Design Im Vollbad der Gefühle

Das Badezimmer wird endgültig zum Paradies der Privatheit. Designer arbeiten hart daran, es noch weicher, wohnlicher und schmiegsamer zu gestalten.

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Sanft gebettet: Wanne und Waschtisch der Marke Bette sind mit wasserresistentem Stoff umkleidet. (zum Vergrößern bitte anklicken) Quelle: Presse

Wenn Josefine samstagmorgens vom Joggen heimkehrt, beginnt das immer gleiche, wohltuende Ritual: Sie lässt Wasser in die Wanne, gibt ihre Lieblingsbadeessenz hinzu, zündet Kerzen an, schaltet das Radio ein und legt sich ins Wasser, mit Blick aus dem Fenster: „Dann bin ich im Glück.“

Gold, Keramik und viel Platz
BetteLoft Ornament von BetteDie Wannenverkleidung des Designbüros Tesseraux + Partner erinnert an kassettierte Flächen. Ein schöner, architektonischer Effekt, vor allem im Kontrast zum weichen, mediterran wirkenden Holzboden Quelle: PR
Grid von KaldeweiDer Designer Werner Aisslinger und seine Partnerin Tina Bunyaprasit haben Wanne und Waschtisch in ein rotes Gittergerüst gesteckt, eine Aufforderung zum Spiel – hier dürfen Shampoo-Ablagen, Handtücher oder Pflanzenschalen eingehängt werden Quelle: PR
Urquiola-Wanne von AxorDie spanische Designerin Patricia Urquiola spielt mit den Urformen der Wassernutzung, ihre Wanne mit Schlitz erinnert an den guten alten Zuber, die freistehende Armatur wacht stilsicher über dem nostalgisch wirkenden Mineralguss Quelle: PR
Armatur Montreux von AxorDie Badarmatur von Phoenix Design nimmt Anleihen aus der Grandhotel-Tradition. Die Stuttgarter Designer studieren penibel alte Armaturen, formen sie im dreidimensionalen Modell nach und übertragen sie auf die neue Technik   Quelle: PR
Badkollektion Luv von DuravitDie dänische Designerin Cecilie Manz hat Badewanne und Waschkommode aus der der Idee einer mit Wasser gefüllten Schale auf einem Tisch entwickelt – daher die weichen, samtig anmutenden Formen und der dünne Wannenrand Quelle: PR
Badlinie Vieques für AgapeEklektizismus, die effektvolle Kombination von Stilen, ist für Patricia Urquiola Programm. Die Badewanne erinnert mit ihrer gerippten Stahlform an Industrie-Fässer, die Rückenlehne wird zum minimalistischen Brett    
Badewanne Ofurò von RapselRuhe und Wärme, Entspannung und Natürlichkeit soll die Wanne der Designer Matteo Thun und Antonio Rodriguez ausstrahlen. „Zurück zu den Quellen“ heißt hier das Motto - am besten mit wasserabweisendem Lärchenholz Quelle: PR

Vor einigen Jahren hat Josefine ihr Bad umgebaut, noch vor der Küche, und als Erstes die tristen Fliesen und Glasbausteine herausreißen lassen. Tageslicht sei „so wichtig“, sagt sie, wichtiger als die schicksten Deckenstrahler, die sie natürlich auch hat, um die „schönen Dinge“ im Bad zu illuminieren. Zum Beispiel die Flakons, die in einer Vitrine hinter Glas schimmern. Oder den gepolsterten Louis-Seize-Stuhl, der die metallische Kühle von Glas und Armatur so angenehm bricht. Aber am wichtigsten ist ihr die Badewanne, ein Ort der Muße, der „gliederlösenden Ruhe“, wie sie sagt, der „Rekreation“: Sie könnte sogar noch größer sein, möglichst frei stehend, auf einem „Kleopatra“-Podest, über einem hellen Terrakotta-Boden mit Fußbodenheizung – oder über gewachsten Holzdielen aus Eiche?

Die Mittfünfzigerin aus Wiesbaden gerät schon mal ins Träumen, wenn sie Badmagazine durchblättert: Vom „Spa-Feeling“ vermittelnden Travertin bis zu Holzverkleidungen im „skandinavischen Stil“ ist heute alles zu haben, was schön und teuer ist. Vorbei die Zeiten, da das Bad ein aseptischer Funktionsort für Körperhygiene war. Das Bad ist keine Nasszelle mit Ablaufrinne mehr, sondern atmosphärische Verwöhnzone.

Entsprechend hat sich seine durchschnittliche Größe in den vergangenen 50 Jahren auf 9,1 Quadratmeter verdoppelt. Es ist zur Bühne des ungestörten Bei-sich-Seins avanciert, zum Sanktuarium der Selbstfindung, in dem sich Körper und Geist regenerieren. „Der Trend geht zur höherwertigen Badausstattung“, sagt Jens Wischmann, Geschäftsführer der Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft, seit 2005 verzeichne die Branche „kontinuierliches Umsatzwachstum“. Erst im September hat eine Studie des Forsa-Instituts herausgefunden, was sich die Deutschen im Bad wünschen: nicht nur Funktionalität, sondern auch Emotionalität. 83 Prozent der Befragten wollen sich im Bad vor allem „entspannen und wohlfühlen“.

Mehr Bar als Bad

Dass sich die Menschen unter dem Banner der Wellness- und Beautybewegung immer mehr auf den eigenen Körper und seine Inszenierung konzentrieren, kann der Branche nur recht sein. Sie leitet daraus die Forderung ab, das Bad „wohnlicher“, „gemütlicher“ zu machen. „Form follows emotion“ – eine Parole, die bei Designern erhabene Gefühle auslöst. So rückt der hannoversche Designer Patrick Frey die Badewanne wie ein kostbares „Masterpiece“ ins Blickzentrum des Bads, zart, dünnwandig, von strahlendem Weiß, mit einem Lichtstreifen unterleuchtet: Sie scheint im Badezimmer zu schweben, der einem Salon, einer Bar zum Verwechseln ähnlich sieht.

Wannen- und Waschtischkörper der

Die Wiederentdeckung des Weichen

Villeroy & Boch hat nicht zufällig einen Möbeldesigner mit dem Entwurf der Kollektion Finion beauftragt. Sie ist der demonstrative Versuch, die Stilbarrieren zwischen Wohn-, Schlaf- und Badezimmer zu überwinden, die Wärme des Kamins, die Weichheit eines Sofas mit der hart, glatt und kühl wirkenden Anmutung von Keramik zu versöhnen. „Das Bad soll Geborgenheit ausstrahlen“, so Frey, „soll Behaglichkeit vermitteln.“ Um die „weiche Seite der Keramik“ herauszuarbeiten, hat er am Vorbild der Natur Maß genommen und das Wechselspiel von feinen Linien und weiten Schwüngen, wie man es von Dünen kennt, auf TitanCeram übertragen: Der Mineralwerkstoff erlaubt ihm, scharfe Kanten mit weich auslaufenden Flächen zu verbinden. Eine Kontrastidee, auf der die gesamte Kollektion beruht. Frey sucht die beruhigende Balance von hellen und dunklen Tönen: Die Regalfächer sind als Rahmen gestaltet, mit Gold und Bronze ausgekleidet und warm hinterleuchtet, ein dezenter Luxuseffekt.

Kein Zweifel, Patrick Frey bietet dem Badenden ein bergendes, dekorativ ausgekleidetes Gehäuse. Der Berliner Designer Werner Aisslinger hingegen schickt ihn auf eine Vergnügungsreise. Zwei „kunterbunte Dampfer“ nennt er seine für die Marke Kaldewei entwickelten Kollektionen: Die Badewanne Tricolore tritt mit mehrfarbig emaillierten, horizontal gestaffelten Streifen auf, ihre Füße zitieren die Löwentatzen der Belle Époque, den Archetyp der frei stehenden Wanne. Ein hybrides Gebilde, ebenso wie sein Pendant, die Kollektion Grid, für die Aisslinger mit seiner Partnerin Tina Bunyaprasit Wanne und Waschtisch in ein rotes Gittergerüst gestellt hat, eine Aufforderung zum Spiel, zur Improvisation: Hier dürfen Shampoo-Ablagen, Handtücher oder Pflanzenschalen eingehängt werden.

Das Bad als Allerheiligstes, in dem Körper und Geist gehuldigt wird, mit Waschschalen, die an Taufsteine erinnern? Ach was! Baden soll vor allem Spaß machen, ein Vergnügen sein. Kein Wunder, dass man bei Aisslingers Entwürfen immer auch die Quietschente hört und die Wärme dicker Frottiertücher auf der Haut spürt. Mit dem Armaturenhersteller Hansgrohe hat er Anfang des Jahres ein textiles Bad entwickelt: ein Plädoyer für die Wiederentdeckung des Weichen. „Das Bad ist der einzige Raum, wo wir im wahrsten Sinne des Wortes nackt sind“, sagt Aisslinger, „trotzdem umgeben wir uns gerade hier mit den härtesten, aggressivsten Materialien, mit Fliesen und Keramikbecken – was für ein Unding! Das Bad müsste der weichste Raum sein.“

Schmeichelnde Formen, wärmender Ton: Die Armaturen von Phoenix Design für die Marke Axor nehmen Anleihen bei der Tradition des Grandhotels... Quelle: Presse

Das Unternehmen Bette hat ihn anscheinend beim Wort genommen und dieses Frühjahr die von Dominik Tesseraux entworfene Linie Lux Oval Couture vorgestellt: Wanne und Waschtisch sind mit wasserresistentem, gepolstertem Outdoor-Stoff in Anthrazit, Weiß oder Moosgrün ummantelt. Wer an ein Sofa denkt, liegt durchaus richtig. Den Ostwestfalen ist mit der Wanne ein Coup gelungen. „Sie polarisiert“, so Marketingchef Sven Rensinghoff, „die einen schütteln den Kopf, die anderen sind begeistert.“ Wenn offenporiger Sandstein mit Muscheleinschlüssen oder schwarzer Marmor als Wandverkleidung gehen, warum soll man dann nicht auch mit ornamentierten Flächen an der Wanne spielen können, wie die Linie Bette Loft es tut, deren Wannenumwandung an kassettierte Wände erinnert? Ein schöner, architektonischer Effekt, vor allem im Kontrast zum weichen, mediterran wirkenden Holzboden.

Von diesem Wechselspiel lebt nicht zuletzt auch das Design der Armaturen. So präsentiert das Stuttgarter Designbüro Phoenix Design seinen für die Marke Axor entworfenen Waschtischmischer Uno neuerdings auch in Gold statt Chrom: Die aus zwei Rohren zusammengesteckte, asketische Armatur erhält, wie Phoenix-Designer Tom Schönherr sagt, einen „ganz neuen ästhetischen Reiz: Sie wirkt sehr viel wärmer, erscheint pur in der Form und zugleich luxuriös in der Oberfläche“, kurz: wie „purer Luxus“. Das „wollen die Menschen heute“, so Schönherr, „formale Klarheit und zugleich Emotionalität“.

...oder verleihen puristischem Design durch goldene Oberflächen einen Hauch von Luxus. Quelle: Presse

Sinnliche Eindrücke

Der Mitgründer von Phoenix Design weiß aus den Trendstudien seines Büros, dass es vor allem Gefühle sind, die unsere Wünsche bestimmen, gerade im Bad, dem intimsten Raum in der Wohnung: Man möchte gern, dass das Design im Bad freundlich zu den Sinnen spricht, dass es zur atmosphärischen Stimmigkeit beiträgt. Mit Armaturen, die man gern anfasst, die im Wortsinn „emotional berühren“, statt „schon beim Hinschauen Schmerzen zu bereiten“ – weshalb Phoenix-Armaturen bei aller Klarheit „gut in der Hand liegen müssen“. Dann dürfen es auch mal Entwürfe sein, die Anleihen aus der Vergangenheit nehmen und an die Grandhotel-Tradition anknüpfen, wie die Kollektion Axor Montreux: Vor allem in den Mittelmeerländern, die viel alte Bausubstanz besitzen, aber auch in China und den Vereinigten Staaten „mit ihrem klassisch geprägten Markt“ stoßen diese Designs à la 1900 auf großes Interesse.

Bäder werden mit einer Nutzungsdauer von 10 bis 30 Jahren geplant und gebaut. Schon deshalb sei es für Designer und Hersteller ratsam, so Schönherr, Trends zu erkennen, womöglich zu antizipieren. Das Bad der Zukunft? Es wird, so viel scheint festzustehen, ein Ort des Rückzugs bleiben. Vielleicht mit noch weicheren Formen, mit noch zarteren Keramiken, noch filigraneren Armaturen. Aber es wird sich nicht, wie oft prophezeit, mit dem Schlafzimmer zu einer hedonistischen Relax-Landschaft vereinen. Im Bad, dem Paradies der Privatheit, bleibt die Welt draußen. Auch die digitale?

Die letzte Domäne des Nichtdigitalisierten

Patrick Frey hält die „digitalen Helferlein“ im Bad für „totalen Quatsch“. Der sprechende „Doc-Mirror“, der den Puls fühlt? „Purer Stress.“ Werner Aisslinger hofft, dass das Bad die „letzte Domäne des Nichtdigitalisierten“ bleibt. Und Tom Schönherr? Er hat schon „viel digitalen Unsinn“ im Bad gesehen. Trotzdem, das ist „mit Sicherheit der nächste große Trend“, der „ganz neue Dimensionen an Qualität und Komfort“ ermöglicht. Phoenix Design arbeite „intensiv“ an Digitalprojekten.

Hartmut Esslinger gestaltete für Steve Jobs den Mac, Gorden Wagener ist Chefdesigner von Daimler. Ein Gespräch über die Zukunft des Autos, Chinas Designhegemonie und Ethik im Roboterzeitalter.
von Lin Freitag, Sven Prange

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