Winzer Günther Jauch "Wein verkaufen ist weniger glamourös als "Wer wird Millionär?""

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"Vom Wein als Anlageobjekt rate ich eher ab"

Im September hat Ihr Kollege Egon Müller einen Wein für mehr als 1000 Euro pro Flasche verkauft. Was halten Sie von Wein als Anlageobjekt?
Wir stellen eine sprunghaft gestiegene Nachfrage nach gereiften Weinen fest. Wir haben auf der gleichen Auktion unsere Spätlese immerhin komplett verkauft, für 100 Euro brutto die Flasche. Das finde ich schon gewaltig. Vom Wein als Anlageobjekt rate ich aber eher ab. Da müssen Sie ein absoluter Profi sein. Ansonsten bringt Sie eine Überschwemmung im Keller oder falsche Lagerung schnell um Ihr Vermögen.

Wie erklären Sie einem Laien, dass der Wein 100 Euro wert ist?
Weil Menschen den mit Recht als etwas Besonderes empfinden. In dem Fall war das so: Es gab sofort ein Bietgefecht, weil gleich mehrere unbedingt die ganze Partie haben wollten. Dann sollte ich wegen der hohen Nachfrage noch zusätzliche Flaschen in die Auktion geben. Das wollte ich aber nicht. Was selten ist, soll selten bleiben.

Bis zu welcher Grenze sind solche Preise objektiv nachvollziehbar?
Es gibt zwei Möglichkeiten der Erklärbarkeit. Das eine ist der Aufwand, der betrieben werden muss, um eine Flasche Wein zu erzeugen. Das ist natürlich relativ einfach zu berechnen. Was anderes ist es, zu würdigen, wie Wein schmeckt, wie Boden, Klima, die Arbeit im Weinberg und der Kellermeister etwas zu einem großen Wein beitragen. Wenn wir dann auch über Weine reden, die sich ihren Namen über Jahre verdient haben, dann greifen natürlich schwerer zu greifende Grundsätze, was die Preisgestaltung angeht. Das ist wie bei der Kunst: Am Ende glauben Sie an die Faszination von besonders bemalten Leinwänden oder eben besonders behandelten Traubensäften.

Weine, die über Jahrzehnte an Wert gewinnen, ein Weingut mit Jahrhunderten Geschichte – dabei kommen Sie aus dem flüchtigen Fernsehgeschäft. Haben Sie den Gegensatz bewusst gesucht?
Beim Fernsehen kriegen Sie den Erfolgsnachweis über die Quote ja sofort am nächsten Tag. Dann können Sie unmittelbar anfangen, die Stellschrauben zu drehen. Hier ist das allein durch die Vorgabe der Natur viel träger. Im Weingut bekomme ich maximal drei Mal im Jahr eine Quote: Wie ist die Ernte? Wie reift der Wein im Keller? Und wie nehmen die Menschen den Wein an?

Was ist erfüllender: ein Topjahrgang oder eine Topquote?
Fernsehen mache ich seit 40 Jahren, da kenne ich mich aus. Da habe ich vom großen Flop bis zu absoluten Dauerbrennern alles erlebt. Aber hier, wenn man mit der Natur zu tun hat, muss man einsehen, dass man an seine Grenze stößt. Ich habe hier vor sieben Jahren als völlig Ahnungsloser begonnen und schon gelernt, dass ich noch mal eine richtige Neugier entwickeln musste.

Ist Ihnen die Rückversetzung zum Lehrling schwergefallen?
Ich lerne ja immer noch. Hier ist jeder Tag etwas anders. Und sei es, dass meine Frau und ich wie Staubsaugervertreter mit unserem Köfferchen voller Weine über Land ziehen und die in der Spitzengastronomie vorstellen. Das ist natürlich weniger glamourös als „Wer wird Millionär?“.

… wobei es auch auf einer Art Bühne stattfindet …
Aber auf einer deutlich kleineren. Und der Applaus kommt zeitversetzter. Dort ist es eine Form von Erfolg, wenn man feststellt: Unsere Weine sind begehrt.

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