Statussymbole „Ohne Protz bleibt nur das nackte Leben“

Wolfgang Ullrich, geboren 1967, ist Kunst- und Kulturwissenschaftler, Konsumforscher, Philosoph - und selbständiger Autor, Dozent und Berater. Einschlägig zum Thema sind seine Bücher „Alles nur Konsum“ (Wagenbach, 2013) sowie

Mit Haus, Auto und Boot kann der Reiche von heute niemanden mehr beeindrucken. Es muss schon moderne Kunst zu absurden Preisen sein. Oder das bewusste Understatement, erklärt der Kunstwissenschaftler Wolfgang Ullrich.

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Wolfgang Ullrich, Jahrgang 1967, ist Kunst- und Kulturwissenschaftler, Dozent und Konsumforscher. Er legte 2015 seine Professur an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe nieder und ist seitdem freier Autor.

Herr Ullrich, prominente Zeitgenossen betonen in Interviews gern, dass ihnen Statussymbole nichts bedeuten würden oder dass sie die nicht nötig haben. Woher kommt diese Distanzierung? Sind Statussymbole heute peinlich?
Sie sind dann peinlich, wenn sie als solche identifiziert werden und der Eindruck entsteht: Sie sind nur gekauft. Das wirkt so, als hätte man versucht, eine Abkürzung zu nehmen, als bräuchte man nur ein bisschen Geld in die Hand zu nehmen – und schon hat man was am Arm, in der Garage oder in den eigenen vier Wänden und kann damit angeben. Dieses Imponierverhalten funktioniert, glaube ich, schon lange nicht mehr. Es steht im Verdacht des Materialismus oder eben des bloß Gekauften. 

Und wenn es sich um ein Erbstück handelt? Zum Beispiel um eine alte Armbanduhr?
Dann ist es natürlich auch ein Statussymbol. Dann demonstriert man damit: Die Uhr ist nicht neu gekauft, sondern sie ist im Lauf der Jahre mit der Person gleichsam verwachsen. Auch das zeugt von Status, hat imagebildenden Charakter. Jede Uhr kann als Status-Symbol gelesen werden, verrät etwas über den Träger. Wenn die Leute sagen: „Statussymbole brauche ich nicht“, dann meinen sie eigentlich: Ich will mich nicht nur über Sachen definieren, die ich mir „neu“ und „teuer“ gekauft habe. Das heißt aber nicht, dass die Macht der Statussymbole gebrochen wäre.

Niemand kann sich ihnen entziehen?
So ist es, sie sind immer ein Thema. Mit allem, was wir anziehen, womit wir uns umgeben, definieren wir unser Image, senden wir Botschaften, die auch als Statussymbole gelesen werden können. Die Uhr, die ich seit 20 Jahren trage, ist vielleicht keine bewusste Stilgeste, aber für die, die mich gut kennen, ist sie ein markantes Zeichen, ein Statussymbol.

Steckt hinter Statussymbolen nicht vor allem der ewige Wunsch nach Aufmerksamkeit, nach Anerkennung, nach Zugehörigkeit?
Sicher, nicht zu vergessen der Wunsch nach Orientierung. Wir Menschen sind darauf aus, uns gegenseitig einzuschätzen: Wer ist wem überlegen in einem Unternehmen? Wer hat was zu sagen? Wie viel oder wie wenig verdient er? Das sehen wir ihm nicht an der Nase an. Deshalb sind wir so begierig nach allem, was uns hilft, unser Gegenüber einzuordnen, auf den ersten oder zweiten Blick. Dieses Abchecken ist immer eine zweiseitige Sache, funktioniert nur, weil wir uns ständig gegenseitig beobachten, weil wir das Auftreten des jeweils anderen statussymbolisch lesen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt: Ohne Statussymbole wäre unser Sozialleben nicht vorstellbar, könnte man Gesellschaft gar nicht organisieren.

Statussymbole müssen sichtbar sein…
…damit wir sie deuten können. Aber es gibt auch raffinierte Statussymbole, die nur lesbar sind innerhalb einer kleinen Community, die also für viele unverständlich bleiben und dadurch etwas Exklusives haben. Sie signalisieren den Nicht-Eingeweihten: Du verstehst das Symbol nicht, also gehörst Du nicht dazu. Das kann ein entlegenes Zitat sein, das man ins Gespräch einflicht, oder die Art, wie man das Jackett trägt. Den meisten bleibt der Sinn verschlossen, die Kenner dagegen erkennen sich daran untereinander.

Statussymbole funktionieren wie eine Art Code?
Durchaus. Das sieht man besonders schön an der traditionellen Porträtmalerei, die ein Treiber für Statussymbole war: Den Malern des 16. und 17. Jahrhunderts war klar, dass die physischen Eigenschaften, die Physiognomie des Porträtierten allein nicht ausreichte, um die Person zu charakterisieren. Um ihren gesellschaftlichen Rang, ihre Macht oder ihren Reichtum darzustellen, griffen die Maler nach kollektiv definierten Symbolen, hüllten den Porträtierten etwa in eine kostbare Garderobe.

Heute übernimmt Instagram diese Inszenierungsaufgabe: Die Fotos folgen einem strikten Code, einem konsequenten Styling. Wer da auftritt, weiß genau, in welcher Community er sich verorten will. Mit welchen Produkten, welchen Marken er wo ankommt oder aneckt. Da hat sich eine fein ausdifferenzierte Art der Bild- und Hashtag-Sprache herausgebildet, die den Statussymbolen zusätzliche Bedeutung verliehen hat.

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