Weinbau "Alte Reben" - Marketing oder Mythos?

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Forscher fanden keine Unterschiede

Weis hatte Glück, denn die Anlagen, die der Betrieb 1989 übernehmen konnte, wurden zu einem guten Teil weder von Flurbereinigung noch übereifrigen Innovatoren beeinträchtigt. Gut 1,5 von 10 Hektar sind mit sehr alten Reben bestückt, nur wenn eine Pflanze stirbt, wird sie gegen eine jüngere ausgetauscht - und nur die. "Wir sprechen dabei vom ewigen Weinbau", sagt Weis, dessen Vorfahren zu den ersten gehörten, die als Privatunternehmen auch eine Rebschule betreiben durften. Das war bis zum Ende des 2. Weltkriegs ein Vorrecht staatlicher Rebschulen.

"Sie können bis zu 200 Jahre alt werden, die Erträge sind bis zu einem Alter von 130 bis 150 Jahren noch ausreichend", sagt Weis.

Das sind Pflanzen, die im Boden stehen, bevor die Reblaus ihren Weg Anfang des 20. Jahrhunderts aus Amerika nach Europa schaffte und dort wütete. Seitdem werden in Europa Reben gepfropft, wurzelechte Reben, die der Reblaus widerstanden haben, sind eine Seltenheit geworden.

Christopher Loewen vom Weingut Carl Loewen ebenfalls in Leiwen kann auf dem elterlichen Weingut noch auf einige davon zurückgreifen. "Unsere Vermutung, warum die Reblaus nicht überall erfolgreich war, ist, dass die kargen Böden in den Steilterrassen dem Schädling nicht zusagte", sagte Loewen. Während Weis nur einen Teil der Produktion mit dem Begriff "Alte Reben" versieht, bemüht sich Loewen, so viel Weine wie möglich aus Pflanzen zu keltern, die meist nicht jünger als 60 Jahre sind.

"Mein Vater hatte das Glück, in den 70ern günstig viele Parzellen mit altem Bestand kaufen zu können, von denen die Besitzer meinten, der Ertrag sei nicht ausreichend", sagt Loewen. Seinem Vater sei jedoch früh aufgefallen, dass die alten Stöcke oft robuster seien, wenngleich sie früher gelbe Blätter entwickeln und weniger Trauben hervorbringen.

"Aber wir sehen nach all den Jahren, dass die alten Reben uns bessere Trauben liefern", fasst Loewen die Erfahrung der Winzer zusammen.

Denn wissenschaftlich untermauert ist davon nichts, weder die intensivere Versorgung mit Nährstoffen noch eine wie auch immer geartete stärkere Aromafülle. Im Gegenteil. Im Mai diesen Jahres präsentierte Manfred Stoll vom Institut für allgemeinen und ökologischen Weinbau an der Hochschule Geisenheim einem staunenden Fachpublikum beim Internationalen Riesling Symposium die Ergebnisse einer Studie, die den Einfluss des Rebenalters erforschen sollte. Dafür wurden Reben des gleichen Klons aus den Jahren 1971, 1995 und 2012 gepflanzt. Die Wissenschaftler fanden: Nichts. "Im dritten Versuchsjahr (...) konnten zwischen allen drei unterschiedlichen Pflanzjahren keine Unterschiede in den Qualitätsfaktoren mehr festgestellt werden", fasst die Studie zusammen.

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