Diese Heimstatt erlesener Kunst ist nicht in New York, Los Angeles, London oder Hongkong. Sie befindet sich in Meiningen. Einer Stadt, in der die Schlagzeilen lauten: "Trinkgelage endet in Meiningen mit Rippenbrüchen". Knapp 20.000 Einwohner. Gelegen zwischen Eisenach im Norden, Fulda im Westen, Suhl im Osten und Coburg im Süden. Hier in Südthüringen entschied die Bundesbank nach der Wende, die Landeszentralbank erbauen zu lassen.
Sie engagierte niemanden Geringeres als das Architekturbüro von Hans Kollhoff. Der Gestalter des DaimlerChrysler-Gebäude am Berliner Potsdamer Platz, der Newton Bar oder des Mainplazahochhauses in Frankfurt, setzte einen Quader mit "massivem, fast wehrhaftem Charakter der Fassade" in die Stadt an der Werra. 20 Millionen Euro kostete der Bau, der 2000 fertig gestellt wurde.
Allein: Nur knapp ein Jahrzehnt später wurde das Gebäude im Rahmen einer Strukturreform der Bundesbank nicht mehr benötigt. Am 30. September 2012 schlossen sich die Türen. Dahinter: Ein bis ins Details ausgeschmücktes Gebäude mit zahllosen Sicherheitsvorkehrungen und einer tonnenschweren Tresortür.
Seit Mai diesen Jahres öffnet sie sich wieder. Statt Noten und Münzen ruhen nun Kunstwerke in den ehemaligen Schalterräumen und Besprechungszimmern. 55 Räume in dem unveränderten Gebäude stehen zur Verfügung. Privatpersonen können sie mieten und dort ihre Gemälde nicht nur sicher unterbringen – sondern sie auch betrachten. Umbenannt in ZentralDepot ist aus der ehemaligen Bank ein Wertlager geworden.
Wertlager boomen bei den Superreichen
Es ist das vielleicht am unwirklichsten Ort gelegene Wertdepot, aber beileibe nicht das einzige. Für Autos, Wein und Kunst gibt es weltweit immer mehr Anbieter für sichere Verwahrung und gleichzeitig Erleben der eigenen Schätze. Was nützt die schönste Wertanlage, wenn sie zwar sicher aber unsichtbar in klimatisch kontrollierten und unzugänglichen Zellen verwahrt wird?
Diese Frage stellen sich immer mehr Reiche und Superreiche, die nicht nur hohe Kontostände, sondern auch ihre Liebe zu den schönen Dingen des Lebens planmäßig pflegen. Die Investition in einen Fußballverein gehört da ebenso zu wie in Yachten – oder auch empfindliche Dinge wie Kunst oder Wein.
"Wir bieten für Sammler Räume an, die eben auch eine Qualität haben, dass man sich in ihnen aufhalten will", sagt Nicolas Perren, einer der beiden Betreiber des ZentralDepots Vallor. Er war Architekt im Büro Kollhoff und kennt das Gebäude deswegen haargenau. Ebenso sein Partner Ulrich Schulten, der als am Bau beteiligter Ingenieur noch tiefer in den technischen Details steckte.
Drei Millionen Euro rief die Bundesbank beim Verkauf auf. "Wir haben es für deutlich weniger bekommen", sagt Perren. Vielleicht auch, weil die eingeschränkte Verwendung einer so speziellen Immobilie ausgerechnet in Meiningen noch weniger Optionen bot. Denn am Ende zählt immer Lage, Lage, Lage.
Lounge und Safe
Die findet Perren für das Projekt sogar ganz gelungen. Nah genug an Frankfurt oder Nürnberg, um mit dem Auto erreichbar zu sein. Denn das sollen die Mieter schließlich tun: Die neue Heimstatt für ihre Kunstwerke aufsuchen, denn sonst könnten sie gleich die Gemälde und Objekte in ein sicheres, unzugängliches Lager geben.
Für Christian Ress ist der soziale Aspekt der Winebank der entscheidende. 2009 baute Ress unterhalb des familieneigenen Weinguts den Keller so um, dass dort in den kühlen Mauern Weinliebhaber in kleinen Schränken ihre Weine lagern können. Entstanden ist daraus eine Art Businessclub. Als Franchiseunternehmen haben inzwischen Filialen in Basel oder Wien eröffnet, Austin in Texas soll bald folgen. Alle Mieter eines Fachs haben Zugang zu allen Winebanks weltweit.
Während die Eltviller Zentrale mit ihren Temperaturen vielleicht nur für kürzere Events geeignet ist, wartet die Winebank in Basel mit zwei Klimazonen auf – eine für die Weine, eine für die umfangreichen Sitzgelegenheiten für die Mitglieder. "Diese Zwei-Klimazonen-Ausstattung nutzen wir in mehreren Standorten", sagt Ress. Die Mitglieder bekommen einen Chip, der den Zugang erlaubt.
Die Oldtimer-Aufbewahrung der Classic Remise will sogar mehr sein als sichere Verwahrung und offener Ort – sie lockt mit ihrem Mix aus außergewöhnlichem Ambiente, Fahrzeughandel und Shops dafür, dass Besucher kommen, die sich Autos anschauen wollen, die nur sehr selten auf der Straße zu sehen sind – wenngleich alle Fahrzeuge binnen Minuten aus ihrer Glasgarage auf die Straße bewegt werden könnten.
Viele der Wertelager bieten neben Neben Tresorräumen und Platz für Oldtimer auch Räume für Feierlichkeiten oder Veranstaltungen – Safe und Lounge zugleich. Christian Ress sieht deswegen das Angebot, einen Chateau Petrus oder eine Trockenbeerenauslese vom Weingut Egon Müller über Jahre angemessen zu lagern, als notwendiges Accessoire – aber nicht als entscheidend für den Erfolg seiner Geschäftsidee. "Wenn es nur die Lagerung wäre, dann wäre unser Wettbewerb ein Weinklimaschrank. So ist unser Wettbewerb die Loge im Fußballstadion", sagt Ress. Die Möglichkeit vor Ort ein Erlebnis zu haben, Geschäftspartnern etwas zu bieten, sei so wichtig, wie die fußläufige Nähe zu Hotels und Restaurants. "Wenn es zum Beispiel einen Aperitiv in der Winebank geben soll, dann ist es wichtig, danach nicht weit fahren zu müssen", sagt Ress.
In Meiningen dürften die Stunden der Gemeinsamkeit seltener sein – Nicolas Perren denkt eher an Ausstellungen, aber auch Meetings in den ehemaligen Konferenzräumen. Aber auch das Angebot des ZentralDepot geht weit über die Lagerung hinaus. Neben der Organisation des Transports oder Gutachtern wird ein umfassendes Paket der Erfassung und Digitalisierung angeboten. Kunden bekämen neben einer Auflistung auch hochauflösende Fotos und Infos rund um ihre Bilder. "Es entsteht quasi ein Katalog der eigenen Sammlung", sagt Perren.
Diesen könne sich der Kunde dann auch per App anschauen – weit ab von Meiningen in der Lounge am Flughafen oder am Pool in Südfrankreich.