Till Brönner "CDs sind teure aufwändige Visitenkarten"

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Erst zahlen, dann spielen

Sie sprechen von CD-Verkäufen - das klingt auch anachronistisch...
Ja, das ist so. Auch wenn ich ich in einem Segment bin, wo der CD-Verkauf noch ein echtes Thema ist. Es gibt Menschen, die die Reihe mit den CDs vollständig haben wollen. Dennoch - die Zahlen sind nicht im Ansatz so wie früher. Deswegen ist ein langfristiger Erfolg heute umso wertvoller. Auch wenn die Zahlen sich glatt halbieren und mehr. Aber Jazz-CDs liegen sehr häufig viel eher bei 80 bis 200 Stück.

Auch Ihre Verkaufszahlen sinken - die Musikindustrie rätselt, wie die Musiker, die nicht gerade Weltstars mit Millionen von Downloads sind, Geld verdienen sollen. Musiker haben keine Antworten auf diese Veränderungen, scheint es. Macht Ihnen das Sorgen?
Natürlich macht mir das Sorgen. Es ist ärgerlich - und das ist eigentlich ein zu mildes Wort - dass die Musiker sich diesen Teil ihrer Verantwortung einfach so aus der Hand haben nehmen lassen. Irgendwer muss gepennt haben - eine schöne Überschrift für das Interview - also, irgendwer muss gepennt haben, wenn die Musiker es gestatten, dass Streamingdienste und Plattenfirmen die Erlöse in Relation unter sich aufteilen, dass für die Musiker, die die Musik produzieren, der Gewinn so gering ist. Plattenfirmen argumentieren natürlich immer, dass sie mehr für die Musiker leisten müssten, damit die überhaupt wahr genommen würden. Dennoch - für einen Newcomer ist es sehr schwer, überhaupt einen Plattenvertrag zu bekommen und dann auch noch davon leben zu können. Eine CD ist selbst für mich so etwas wie eine aufwändige Visitenkarte. Eine, über die ich Livekonzerte generiere - aber mich gibt es auch schon seit ein paar Jahren. Und ich zehre als Kind der 90er Jahre auch von der damaligen medialen Situation.

von Dieter Schnaas, Christopher Schwarz

Und CDs kosten zudem - es heißt, sie hätten 2013 das erste Mal einen Scheck bekommen für die verkauften CDs statt mit den Erlösen die Produktionskosten zu decken.
Ja, das stimmt. Die Investitionen sind eben hoch gewesen - bis dann mal was beim Musiker ankommt, kann es dauern.

Wenn selbst Sie als so erfolgreicher Musiker so lange brauchen, um mit den CDs auch Profit zu machen....
Ja, manchmal kratzt man sich schon am Kopf.

Meinen Sie, dass Labels wie das des Münchner Produzenten Manfred Eicher, ECM, die ihre Musik grundsätzlich für Streamingdienste sperren, den richtigen Weg gehen?
Das ist zumindest konsequent. Ob es wirtschaftlich ist, müsste Ihnen das Label dann selbst sagen. Ob es ihm die Zahlen gerettet hat, ich glaube es nicht.

Oder macht eine Band wie Snarky Puppy alles richtig, die ihre Konzertvideos auf einen Youtube-Kanal stellt und bei Konzerten Mitschnitte des Abends ein Tag später als Download an das Publikum verkauft?
Da muss dann auch das Publikum da sein...

Sie haben doch volle Hallen!
Ja, das ist auch interessant. Es wäre ein anderes Geschäftsmodell als das, das ich aktuell unterhalte. Ich habe ja auch Partner, denen ich verpflichtet bin - ich darf nicht so einfach ein Konzert mitschneiden und das vertreiben. Es wäre aber interessant. Wenn da 2000 Menschen sitzen, können Sie sich ja ausrechnen, wie interessant. Das müsste mal getestet werden. Ich habe neulich mit einem CEO aus der Musikindustrie zusammen gesessen und es ist spannend zu sehen, wie die Unternehmen alles Digitale versuchen zu nutzen. Und eines der wichtigsten Assets für sie ist, alle Plattformen und Outlets zu analysieren, die zukünftig von Relevanz sein werden. Heute ist das vielleicht SnapChat, morgen ist es etwas Neues, über das es in Zukunft wichtig sein wird, seine Musik anzubieten. Das können sie als Künstler nicht leisten, wenn sie sich noch mit ihrer Musik auseinandersetzen wollen.

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