Werner knallhart
CO2-Fußabdruck: Haustiere verderben Ihre Ökobilanz Quelle: dpa

Haustiere verderben Ihre Ökobilanz

Sie haben einen Hund oder finden Pferde süß? Dann müssen Sie jetzt ganz stark sein. Haustiere gelten mehr und mehr als Hobby für Egozentriker, denen die Zukunft egal ist. Denn sie verhageln Ihnen den CO2-Fußabdruck.

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Ich mag Tiere. Aber ich gebe zu: Ich bin froh, dass ich in meinem Leben bisher nicht über Wellensittiche, Neonsalmler und Hamster hinaus gekommen bin, was meine Haustierbilanz angeht. Denn heutzutage lassen sich Haustiere in den persönlichen CO2-Fußabdruck mit rein rechnen. Und das kann einen am Ende die ganze Ökobilanz verhageln.

Jetzt stellen Sie sich vor: Sie fahren so viel wie möglich mit dem Fahrrad und der Bahn, haben vielleicht sogar das Auto abgeschafft, Flugreisen kompensieren Sie durch Spenden an Atmosfair, die damit Umweltschutzprojekte unterstützen, die das durch Ihre Fliegerei anteilig verblasene Kohlendioxid exakt wieder einsparen. Und am Ende fragt Sie jemand:
„Und was ist mit Wuffi?“
„Wie, was ist mit Wuffi?“
„Ja, Wuffi. Hast du die Umweltbilanz eures Hundes etwa nicht bedacht?“

Bäng! Wären Sie Bundestagsabgeordnete der Grünen und hätten ein Pferd: dann gute Nacht. Denn: Wie ich gerade gelesen habe, hat die Schweizer Firma für Ökobilanzierung ESU-Services mal ausgerechnet, wie unterschiedliche Haustiere unserer Umwelt schaden: etwa durch den Transport, das Futter und die Fäkalien.

Und Pferde sind so gesehen eine Umweltkatastrophe. Sorry, aber Reitsportfreunde müssen jetzt ganz stark sein: Umwelttechnisch wären Pferde in der Wurst besser aufgehoben. Ist das nicht erschütternd? Wer ein Pferd hält, könnte stattdessen pro Jahr auch 21.500 Kilometer mit dem Auto fahren. Ich habe mal gerechnet: Das entspricht einer Strecke von Kapstadt nach Wladiwostok, also praktisch um die halbe Welt. Der Pferdehalter hätte der Umwelt damit genauso geschadet wie mit seinem Tier. Und dabei fahren wir im Durchschnitt nur gut 13.000 Kilometer mit dem Auto. Ajajaj, Naturfreunde sind nicht unbedingt Umweltschützer.

Katzenfreunde auch nicht. Eine Katze entspreche 1400 Autokilometern, sagen die Schweizer laut sueddeutsche.de. Das wäre in etwa von Frankfurt bis Stockholm. Die gleiche Strecke könnten Sie sich übrigens auch leisten, wenn Sie dafür Ihr Aquarium mit den 100 Zierfischen abschaffen.

Ein Hund haut laut ESU-Services pro Jahr sogar rein wie 3700 Kilometer mit dem Auto. Das entspricht in etwa einer Fahrt von Moskau nach Barcelona.
Wer dann den Hund auch noch mit hochwertigem Biofutter statt mit Billigfutter aus Schlachtabfällen (die bei der Fleischverwertung für Menschen ohnehin anfallen) satt mache, verderbe seine Ökobilanz sogar noch weiter. Dann wird der Hund so gesehen tatsächlich zum Auto.

Und da passt es ja ironischerweise perfekt, dass man nun auch in Berlin einen Hundeführerschein machen kann. Was ist das denn nun schon wieder? Nun, das Ganze resultiert aus der Erkenntnis, dass Hunde vor allem für Halter eine Bereicherung sind. Die oben erwähnte Umweltbilanz ist ja nicht der einzige Makel des Projektes „Ich habe einen Hund“. Da sind ja noch Themen wie Kot auf dem Gehweg und bundesweit literweise ausgeschüttetes Adrenalin, wenn gut gelaunt flanierenden Bürgern plötzlich nicht angeleinte fremde Hunde entgegen geschossen kommen, Motto: Der tut nix.

Dem wird nun etwa in Berlin begegnet mit dem Leinenzwang. Ab jetzt. 01.01.2019. Praktisch im ganzen Stadtgebiet. Motto: Der tut jetzt wirklich nix mehr.
Aus Hundehaltersicht lästig, aus Rücksicht auf alle anderen eine sehr nette politische Geste. Nun wären wir nicht in Deutschland, gäbe es nicht wieder diverse Ausnahmen. Aus Hundehaltersicht eine nette politische Geste, aus Sicht aller anderen ein hohes Blamage-Potenzial.
Kommt Ihnen nun in Berlin auf einer sonst menschenleeren Straße, einem unbelebten Platz oder einer Brache ein quietschfideler Dobermann ohne Leine entgegen gesprintet, dann könnte es gut sein, dass Ihnen der Halter mit Leine über der Schulter eine Reihe ganz neuer Motti entgegenruft:

Motto 1: „Das darf der. Ich halte den Hund schon seit der Zeit vor dem 22. Juli 2016.“
Tja, wenn der Hund schon vor Inkrafttreten des Berliner Hundegesetzes gehalten wurde (Stichwort Vertrauensschutz. Da kann man ja nicht plötzlich den Hund und den Halter aus der Routine reißen), darf der in unbelebten Gegenden tatsächlich frei rumlaufen.

Motto 2: „Das darf der. Ich bin vom Fach.“
Denn wenn der Hundehalter als sachkundig gilt, weil er etwa Diensthundeführer ist oder Tierarzt, dann darf der Dobermann in unbelebten Gegenden ohne Leine toben.

Motto 3: „Das darf der. Ich habe den Hundeführerschein.“
Solange die Gegend unbelebt ist, dürfen Hundehalter die Leine weglassen, wenn sie vorher einen Sachkundenachweis erbracht haben. Ernsthaft! Ich sag ja: Wie beim Auto. Nur ohne Nachtfahrt auf der Autobahn. Aber mit Theorie- und Praxisprüfung (zusammen rund 100 Minuten). Gehorcht das Tier und weiß der Halter was über das Wesen von Hunden generell und so weiter. Das Ganze für ungefähr 100 Euro.

Und was sind „unbelebte“ Straßen und Plätze? Während die Senatsverwaltung für Justiz Hundehalter online über praktisch jede FAQ aufklärt („Ich habe eine Sachkundebescheinigung eines anderen Bundeslandes. Wird diese in Berlin anerkannt? Ja…“), bleibt die Definition von „unbelebt“ dort offen. Ist eine Straße, auf der plötzlich ein Passant entgegenkommt, noch unbelebt? Eigentlich nicht. Demnach wäre die Ausnahme dann schon wieder nicht mehr einschlägig. Sobald einer um die Kurve kommt, muss der Hund an die Leine. Wie soll das gehen, wenn der Hund gerade irgendwo im entfernten Gebüsch herumstreunt?

Und so wird das Konfliktpotenzial auf die Bürger abgewälzt: „Hey, nimm den Köter an die Leine. Ich lebe.“

Ist das alles lächerlich? Wird Deutschland von den Ökos und Verbotsfanatikern kaputt gemacht?

Nun, wie war es früher? Da sind wir in Hundescheiße getreten und waren selber schuld, weil wir nicht aufgepasst haben. Da waren wir Angsthasen, wenn wir vor aufdringlichen Hunden Schiss hatten.
Heute haben Hunde eine Umweltbilanz und Hundehalter können einen Führerschein machen. Ich würde sagen, das ist das Resultat von nachdenken und gegenseitiger Rücksichtnahme.

Und deshalb sind die Ausnahmen vom Leinenzwang so, als würde man einigen Autofahrern das Parken vor Ausfahrten erlauben. Aber wer genau das darf, weiß nur das Ordnungsamt. Der einzelne Bürger weiß so nicht mehr, wer seiner Mitbürger sich auf seine Kosten nicht an die Regeln hält. Wer künftig auf einer unbelebten von einem fremden freilaufenden Hund im Schritt beschnüffelt wird, dem bleibt nichts anderes übrig, als darauf zu vertrauen, dass Berlin das in diesem Fall ausnahmsweise so will. Oder er muss die Polizei rufen und blamiert sich Zweifel: „Die Halterin hält den Hund nachweislich schon seit Dezember 2015 und Sie lassen uns hier anrücken. Haben Sie keine anderen Sorgen?“
Letztendlich bleibt dem gedemütigten Passanten am Ende nur noch zu sagen: „Aber zumindest versaut Ihr Hund Ihnen seit Jahren den persönlichen CO2-Fußabdruck. Ha!“

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