Feinschmecker-Paradies Trüffel wachsen auch an der Ahr

Es muss nicht immer Alba sein: Zwischen Rügen und Kaiserstuhl wachsen Trüffel. An der Ahr soll der Edelpilz für Feinschmecker gezüchtet werden.

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Penny interessiert sich nicht für Pilze. Das weiße Hündchen der zwei Spaziergängerinnen schnüffelt lieber an Max. Der aber dreht ab, die Aussicht auf einen anderen Geruch lockt den Mischling fort. Die saftigen, erdigen Aromen von Tuber uncinatum haben es dem Cairn-Terrier angetan. Schon daheim zerrte das Tier an der Leine, sobald sein Herrchen, der Koch Jean-Marie Dumaine, dem Hund ins Ohr flüsterte: „Trüffel.“ Wenn das Wort im Herbst wieder häufiger auf der Speisekarte steht, freuen sich Feinschmecker. Entsprechend groß war das Aufsehen, als Dumaine in Sinzig das erste Mal auf Trüffel stieß und auf Anhieb 200 Gramm sammelte. Das war im Oktober 2002. Dass Trüffel in Deutschland wachsen, wusste schon der Kaiser vor mehr als 100 Jahren, der zwischen Rügen und Braunschweig Trupps auf die Suche nach den Diamanten der Küche schickte. In Deutschland kam die Suche nach Trüffeln nach dem Ersten Weltkrieg ins Stocken und nach dem Zweiten Weltkrieg zum Erliegen. Die Leute hatten anderes im Sinn. Und dass bis zu jenem Oktobertag 2002 keine Funde zu vermelden waren, liegt auch daran, dass es in Deutschland so gut wie keine Trüffelhunde gibt. Selbst der bayrische Sammler Klaus Wilhelm Gérard und sein Hund Attila durchsuchen lieber italienische Böden – dort besitzt Gérard als einziger Deutscher eine Suchlizenz. Dumaines Spürhund Max ist mithin der Einzige, der mit seiner trainierten Nase in Deutschland schnüffelt. Max’ Talent hat Dumaine bei Trüffeljagden in Südfrankreich entdeckt. „Er hat schon mit drei Monaten angefangen, mit den anderen Hunden zu suchen“, sagt Dumaine über seinen Hund, den er vor sieben Jahren aus dem Tierheim holte. Mit gekauften Burgundertrüffeln ließ der Franzose seinen Max in der Wohnung schnüffeln und trainieren: „Die Trüffel verstecke ich in einer Socke.“ Wenn Max artig ist, bleibt er neben einem Fundort hocken und akzeptiert ein Stück trockenes Weißbrot als Belohnung. Wenn nicht, isst er die Trüffel auf. Nach den ersten Funden an der Ahr hat Dumaine in Koblenz eine Lizenz beantragt, mit der ihm das Sammeln von Trüffeln zu Lehrzwecken erlaubt ist. Nur dafür, denn Trüffel stehen unter Naturschutz.

Damit in Zukunft trotzdem wieder deutsche Trüffel auf den Tellern landen, tat der Franzose etwas sehr Deutsches: Er gründete einen Verein. Den Ahrtrüffel e.V., eingetragen ins Register 2005 mit einer fünf Seiten langen Satzung. Ziel des Vereins ist, dass „nahezu unbekannte heimische, wildlebende Organismen auf ausgewählten Flächen angesiedelt werden“. Dafür haben die Mitglieder, darunter ein Biologieprofessor aus Bonn, in der Nähe von Sinzig ein Grundstück von etwa einem viertel Hektar für 50 Jahre gepachtet. Diesen Herbst sollen dort Pflanzen gesetzt werden, die als Wirt für den Burgundertrüffel, den Tuber uncinatum, geeignet sind. Bei Erfolg sollen in anderen Regionen Deutschlands weitere Flächen dazukommen, zum Beispiel nicht mehr bewirtschaftete Weinhänge. Wie in » Frankreich soll so der Anfang für Trüffelkulturen gemacht werden. „Trüffel wachsen nicht im dichten Wald“, sagt Dumaine, der Max stets eine Weile umherstreunern lässt, ehe es an die Suche an der Leine geht. Ideal ist eine Mischung aus Eichen, Hainbuche, wilden Apfelbäumen und Haselnussbäumen. Wichtig sei, dass der Boden Sonnenstrahlen abbekomme und er dennoch feucht wird. Die Stellen, in denen sich die Wurzeln der verschiedenen Bäume begegnen, sind der Ort, an dem der Pilzparasit sein köstliches Fleisch entwickelt. Ideal dafür ist sogenannter Lößboden, der sehr pulvrig ist. Ein Boden, wie er vielfach in ganz Deutschland in guten Weinbergslagen zu finden ist. Auch Dumaines bisherige Fundstellen, die er nicht nennen darf, liegen auf ehemaligen Weinbergen. Er vermutet deshalb Trüffel in ganz Deutschland bei ähnlichen Bodenbedingungen: „Am Kaiserstuhl habe ich bereits einen Tuber melanosporum, den sogenannten Périgordtrüffel, gefunden.“ Für Max bleibt alles ein Spiel. Eine gute halbe Stunde kann sich das Tier konzentrieren, bevor die vielen Düfte seine Nase überreizen. In dieser Zeit hockt sich Dumaine neben Max auf den Boden, hält die Leine kurz und wiederholt wechselweise „Cherche, Max!“ und „Trüffel!“ Der Hund sondiert das Gebiet, bleibt mehrmals hocken und deutet mit Gebell einen Fund an. Dumaine hat stets einen kleinen Schraubenzieher in der Hemdtasche, mit der er vorsichtig die oberen Erdschichten abträgt. „Ein größeres Werkzeug würde den Pilz verletzen.“ Mit den Händen durchsucht er das Erdreich, hin und wieder steckt er selber seine Nase in den Boden. Dreimal innerhalb einer halben Stunde wird Max fündig. Leider sind alle Trüffel bereits vertrocknet. Zwei verbuddelt Dumaine wieder sorgsam, eine andere packt er in eine Plastiktüte. „Daraus gewinnen wir Sporen, mit denen wir die Bäume auf unserem Vereinsgelände infizieren können.“ Denn die Trüffel, die in Zukunft an der Ahr wachsen können, sollen heimische sein. Da sind sich Feinschmecker und Naturschützer einig.

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