Gastronomie „Was wir tun, hat nicht der Gast zu bestimmen“

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Braucht Berlin ein Drei-Sterne-Restaurant?

Welche Rolle spielen Wünsche der Gäste?
Frühsammer: Klar, wir sind käuflich. Also manche Sachen machen wir nicht.
Wagner: ... ich sehe das ganz anders. Gästefeedback ist überhaupt nicht wichtig. Was wir tun, hat nicht der Gast zu bestimmen, sondern wir selber.
Raue: Das ist Einstellungssache, lieber Billy!

Wagner: Für mich ist es ganz wichtig, dass ich die Gastronomie nicht für den Gast mache, sondern darum, etwas zu tun zu haben den ganzen Tag. Natürlich ist der Gast derjenige, der das bezahlt.
Frühsammer: Wenn ein Gast unser Restaurant mietet und viel Geld dafür bezahlt, dann mache ich es dem so schön, wie er es haben möchte.
Wagner: Der Gast kommt zu uns, weil er es haben möchte, wie es bei uns ist. Wir wollen es vor allem besonders gut machen und denken, dass es so richtig ist. Da hat der Gast sich nach dem Gastronomen zu richten. Und wir richten uns nicht nach dem Gast, sondern nach den Produzenten.

Frühsammer: Aber das tut doch jedes Restaurant.
Schäfer: Aber auch das war eine Entwicklung. In den vergangenen zwei Jahren kamen immer mal wieder Anfragen für besondere Veranstaltungen. Da haben wir uns immer weiter rangetastet, wie viel wir dem Gast in seinen Wünschen entgegenkommen können. Im Nachhinein haben wir aber immer gedacht, das war irgendwie doof. Es war nicht das gleiche Niveau wie sonst.

Ich kann also nicht einen Haufen Geld auf den Tisch legen und sagen: Macht mir dafür mal was?
Raue: Natürlich kommen auch Unternehmen an und sagen: „Ah, ihr kocht deutsch, dann macht uns doch mal Buletten, unser Vorstand isst die so gerne.“ Wenn man jung und dumm ist, macht man das. Kann ich mich gut dran erinnern, war ’ne tolle Zeit. Heute ist das anders. Da sind wir uns echt ähnlich, Billy. Wir machen das, was wir für richtig halten. Gefällt es denen da draußen – gut. Wenn nicht, sind wenigstens wir daran schuld, wenn das Ding gegen die Wand fährt. Fährt es aber nicht, weil alles so stimmig ist, dass es funktioniert.
Schäfer: Bis jetzt.
Raue: ... das ist eine Entwicklung. Heute ist es so: Du sperrst auf, und in den ersten vier bis fünf Wochen hast du medial gesehen alles, was früher vielleicht zwei oder drei Jahre gedauert hätte. Aber wenn du es in den ersten fünf Wochen nicht schaffst, dann geht es auch direkt wieder abwärts. Und dann fängst du an, für Geld nahezu alles zu machen. Dann geht es aber auch meistens in die Hose. Deshalb ist Haltung so wichtig und bei seinem Konzept zu bleiben. Aber das ist riskant. Ich habe auch heute noch Schiss, dass die Restaurants nicht voll sind. Jeden Tag.

Fehlt Berlin nicht doch noch ein Drei-Sterne-Restaurant?
Frühsammer: Das würde noch einmal mehr Food-Touristen in die Stadt bringen. Ich würde mich freuen, wenn eins kommen würde.
Wagner: Natürlich wäre so ein Drei-Sterne-Restaurant attraktiv.
Raue: Klar ist ein Drei-Sterne-Restaurant gut für den Standort. Aber das ist wie in der Schule. Der Lehrer vergibt die Noten, nicht die Schüler. Man kann die Dinge nur bis zu einem gewissen Grad beeinflussen. Mit Talent, guten Produkten und dem festen Willen kannst du es bis zu zwei Sternen oder 18 Punkten beim „Gault-Millau“ schaffen. Alles darüber kannst du nicht mehr beeinflussen.
Wagner: Für mich ist die Frage aber auch: Möchte ich drei Sterne kochen? Ist das mein Ziel? Man kocht ja nicht der Sterne wegen, sondern weil man das macht, worauf man Lust hat. Nur weil ein Restaurant drei Sterne hat, heißt das nicht, dass man dort einen besseren Abend hat. Den kann man auch in der Kneipe haben.
Raue: Du vergisst den brennenden Ehrgeiz des Küchenchefs nach den höchsten Weihen.
Schäfer: Da würde ich ganz klar widersprechen.
Raue: Bei mir ist das auf jeden Fall so.
Schäfer: Es kann wichtig sein für den Betrieb. Als wir den Stern bekamen, haben die Leute angefangen, mir zuzuhören. Das ist eine sehr schöne Erfahrung. Aber mich persönlich beschäftigt das einfach überhaupt nicht.

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