Mode „Weiße Socken sind nie out“

Der Berliner Designer Michael Michalsky erklärt, was Mode und Butterbrote gemeinsam haben und warum Berlin mit New York konkurrieren kann.

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Der Designer Michael Michalsky Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Herr Michalsky, als Sie vor einem Jahr in Berlin die Winterkollektion präsentierten, die jetzt in den Läden zu kaufen ist, trugen Ihre männlichen Models weiße Socken, und die Hosen gingen gerade mal bis zum Knöchel. Haben wir was verpasst?

Michalsky: Offenbar. Ich habe mir gerade die Shows in Paris angeschaut – da gab es das auch. Wir wollten mit einem Augenzwinkern darauf anspielen, dass wir ein deutsches Label sind. Im Ausland heißt es ja oft, dass wir Deutschen so schlecht angezogen sind. Da haben wir halt versucht, ein wenig schlechten Geschmack auf guten Geschmack umzumünzen. Ich habe früher übrigens auch Hochwasserhosen getragen.

…und weiße Socken?

Auch weiße Socken. Schauen Sie: Sogar heute habe ich welche an.

Sie sind Trendsetter – andere müssen sich dafür blöde Sprüche anhören.

Kommt darauf an, welche Schuhe man dazu trägt.

Schwarze Lederschuhe?

Passt. Dann kommt es nur noch auf die Socke an. Es sollte natürlich keine Tennissocke aus dem Supermarkt sein. Aber eine ganz weiße, lange, schön feine kann gut aussehen. Weißer Gürtel dazu – ein ganz neuer Look!

Okay. Aber im kommenden Winter sind die schon wieder aus der Mode, nicht wahr?

Weiße Socken sind nie out. Genauso wie Brot nie out ist. Auch wenn Ärzte sagen, dass man nicht so viel Kohlehydrate essen soll.

Das stimmt auch.

Trotzdem isst man es.

Schmeckt ja auch gut.

Eben. Gleiches gilt für die weißen Socken.

Ihre Mode soll keine Kunst sein, sondern tragbar. Wie viele Menschen werden schwarze Lederhosen mit silbernen Schuhen tragen?

In meinem Bekanntenkreis bestimmt mehr als in Ihrem. Aber im Grunde geht es nur darum, zu zeigen, was in der Mode möglich ist. Ich mache nur Vorschläge. Kaum jemand wird ein ganzes Outfit vom Laufsteg kaufen. Das möchte ich auch gar nicht, es gäbe nichts Geschmackloseres. Ich entwerfe Einzelteile und zeige, wie man die kombinieren kann. Vielleicht fährt einer ja total auf die Silberschuhe ab oder auf die Lederhose und kombiniert sie mit den Sachen, die er schon im Schrank hat.

Sie behaupten, Ihre Mode greife nur auf, was Sie auf der Straße sehen. Welche Straßen sind denn dazu besonders geeignet?

Eigentlich alle, selbst auf dem Campus der Freien Universität, wo ich derzeit wohne. Da ist zwar nachts tote Hose, aber wenn ich tagsüber aus dem Fenster schaue, sehe ich alles. Erst recht auf dem Weg ins Büro. Weil überall Stau ist, habe ich auch genug Zeit, zu gucken.

Sie selbst sind auf Bildern fast ausschließlich in T-Shirt und Jeans zu sehen. Warum sollen sich Ihre Kunden aufwendiger kleiden?

Weil sie vielleicht in einem Beruf arbeiten, in dem das verlangt und eine gewisse Uniformität vorgegeben wird. Aber es gibt auch große Unterschiede bei Jeans und T-Shirt, da ist modischer Spielraum. Genau wie bei Wein. Den aus dem Tetra-Pack für 1,99 oder die Flasche für 1000 Euro. Ist aber erst mal nur Rotwein.

Was macht den Unterschied bei Jeans?

God is in the details. Es gibt auch Riesenunterschiede bei Butterbroten. Wenn das alles handgemacht ist, kann es großartig sein, bei industrieller Ware nicht so.

Sie wollen der Ralph Lauren Europas werden. Was fasziniert Sie so an ihm?

Er hat als Krawatten-Vertreter angefangen und es geschafft, einen ganzen Lifestyle zu kreieren – von Klamotten in allen Preislagen für alle Gruppen von Konsumenten über Parfüms bis hin zu Wandfarben. Niemand inszeniert das so toll wie Lauren, der damit schon sehr, sehr lange erfolgreich ist. Er hat ein Gesamtkunstwerk geschaffen, wie ein Theaterstück.

Ist es für Ihren Erfolg wichtig, in alle Lebensbereiche vorzudringen, so wie Lauren mit seinen Wohnaccessoires?

Ja, ich finde gutes Design hat nichts mit Geld zu tun und wenn man das kann, warum sollte man das nicht auf alles anwenden? Auch ein Grund, warum ich mit Mitch & Co mit Tchibo zusammengearbeitet habe.

Sie haben zumindest schon eine Box für eine Wodkaflasche gestaltet.

Warum sollte man das nicht auf alles anwenden? Etwa auch Fertiggerichte.

Fischstäbchen inspired by Michalsky?

Das nicht. Aber für mich ist Mode nicht nur, was wir anziehen, sondern auch wie wir leben. Ich habe lange in England gelebt und mich oft von qualitativ hochwertigen Fertigprodukten ernährt. Die Auswahl, die es in London gibt, für Menschen mit ganz unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, sucht man hier vergeblich. Da ich wie viele andere ein Single-Leben führe, bin ich aber sicher, dass die Erfolgschancen mit einem hochwertigen Produkt groß wären.

Diese Woche wird in Berlin bei der Fashion Week Ihre neue Kollektion für den Winter 08/09 zu sehen sein. Kritiker bemängelten, dass die großen Namen fehlen. Ihnen auch?

Es kommt immer darauf an, wie sie große Namen definieren. Es sind auf jeden Fall mal mehr als beim vergangenen Mal. Ich finde, die Leute sind da auch immer ein wenig ungeduldig. Als die Fashion Week in New York vor einigen Jahren begann, haben da auch nur vier Labels mitgemacht. Heute ist das eine Riesenshow in New York. Die Tendenz geht nach oben. Und in Berlin ist Dirk Schönberger mit Joop Men’s dabei oder Unrath & Strano.

Lokalhelden...

Das mit den internationalen Namen bringt auch nur was, wenn die hier eine Relevanz haben. Es gibt ausreichend deutsche Modeunternehmen, die international erfolgreich sind, die könnten ja auch hier ihre neuen Stücke zeigen. Puma, Escada, Rena Lange, Marco Polo, S’Oliver, Esprit, und, und, und. Die zeigen auch zweimal im Jahr Neuheiten, warum sollen die das nicht hier machen?

Hugo Boss beispielsweise kommt aber wieder nur mit der jungen Linie Hugo.

Die haben aber einen neuen Artdirector, Bruno Peters, und zeigen ihren Relaunch.

Würden Sie Ihre Entwürfe nicht lieber in New York zeigen oder in Mailand oder Paris?

Nein, wir deutschen Designer müssen mehr Selbstbewusstsein zeigen. Die Fashion Week in Berlin kann ganz groß werden. Die Lage ist gut, wir sind nah am Wachstumsmarkt Osteuropa, das passt.

Ihnen scheint Berlin ans Herz gewachsen zu sein.

Ja, Berlin ist eine geile Stadt – eine der besten in der Welt. München mag die Stadt des Konsums sein, Düsseldorf die der Konfektion, Berlin ist die des Designs. Ich kenne hier auch kaum Leute, die aus Berlin kommen. Das ist wie in New York, da kommen alle hin, haben einen Traum und arbeiten daran. Deswegen erinnert mich Berlin an New York: „If I can make it there, I’ll make it anywhere.“

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