Lufthansa und Co. umwerben Premium-Kunden Die Renaissance der ersten Klasse

Die Airlines setzen wieder auf die First Class. Das Luxus-Angebot über den Wolken wächst und es ist exklusiver als je zuvor. Die A380 hat viel Spielraum – manchmal auch für ein kleines „Eigenheim“ auf 10.000 Metern Höhe.

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Die Airlines der Golfstaaten gehören zu den Protagonisten des neuen Luxus über den Wolken. Quelle: ap

Hamburg Der Neidfaktor ist enorm. Kaum jemand kann sich beim Boarden eines Langstreckenflugs dem Drang entziehen nach denen zu schielen, die als Erste den Flieger besteigen – ganz links, durch einen eigenen Gang, an dem First Class steht. Globales Reisen mag Alltag geworden sein, die erste Klasse hat sich ihre Aura von geheimnisvollem Luxus bewahrt.

Und die Airlines tun eine Menge dafür, dass es so bleibt. Sie schotten ihre besondere Klientel vom Fußvolk ab, am Boden und in der Luft. Dabei schien die First spätestens nach der letzten Finanzkrise 2008 eine sterbende Spezies zu sein. Firmen strichen ihren Top-Managern die teuren Tickets, Carrier auf einigen Strecken gleich das gesamte Segment. Doch inzwischen erlebt das Reisen erster Klasse eine Renaissance.

Die Gründe dafür sind vielfältig. So stellt die Internationale Luftverkehrs-Vereinigung IATA fest, dass im laufenden Jahr das Angebot in der Premiumklasse im Vergleich zu 2014 global um gut zwei Prozent gewachsen ist. OAG, ein englischer Dienst für Luftfahrtdaten, ermittelte sogar einen Anstieg um ein Drittel seit 2009.

Doch es gibt regional starke Unterschiede. So schrumpften die Märkte Südamerika und Afrika stark, den höchsten Anstieg bei Premiumtickets mit gut zwölf Prozent gab es innerhalb Ostasiens. Europäische, US- und die reichen Airlines der Golfstaaten haben ihre First vor allem auf den Rennstrecken der Nordhalbkugel ausgebaut, auf anderen Routen wurde sie ganz eingestellt.

Zahlen, die nicht immer viel aussagen, denn der fundamentale Relaunch - der auch durch die immer bessere Businessclass nötig wurde, um den höheren Preis der First noch zu rechtfertigen - zeigt sich weniger quantitativ als qualitativ: Air France, British Airways und Lufthansa reduzierten zwar die Anzahl der Sitze in der Ersten, nicht aber den Raum, und steigerten so den Komfort.

Die erste Klasse präsentiert sich deutlich exklusiver als je zuvor. Das hat viel mit der Einführung des Airbus A380 zu tun. Der Riesenrumpf des größten Flugzeugs in der Geschichte der Zivilluftfahrt bot den Airlines den Raum, für ihre zahlungskräftigsten Kunden alle Annehmlichkeiten einzubauen, die ihnen wichtig erschienen – mit höchst unterschiedlichen Ergebnissen.


Holz, Leder und Goldrahmen-Monitore

Singapore Airlines führte mit dem ersten ausgelieferten A380 überhaupt gleich eine neue Benchmark ein und siedelte ihre „Suites“ noch über der First an. Die mit Schiebetüren abtrennbaren Kabinen mit viel Holz und Leder sind noch immer State of the Art für Privatsphäre an Bord. Andere setzen auf kühle Farben und nüchterne Formensprache (Air France, British Airways, Korean) oder besonders barockes Ambiente mit Goldrahmen-Monitoren und Tischlämpchen (Emirates).

Die Konfiguration ist fast immer 1-2-1, nur Qantas verbaut pro Reihe lediglich drei Sitze, die auch noch schräg gestellt werden können und so den Platz pro Passagier erhöhen. Dazu kommen Skybars, in denen man Cocktails schlürft (bei Etihad oder Qatar), Emirates baute sogar Duschen ein.

Die Doppeldecks der A380 geben weiteren Spielraum. Doch Carrier, die ihre Erste da ansiedeln, wo sich das Gros der Kunden selbst wähnt, nämlich oben (unter anderem Qatar, Etihad, Thai oder Lufthansa), haben weniger Platz zur Verfügung als die, die sie im breiteren Hauptdeck unten haben (wie Qantas, British Airways und Singapore). Bei allen Flugzeugtypen teilen die Airlines verschieden große Bereiche des Rumpfs für die First ab, die acht bis vierzehn Sitze beherbergen, bei Lufthansa im aufgemöbelten Jumbo sogar jeweils mit separatem Bett.

„Unsere First ist ein Gesamtkunstwerk“, sagt Joachim Schneider, Leiter Produktmanagement bei Deutschlands größter Fluggesellschaft, „erst alle Details zusammen machen das Erlebnis aus.“ Lufthansa, deren First-Sitze von Vielfliegern früher oft als veraltet bemäkelt wurden, bekommt heute Top-Bewertungen. Viel Geld nahmen die Lufthanseaten in die Hand, befragten ihre Kunden, drehten an allen Stellschrauben für Funktionalität und Design.

Neue Sitze, jeder mit eigenem Garderobenschrank, Trennwände, die aus dem Ambiente einer Lounge auf Wunsch einen Rückzugsort machen, eine eigene Schallisolierung, damit das Zischen der Espressomaschine nicht stört, und, weltweit einzigartig, eine Luftbefeuchtungsanlage, um das Wohlbefinden zu erhöhen – all dies macht die 85 Erste-Klasse-Flieger der Lufthansa zur größten Flotte, denen das Airline-Portal Skytrax fünf Sterne verleiht, worauf Schneider sichtlich stolz ist.


Lounges sind Aushängeschilder der Airlines

Kein Detail bleibt unbeachtet. Bei den Annehmlichkeiten an Bord, „amenities“ genannt (vom Pyjama bis zum Vanity Kit), dürfen es Bulgari und Bogner sein, Flugbegleiter werden eigens für die Top-Kundschaft ausgebildet. Auch beim Catering lassen sich die Fluggesellschaften nicht lumpen. Kaviar, Hummer, Champagner und ein breites Sortiment erlesener Weine gehören inzwischen zum Standard, diniert wird nur, wann der Passagier es wünscht. Berühmte Chefs stellen die Speisenfolge zusammen, die Airlines variieren ihre Menüs in raschem Wechsel. Und das Angebot des Verwöhnprogramms setzt sich am Boden fort.

Die First-Class-Lounges der Heimatflughäfen sind keine Wartehallen mehr, sondern mit Spas und Restaurants die Aushängeschilder der Carrier, die jedes Jahr um die Top-Rankings der internetaffinen und äußerst auskunftsfreudigen Kunden buhlen, die nicht mal ein Prozent des globalen Passagieraufkommens ausmachen.

Die Lounge von Thai Airways in Bangkok (1. Platz bei Skytrax) ist so weitläufig wie eine Hotellobby und kuschelig wie ein Wohnzimmer. Die von Qantas in Sydney besticht mit utopischem Design (beste Lounge bei Design Air). Lufthansa hat für seine Erste-Klasse-Gäste gar ein eigenes Terminal in Frankfurt mit Passkontrolle, Sicherheitsschleuse und Limousinentransfer direkt zum Flieger. Kein First-Class-Passagier der Lufthansa kommt mehr mit dem gemeinen Flugvolk in Kontakt.

Es steht außer Frage, dass es vor allem die aggressiven Golfstaaten waren, die ihre Airlines als Gateway zu einem modernen Nahen Osten sahen und daher Managern und Investoren die Anreise dahin so angenehm wie möglich gestalten wollten. Sie gehören noch immer zu den Protagonisten des neuen Luxus über den Wolken, dem die Konkurrenz nacheifert.

Wie weit das gehen kann, zeigt Etihad. Seit kurzem kann man zwischen London und Abu Dhabi die Drei-Zimmer-Suite „The Residence“ buchen, mit eigenem Schlafzimmer und Bad. 11,6 Quadratmeter Eigenheim auf zehntausend Metern Höhe für schlappe 17.200 Euro – one-way.

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