Der Königins neue Kleider und ihr deutscher Schneider

Wie jede Frau macht sich auch Elizabeth II. vor Auftritten in der Öffentlichkeit, Gedanken über ihr Aussehen. Der Mann, der ihr dabei behilflich ist und die königlichen Kleider schneidert, ist ein Deutscher. Seit 18 Jahren ist Karl-Ludwig Rehse Schneider am königlichen Hof.

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Der königliche Schneider Karl-Ludwig Rehse in seinem Londoner Atelier. Foto: dpa

HB LONDON. Wenn Elizabeth II. am Freitag vor den TV-Kameras der Welt ihre Untertanen begrüßt, wird kaum jemand so genau auf ihr Kleid achten wie Karl-Ludwig Rehse. Es könnte sein, dass er es genäht hat. Der Mann aus dem Ruhrpott ist der deutsche Schneider der Queen. Was wird sie anziehen an ihrem 80. Geburtstag, wenn sie in Windsor ein Bad in der Menge nimmt? Das wird Rehse schon seit Wochen immer wieder gefragt – und er fragt es sich auch selbst. „Die Königin ist in dieser Beziehung wie alle Frauen“, erzählt der Deutsche in seinem kleinen Atelier in der Londoner Chiltern Street, wo Leute wie Prinz Charles ihre Hemden machen lassen. „Sie schaut am Morgen den Himmel an und in ihren Kleiderschrank. Sie prüft ihre Stimmungslage und entscheidet dann. Niemand kann vorher sagen, was sie tragen wird.“ In den 60er Jahren ging Jungschneider Rehse von München ins „Swinging London“. Wegen der Beatles, der größeren Freiheit, aber auch der schickeren Mode. Als Kind hatte er die Krönung von Elizabeth II. im Kino gesehen. Dass er eines Tages von einem Maßatelier, das für den Hof arbeitete, entdeckt und gefördert werden sollte, hatte er kaum zu träumen gewagt. Zur Queen gerufen zu werden, ist für ihn in all den Jahren nie zur Routine geworden. „Es ist aufregend wie am ersten Tag.“ Umso mehr würde er sich freuen, wenn die Wahl der Königin am Freitagmorgen auf ein „Outfit“ fiele, das er für die Monarchin genäht hat. Die Chancen stehen nicht schlecht. Denn die kleine Firma „Karl Ludwig Couture“ ist eine von nur drei Londoner Modeschneidereien, bei denen die Queen arbeiten lässt. Und Rehse ist mit 18 Hof-Jahren inzwischen der dienstälteste unter ihren aktiven Kleidermachern. Vor vier Jahren, beim 50. Thronjubiläum der Queen, da war zunächst die Enttäuschung groß: Die Queen trug ein Konkurrenz-Modell. Doch im Laufe dieses denkwürdigen 4. Juni 2002 zog sich die Königin um. Bei ihrem zweiten Fernsehauftritt – sie fuhr in einer offenen Kutsche durch London – trug die Queen ein korallenrotes Kleid von der Hand des Deutschen. Rehse sah sie im Fernsehen, erst ungläubig, dann überglücklich: „Ich sprang fast an die Decke!“ Es war ein Champagner-Moment. Klar, dass auch diesmal eine Flasche kalt steht. Die Maße der Königin könnte Rehse, der vor „rund 60 Jahren“ in Essen geboren wurde („So genau muss niemand mein Alter kennen.“) im Schlaf hersagen. Reporter versuchen immer wieder, dem „Tailor from Germany“ solche Einzelheiten zu entlocken. „Wie viele Kleider hat Ihre Majestät denn nun? Wie viele Millionen gibt sie dafür aus?“ Doch der Mann aus Essen weiß Geheimnisse zu wahren, zumal er dazu per Vertrag verpflichtet ist. Einmal fragte ihn Frank Elstner in einer Talkshow „nur mal so für meine Schwiegermutter“ nach dem Preis eines Kostüms. Rehse antwortete: „Wenn Sie danach fragen müssen, können Sie es sich bestimmt nicht leisten.“ Kein Geheimnis macht Rehse daraus, dass er die Vorliebe der Königin für helle, strahlende Farben bei zugleich klaren, klassischen Schnitten unterstützt. „Das empfehle ich allen älteren Damen. Es macht sie jünger, und das ist doch gut so.“ Zudem passten solche Farben gut zum Charakter der Queen, weil sie ihre herzliche Art betonten. „Sie ist humorvoll und unkompliziert.“ Dennoch würde es Rehse nie einfallen, die Königin bei einer Anprobe direkt anzusprechen. „Ich würde niemals sagen „Drehen Sie sich bitte.“ Das wäre respektlos, denn es muss heißen „Würden sich Ihre Majestät bitte drehen?“

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