Weinbau "Alte Reben" - Marketing oder Mythos?

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Alles nur ein Marketing-Gag?

Ein Marketinggag, der höhere Preise ermöglicht und dem Kunden im Gespräch schmackhaft gemacht werden kann? Stephan Reinhardt ist zumindest skeptisch, ob das Alter allein eine Rolle spielt. "Der Boden, in dem die Reben wurzeln, ist viel relevanter. Und wie er gepflegt wird und wie lebendig, wie dicht er besiedelt ist und mit welcher Genetik. Ein alter Knochen im toten Boden bringt nichts Gutes zuwege", sagt Reinhardt.

Dem stimmt Weis zu. Das Alter sei per se keine Qualifikation. Wenn die Pflanze von Beginn an mit einer schlechten Genetik ausgestattet sei, helfe es auch nicht, sie möglichst alt werden zu lassen. Christopher Loewen lässt sich ebenso wenig wie Nik Weis von den Geisenheimer Forschungsergebnissen nicht beeindrucken, zu lang seien die eigenen Erfahrungen positiv verlaufen.

Wo die Deutschen ihren Wein kaufen

Und der Kunde, schmeckt der einen Unterschied? Manche ja, manche nein. Nik Weis unterteilt beim Keltern in drei Fässern sogar noch innerhalb einer Parzelle, Kunden, die es genau wissen wollen, könnten herausfinden, ob die aus dem Wiltinger Schlangengraben gekelterten Weine aus den sehr alten oder mittelalten Reben kommen. "Die Qualität ist gleich - aber die charakterlichen Unterschiede in der Aromatik sind schmeckbar", meint Weis.

Reinhardt konstatiert, dass Weine von alten Reben zumindest oft "eher durch Konzentration und üppige Reife denn durch vitale Säure und frische Frucht gekennzeichnet. Sie sind oft körper- und extraktreicher, ein Maul voll Wein, das nicht jeder so ohne weiteres verarbeiten kann."

Nik Weis sieht auch nicht allein das Alter des Rebstocks, sondern das Alter der Sorte als weiteren wichtigen Faktor an. Das Besondere an manchen alten Reben sei, dass sie mit anderen Zuchtzielen entwickelt wurden. Weis hat in seiner Rebschule vor vielen Jahren begonnen, aus den besten Lagen aus ganz Deutschland von sehr alten Pflanzen neue Klone zu züchten. Diese können Winzer kaufen und haben damit die historischen Eigenschaften an jungen Pflanzen.

Das steht dann nur nicht auf Etikett.

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