Chinesischer Wein für 300 Euro "Die Umstände sind ein Albtraum"

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"Wir wissen nur, was wir nicht tun sollten"


Ihr Unternehmen produziert Wein in Frankreich, Argentinien, Australien, Neuseeland, den USA, Brasilien, Indien und einen Schaumwein in China. Was unterscheidet die Bedingungen für Ao Yun von allem, was Sie vorher kannten?
Das größte Problem ist die Logistik. Wir müssen alles, was wir für die Rebanlagen und die Vinifikation brauchen, mit Autos aus der nächsten Stadt, Shangri La, heranfahren. Die Straßen können gesperrt sein, weil Steine oder Schnee sie blockieren und ein starkes Allrad-Fahrzeug ist unumgänglich. Der Strom fällt oft aus, manchmal gibt es kein Wasser in den Dörfern. Dann kommt die Frage nach den Mitarbeitern. Unsere Kollegen müssen in diesen kleinen, sehr religiösen Dörfern wohnen. Dafür muss man geschaffen sein. Es ähnelt eher der Arbeit auf einer Öl-Plattform in der Nordsee. Da reist man nach einigen Wochen wieder heim und kehrt dann zurück. So machen wir es auch. Die Teams bleiben eine Weile, reisen wieder heim, kommen zurück. Das verlangt allen Beteiligten viel ab.

Das klingt eher nach einem Albtraum. Warum müssen Sie denn unbedingt in China mit einem Weingut vertreten sein?
China ist einer der heißesten Märkte für hochwertigen Wein und hat zweifellos eine großartige Zukunft. Alle Länder, in denen hochwertiger Wein getrunken wird, sind bis auf wenige Ausnahmen auch Länder, in denen hochwertiger Wein hergestellt wird. Eine Ausnahme ist Japan und die andere die britischen Inseln. Obwohl die Briten Ihnen sagen werden, dass ihnen mal die Portwein-Industrie gehörte. Also muss China mit einem derart rasant wachsenden Markt auch ein Ort sein, an dem wir Wein herstellen. Wir sind bei Schaum- und Stillweinen mit unseren Marken weltweit im obersten Segment und deshalb ist es nur folgerichtig, dass wir den Schritt nach China machen.

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Der Jahrgang 2013 ist der erste Wein, den sie verkaufen. Er spielt im Preis mit 300 Euro pro Flasche sofort in der obersten Liga. Gab es eine Benchmark für seine Qualität?
Nein, keine im direkten Vergleich mit anderen Weinen. Der Auftrag war zunächst, unser Bestes zu geben. Unsere Vision ist, den besten Wein aus China zu machen. Es ist ein Projekt, von dem nicht klar war, wohin die Reise geht, nur, dass wir versuchen, alles auf dem höchsten Niveau zu machen.

Hätten Sie nicht besser ein bereits existierendes Weingut übernommen?
Wir haben schon ein Weingut in China, das Schaumwein herstellt. Wir haben also etwas Erfahrung mit Weinproduktion dort. Aber wir wollten uns klar absetzen von den Mitbewerbern. Ao Yun ist ein Luxusprodukt. Zwei Dinge zeichnen Produkte der Luxuswelt aus: Ein klare DNA, eine Geschichte und Tradition, mit Erfahrungen, die über lange Zeit weitergereicht werden. Aber gleichzeitig auch Innovation und Fortschritt. Deswegen sind wir an einen Ort gegangen, der keine Vergangenheit als Weinanbaugebiet hat.

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Wird China also auch der größte Abnehmer sein?
Bis zu diesem Zeitpunkt haben wir 60 Prozent außerhalb Chinas verkauft, 40 Prozent im Land selbst.

Anfang 2015 sagten Sie in einem Artikel des Fachmagazins "Decanter", dass sie bei etwa 10 Prozent dessen seien, was möglich ist. Wo stehen Sie heute und wann rechnen Sie damit, 100 Prozent erreicht zu haben?
Wir sind nach vier Jahrgängen bei 20 Prozent. Wir haben ein Weingut, wir haben ein vollständiges Team. Aber das Lernen über die Entwicklung von Trauben in der Höhe ist noch am Anfang. Wir wissen nicht, wie alt die Reben dort werden können. Das alles müssen wir noch herausfinden. Heute wissen wir ungefähr, was wir nicht tun sollten. Wir haben aber noch immer keine Ahnung, was wir tun sollten.

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