Ärgern sich Ihre Vertragsanbauer nicht, die auf dem freien Markt einen wesentlich höheren Preis hätten erzielen können?
Wir arbeiten mit den Landwirten teilweise in der dritten Generation zusammen. In diesem Jahr mag sich mancher ärgern. In vielen anderen Jahren sind die Landwirte hingegen froh, einen zuverlässigen Abnehmer zu haben. Unser Marktanteil bei Rotkohl im Glas liegt bei 40 Prozent – wir sind also ein guter Partner. Und zwar nicht aus romantischen Beweggründen, sondern weil wir eine gute kaufmännische Zusammenarbeit über die gesamte Wertschöpfungskette pflegen.
Wie wichtig sind diese Partnerschaften?
Extrem wichtig – in der gesamten Branche. Wir sind voneinander abhängig. Unsere Werke wurden einst mitten in den Anbaugebieten gebaut, um die Rohware sehr schnell vom Feld ins Glas zu bekommen. Würden die Landwirte keinen Rotkohl oder Gurken anbauen, hätten wir lange Lieferwege. Auf der anderen Seite ist für den Bauern der Kohlanbau attraktiv: Die Ernte ist erst im Oktober und November, also nach den meisten anderen Feldfrüchten. Er kann seine Kräfte so über das Jahr auslasten.
Das klingt so, als würden Sie gar nicht importieren?
Richtig, der Import spielt bei Kohl kaum eine Rolle, denn Rot- und Weißkohl sind sehr schwer. Die Transportkosten sind viel höher als etwa bei Erdbeeren, Gurken oder Zwiebeln. Deswegen ist das Sourcing ein Inlandsgeschäft.
Es gibt also – anders als bei Getreide oder Kaffee – keinen Weltmarktpreis für Kohl?
Nein, der Preis ergibt sich regional.
Ist der Absatz genauso national?
Das meiste verkaufen wir natürlich in Deutschland. Aber durch die Verbreitung des Oktoberfests weltweit exportieren wir zunehmend sowohl Rotkohl als auch Sauerkraut und Senf.
Können sie wirtschaftlich durchhalten, falls das kommende Jahr nochmal so schlecht wird?
Rotkohl ist ein wichtiges Segment für Kühne, aber nicht das einzige. Daher können wir die Mehrbelastung verkraften. Außerdem glaube ich nicht, dass es so ein extremes Jahr direkt nochmal gibt.
„Star Wars ist keine Maschine zum Gelddrucken“
Beschäftigen Sie sich angesichts solcher Vorfälle mit dem Klimawandel? Vielleicht fällt ja eine Kohlregion in Deutschland ganz weg?
Nein, ich muss zugeben, das Thema beobachten wir bislang noch nicht gezielt. Akuter sind für uns die Auswirkungen des Mindestlohns in der Landwirtschaft. Das betrifft vor allem die Gurken, die sehr arbeitsintensiv wird. Ein Wachstumsbereich sind Cornichons, kleine Gurken. Die sind aber besonders arbeitsintensiv. Daher fragen wir uns schon, ob die in zehn Jahren noch angebaut werden können.
Wie reagieren Sie?
Wir verjüngen die Marke Kühne. Wir haben eine ganze Reihe neuer Produkte eingeführt – abseits von Gurke und Rotkohl. Diese Produkte sind etwas wetterunabhängiger. Wir sind im Dezember erstmals seit vielen in eine neue Kategorie eingestiegen: Gemüse-Chips. Die erreichen eine jüngere Zielgruppe – ebenso wie neuen Grillsaucen „Made for Meat“, unsere neue „Kühne Enjoy“ Vinaigrette und vegane Salatcreme.
Auf Ihrem Konferenztisch stehen einige Gläser Star-Wars-Senf. Funktioniert so etwas?
Ja, extrem gut. Wir wollen bis Ostern 600.000 Gläser verkaufen. Das Schöne an Star Wars ist: Der Film erreicht Kinder genauso wie ihre Eltern. Im Frühjahr gibt es übrigens noch eine zweite Welle an Star-Wars-Produkten, wenn der Film als DVD rauskommt – mit den Sommerprodukten wie Getränken. Disney macht das sehr geschickt.
Und das lohnt sich auch noch nach Abzug der Lizenzgebühren?
Das ist zwar keine Maschine zum Gelddrucken, aber wir bekommen damit mehr Konsumentenkontakte und mehr Marktanteil. Einige neue Käufer bleiben vielleicht bei unserem Senf.
Herr Leitz, vielen Dank für das Interview.
Stefan Leitz ist seit 2013 Chef des Hamburger Essig-Herstellers Kühne. Er stammt aus der Konsumgüterindustrie: Zuvor war er Verkaufsleiter beim Weltkonzern Unilever. Davor arbeitete er bei Procter & Gamble, Wella und Gillette. Als Marketingmensch ist seine eigentliche Aufgabe, die Marke Kühne weiterzuentwickeln. Doch aktuell muss er sich viel mit der Lieferkette beschäftigen.