Radfahrer", "Reform des Fahrlehrerrechts" und "eine Pflicht für Winterreifen."

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