Linke plant Abschaffungs-Initiative SPD in der Betreuungsgeld-Falle

„Für Kitas statt Betreuungsgeld“ hieß ein Wahlkampf-Slogan der SPD. Nach der Wahl rückt die Partei davon offenbar wieder ab. Die Linke will das nicht akzeptieren und plant, das Gesetz im neuen Bundestag zu kippen.

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Mit diesen Plakaten waren Anhänger der Jusos Ende vergangenen Jahres bei einer Aktion gegen das Betreuungsgeld vor dem Bundestag gezogen. Quelle: dpa

Berlin Selten war ein Thema in einem Bundestagswahlkampf so umstritten wie das Betreuungsgeld. Und selten war sich die Opposition so klar darin einig, diesen von der Union ab 1. August 2013 eingeführten „wichtige Beitrag zur Wahlfreiheit“ der Eltern, nach der Wahl so schnell wie möglich wieder abzuschaffen.

Theoretisch wäre das auch möglich, denn nach dem Abgang der FDP aus dem Bundestag hat die Union keine Mehrheit mehr im Bundestag. Sie ist auf einen Koalitionspartner angewiesen. Und allem Anschein nach strebt sie eine Koalition mit der SPD an. Das erfordert jedoch beiderseits Kompromisse. Einer könnte lauten: Das Betreuungsgeld bleibt.

In diese Richtung äußerte sich jedenfalls der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs. Noch vor den geplanten Sondierungsgesprächen mit der Union rückt er vom kategorischen Nein seiner Partei zum Betreuungsgeld ab. Eine Koalition setze voraus, „dass der eine Partner auch die Herzensanliegen des jeweiligen anderen Partners akzeptiert“, sagte Kahrs der „Leipziger Volkszeitung“.

Über das von der CSU vorangetriebene Betreuungsgeld könne man miteinander reden. „Das ist ja Gesetz.“ Man müsse Kompromisse finden. „Ich glaube nicht, dass man die CSU so gegen die Wand kacheln lassen kann. So falsch das Ding auch ist“, argumentierte der Bundestagsabgeordnete.

Die Linkspartei reagierte mit großer Empörung. „Ich warne die SPD vor dem nächsten Wahlbetrug“, sagte Parteichef Riexinger Handelsblatt Online. Die Plakate mit dem Nein zum Betreuungsgeld hingen vielerorts noch an den Laternen. „Ja zu Ministersesseln, nein zu Inhalten, so geht es nicht, und das verstehen die Wähler auch nicht.“

Worauf Riexinger anspielt, ist der Umstand, dass die SPD im Wahlkampf noch angekündigt hatte, das vor allem von der CSU forcierte Betreuungsgeld-Gesetz wieder abzuschaffen und die Ausgaben von zwei Milliarden Euro direkt in den Kita-Ausbau zu investieren. Die Grünen machten sich im Wahlkampf ebenfalls für die Abschaffung der familienpolitischen Leistung stark und plädierten stattdessen für die Ausweitung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung.


„Fiese Tricksereien und parteipolitische Zockereien“

Linke-Chef Riexinger forderte SPD und Grüne vor diesem Hintergrund auf, die gemeinsame Mehrheit im Bundestag zu nutzen, um das Betreuungsgeld abzuschaffen. „Im Parlament steht es 319 zu 311 Sitzen gegen das Betreuungsgeld. Es kann zum 1. Januar 2014 Geschichte sein“, sagte Riexinger. „Und genau das werden wir im neuen Bundestag beantragen, noch bevor die neue Regierung steht. So einfach lassen wir die SPD nicht aus der Verantwortung.“ Ähnliches plant die Linke auch beim Mindestlohn. Das Zeitfenster bis zur Bildung einer Regierung soll demnach genutzt werden, um einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn durchzusetzen.

Dass es zu solchen Aktionen kommen könnte, befürchtet der bayrische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer. In der „Bild am Sonntag“ warnte er SPD und Grüne mit scharfen Worten davor, auf das Angebot der Linkspartei einzugehen und in der Zeit ohne neue Regierung mit rot-rot-grünen Mehrheiten im Bundestag etwa das von der CSU gewünschte Betreuungsgeld abzuschaffen oder einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. „Das sind so fiese Tricksereien und parteipolitische Zockereien, von denen die Deutschen nichts, aber absolut nichts halten.“

Dennoch ist nicht ausgeschlossen, dass viele Sozialdemokraten Sympathie für ein solches Vorhaben hätten. Erst am Freitag schloss die SPD-Familienexpertin Kerstin Griese eine Koalition aus, die das Betreuungsgeld weiter trägt. „Die SPD wird keine Koalition eingehen, in der das Betreuungsgeld in seiner jetzigen Form weiterbesteht“, sagte Griese der „Rheinischen Post“.

Was Griese sagt, entspricht eins zu eins der SPD-Position im Wahlkampf. Die Sozialdemokraten haben dazu sogar im August einen bundesweiten Aktionstag unter der Überschrift „Für Kitas statt Betreuungsgeld" veranstaltet.

In ihrem Grußwort erklärte die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles damals: „Unser Ziel ist klar: Abschaffung des Betreuungsgeldes und Investition der frei werdenden Mittel in mehr und bessere Bildung und Betreuung. Unter anderem wollen wir bis zu 200.000 zusätzliche Plätze schaffen, bundesweit verbindliche Qualitätsstandards einführen und schrittweise die Elternbeiträge für Krippen und Kindergärten abschaffen. Kitas statt Betreuungsgeld – das unterscheidet uns so deutlich wie in kaum einem anderem Punkt von Schwarz-Gelb.“

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