Liberale gescheitert Wirtschaft bedauert FDP-Debakel

Deutschlands Wirtschaftsvertreter trauern der FDP nach – ein wenig. Denn die leichteste Alternative – eine Fortsetzung von Schwarz-Gelb – ist vom Tisch. Einige fürchten eine Hängepartie bei der Regierungsbildung.

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Dem BDI-Präsidenten Ulrich Grill werden die Liberalen fehlen. Quelle: dpa

Berlin In der deutschen Wirtschaft stößt das Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag auf großes Bedauern. Wirtschaftsvertreter und -experten äußerten sich am Sonntagabend teils besorgt, teils aber auch gelassen über die Ergebnisse der Bundestagswahl. Einigkeit bestand in der Aufforderung an eine neue Regierung, Strukturreformen fortzusetzen und auf neue Steuern für die Firmen zu verzichten.

Der Präsident des Spitzenverbandes der Industrie BDI, Ulrich Grillo, sagte der ARD: „Ich bedauere, dass die FDP wohl nicht mehr vertreten wird. Liberales Gedankengut hat uns in den vergangenen Legislaturperioden vorangebracht.“ Auch Mario Ohoven, der Präsident des Mittelstandsverbandes BVMW beklagte das Scheitern der FDP. „Die Liberalen standen und stehen für eine sehr mittelstandsfreundliche Wirtschaftspolitik“, sagte er zur Begründung. Der Präsident des Handelsverbandes BGA, Anton Börner, sagte, mit dieser Niederlage der FDP habe er nicht gerechnet. Zugleich sprach Börner aber von einem „sensationellen Ergebnis“ der CDU und einer „tollen Leistung von Frau Merkel“.

Über die Konsequenzen des Wahlergebnisses waren sich die Wirtschaftsvertreter uneins. „Was wir jetzt nicht brauchen, ist eine Hängepartie“, warnte Sandor Mohacsi, der Chef der Wirtschaftsjunioren Deutschland (WJD). „Deutschland ist der Stabilitätsanker für die gesamte europäische Wirtschaft. Politisches Taktieren, das eine Regierungsbildung verzögert, darf sich unser Land in dieser Situation nicht leisten“, sagte er. Börner hingegen sagte, Deutschland sei regierbar und handlungsfähig. Das sei nicht nur wichtig für Deutschland, sondern gut auch für Europa und die Finanzmärkte. Für eine stabile Mehrheit habe Merkel mehrere Optionen, konkret mit Hilfe der SPD oder den Grünen. „Mich beschleicht keine Sorge.“

Sowohl die großen Wirtschaftsverbände als auch Ökonomen mahnten weitere Reformen unter einer neuen Regierung an, gleich wer sie stellt. BDI-Präsident Grillo sagte, es müsse mehr über Wirtschafts- und Industriethemen gesprochen werden, über das Erwirtschaften von Wachstum, die Energiewende.

Einig war sich Grillo mit Ohoven und anderen Verbandsvertretern, dass es keine Steuererhöhungen geben dürfe. Auch bei Schuldenabbau müsse vorangetrieben werden. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) mahnte Verbesserungen der Infrastruktur an: „Die Politik muss alles daran setzen, den Industriestandort Deutschland wetterfest zu machen.“ Dazu gehörten auch mehr Investitionen in die Verkehrswege in Deutschland.

Der Präsident des Verbandes „Die Familienunternehmer“, Lutz Goebel, mahnte für die nächsten vier Jahren eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft an, sieht da aber Probleme, sollte es eine Koalition geben. „Wenn Frau Merkel mit SPD oder Grünen Koalitionsverhandlungen führt, wird das auf dem Feld der Wirtschaftspolitik schwierig.“ Der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding, sieht das ähnlich. Große Reformen seien in den nächsten Jahren eher unwahrscheinlich.

Der Chefvolkswirt des Versicherungskonzerns Allianz, Michael Heise, erwartet kein Kursfeuerwerk an den Börsen nach den Wahlen, selbst wenn die Christdemokraten eine absolute Mehrheit schaffen sollte. Für die Märkte sei vor allem wichtig, dass es zu einer schnellen Regierungsbildung kommt.

Der Chef des arbeitgebernahen Instituts der Wirtschaft (IW), Michael Hüther, zeigte sich erstaunt, dass die CDU trotz ihres nicht immer konfliktreichen Agierens in der Euro-Krise so stark zugelegt hat. Handlungsbedarf sieht er vor allem bei den Strompreise, deren weiterer Anstieg verhindert werden müsse.

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