Architektin Zaha Hadid im Interview „Beton ist sexy“

Architektin Zaha Hadid im Interview über die Zukunft des Wohnens, ihre Verbundenheit mit Deutschland und Nonnen als Ratgeber.

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WirtschaftsWoche: Frau Hadid, von Ihrem Hotelzimmer aus hatten Sie in den vergangenen Tagen einen perfekten Blick auf den Kölner Dom. Berührt diese Art von Architektur Sie noch? Hadid: Sentimentalitäten dieser Art sind eigentlich nicht mein Ding. Aber ich muss zugeben: Gerade im Ensemble mit dieser tollen Brücke habe ich den Blick auf den Kölner Dom sehr gemocht. Ich verbinde positive Erinnerungen mit diesem Fleckchen Erde. Obwohl das Projekt, das Sie 1992 für den Umbau des Rheinauhafens entworfen haben, nie realisiert wurde? Zugegeben, das ist natürlich nie schönfür einen Architekten, wenn ein Projekt aufs Papier beschränkt bleibt. Aber die Arbeit daran, vor allem über das Verhältnis zwischen Gebäuden und Landschaft nachzudenken, bedeutete im Rückblick eine wichtige Stufe in meiner persönlichen beruflichen Entwicklung als Architektin. Erinnert Sie der Dom auch ein wenig an Ihre Kindheit? Sie meinen, weil ich in Bagdad geboren bin und dort einige Zeit von katholischen Nonnen unterrichtet wurde? Da lassenSie die Kirche mal im Dorf. Natürlichverneine ich meine arabischen Wurzeln nicht, aber ich lasse mich nicht gern auf meine Herkunft, meine Vergangenheit oder gar meine Rolle als Frau reduzieren. Ich bin Architektin und beschäftige mich als solche mit der Zukunft des Bauens und Wohnens. Auf der Kölner Möbelmesse war gerade das von Ihnen entworfene Ideal House zu sehen und zu begehen. Was ist daran ideal? Ich verstehe diesen Raum gar nicht so sehr als ideales Haus im Sinne von Perfektion. Es ist eher eine Installation, ein Vorschlag, eine Art Schnappschuss davon, wie sich das Leben in Zukunft darstellen könnte. Wollen Sie wirklich, dass wir künftig in einer Mischung aus Captain Kirks Kommandozentrale und einem Iglu wohnen? Ein gemütliches Haus stellen sich viele anders vor. Gemütlich, rational, emotional – über diese Kategorien habe ich bei diesem Projekt überhaupt nicht nachgedacht. Sondern? Es geht vor allem darum, Ideen zu thematisieren. Fließende Linien, nahtlose Übergange zwischen Räumen, Transparenz nach innen und nach außen. Also darum, den Menschen deutlich zu machen, wie wichtig und schön es ist, offener mit ihrer Umgebung zu kommunizieren. Warum? Ob Büros oder Wohnhäuser – Architektur hatte bislang immer auch die Aufgabe, Schutz zu bieten. Das bedeutet aber oft noch ein Diktat starrer Wände, niedriger Decken und rechter Winkel! Wie in einem Gefängnis fühlt man sich da, aus dem will ich ausbrechen. Schauen Sie sich doch nur mal hier in diesem Hotelzimmer um: Viel zu kleine Fenster, man bekommt kaum etwas von dieser tollen Aussicht mit. Eine offenere Architektur schafft einfach höhere Lebensqualität. Wir wollten uns da nicht mehr mit Minimalanforderungen zufriedengeben. Sei ein Gebäude noch so klein – genau diese Transparenz, diese Offenheit ist der Luxus von morgen. Klingt elitär. Soll es aber überhaupt nicht sein. Ich habe durchaus einen Sinn für Mainstream.

Wie soll dieses Konzept für viele Menschen funktionieren? Wollen Sie alle Hochhäuser abreißen? Hochhäuser halte ich in der Tat für ein Konzept von gestern. Wolkenkratzer der alten Schule sind die letzte Bastion eines Fordschen Ökonomieverständnisses: gesichtslose Massenproduktion am Fließband, übertragen aufs Wohnen. Eine stupide Wiederholung identischer Etagen. Mit Wohn- und Lebensqualität hat das nichts zu tun. Also jedem sein Einfamilienhäuschen? Natürlich müssen wir auch künftig in die Höhe bauen. Aber bitte anders. Wie denn? Durch alternative äußere Formen – ob als Bündel, ob ei- oder spiralenförmig in die Länge gezogen. Durch eine lebendigere, freundlichere, durchmischte Gestaltung und Nutzung der Lobby – mit Läden, Fitnessbereich, Restaurants. Durch versetzte, vielleicht offene Ebenen, die eher zum Flanieren einladen, anstatt nur der Ort für den Aufzug zu sein, mit dem ich direkt in die gewünschte Etage fahre. Die meisten Menschen scheinen sich zur- zeit eher um andere Wohnfragen zu kümmern. Sie suchen aufwendig gestaltete Tapeten, üppige Lüster, riesige, kuschelige Sofas. Sie wünschen sich eher häusliche Geborgenheit als Transparenz und Kommunikation. Natürlich kann jeder seinen individuellen Geschmack ausleben. Aber letztlich halte ich das für ein äußerst kurzlebiges Phänomen. Das könnte man Ihrem Sofa Iceberg auch wünschen – darauf hält man es doch keine zehn Minuten aus! Dann müssen Sie noch an Ihrer Sitztechnik feilen. Auch hier geht es mir um fließende Formen – letztlich um ein Abbild meiner Architektur-Philosophie, nur in einem kleineren Maßstab. Das gilt am Ende auch für mein Tee- und Kaffee-Service.

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