Luftverschmutzung Giftige Wolken über Südostasien

Für Palmölplantagen werden in Indonesien riesige Waldflächen abgebrannt. In diesem Jahr könnten die Schadstoffwerte alle bisherigen Negativrekorde brechen. Die Nachbarstaaten leiden mit und sind empört.

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Straßenszene in Palembang auf der Insel Sumatra. Waldbrände, meist ausgelöst durch Brandrodung, verpesten die Luft. Quelle: AFP

Singapur Seit Wochen schon entscheidet vielerorts in Südostasien der Wind über den Alltag. Weht er aus der falschen Richtung, werden Flüge gestrichen, Schulen geschlossen, Sportveranstaltungen abgesagt. Schuld daran sind die Waldbrände in Indonesien, die die ganze Region mit giftigen Rauchschwaden verpesten. Meist ist der Grund dafür Brandrodung.

Lange ertrugen Malaysia, Singapur und Thailand den alljährlich wiederkehrenden Dunst, der in den Augen brennt, die Kehle reizt und Erkrankungen der Atemwege verursacht. Doch mit der vornehmen Zurückhaltung ist es vorbei – inzwischen fallen deutliche Worte.

„Wir alle sehen es, atmen es ein, und es gibt kein Entkommen“, schrieb Singapurs ehemaliger Premier Chok Tong auf Facebook. „Indonesien muss sich an seine Verpflichtungen halten“, betont Reuben Wong, ein Politikwissenschaftler an der Nationaluniversität Singapur. „Die Länder der Region haben es satt, dass Indonesien das nicht besser koordiniert.“

An manchen Tagen ist die Dunstglocke so schlimm, dass die schimmernden Skylines von Singapur und Kuala Lumpur im rauchigen Grau versinken. Mehr als 7000 Schulen auf der Malaiischen Halbinsel wurden am Montag und Dienstag geschlossen, rund vier Millionen Schüler mussten zu Hause bleiben. Vergangene Woche wurden 15 Finalrennen des Schwimm-Weltcups in Singapur abgesagt. Auch Touristen bleiben aus.

Rauchschwaden wie Winternebel

Wissenschaftler warnen, die Luftverschmutzung könnte dieses Jahr noch schlimmer werden als 1997. Damals erreichten die Schadstoffwerte Rekordstände – die Umweltkatastrophe kostete Schätzungen zufolge Gesundheitssystem und Wirtschaft umgerechnet acht Milliarden Euro. Besonders dicke Rauchschwaden ähneln winterlichem Nebel, enthalten jedoch winzige Aschepartikel, die vor allem Älteren, Kindern und Menschen mit chronischen Herz- und Lungenleiden gefährlich werden.

Nach Auskunft des Indonesischen Institutes für Luft- und Raumfahrt brennen insgesamt 1687 Feuer auf der Insel Sumatra und in der Provinz Kalimantan: Sumatra liegt parallel zur westlichen Küste Malaysias und gegenüber von Singapur, Kalimantan grenzt auf der Insel Borneo an die malaysischen Bundesstaaten Sarawak and Sabah. Manchmal trägt der Wind den Rauch auch weit nach Norden über Malaysia bis in den Süden Thailands.

Die Schuldigen sind bekannt: Alljährlich brennen große Konzerne Wälder ab, um den Moorboden für Papierzellstoff- und Palmölplantagen zu nutzen. Im vergangenen Jahr erzielten Ölpalmen in Indonesien Erträge von umgerechnet 16,5 Milliarden Euro.

„Für sie ist das Abbrennen des Waldes die schnellste, billigste und profitabelste Methode, anstatt es mit schwerem Gerät zu roden", sagt Raffles Brotestes Panjaitan, Direktor für Waldbrandkontrolle beim indonesischen Ministerium für Umwelt und Forstwirtschaft. „Unsere Gesetze sind klar – keine Brandrodung – doch sie verstoßen um des Profits willen dagegen.“ Brandrodung vor allem auf Torfböden und der Mangel an Niederschlägen infolge von El Niño machten die Brände in diesem Jahr schlimmer, so der Fachmann: Der brennende Waldboden wirke wie ein riesiger schwelender Ofen mit Kohleflözen bis in zehn Meter Tiefe.


Ohne Gefühl für Verantwortung

Nach indonesischen Regierungsangaben laufen Ermittlungen gegen mehr als 191 Einzelpersonen und 47 Unternehmen. Einer Firma wurde demnach die Lizenz entzogen, bei drei anderen wurde sie ausgesetzt, 72 Menschen wurden festgenommen. In sechs Provinzen seien 22.146 Soldaten, Polizisten und Feuerwehrmänner im Einsatz, Flugzeuge bekämpften die Brände aus der Luft und versuchten mit dem Abwurf von Chemikalien, Niederschläge zu erzeugen. Weitere 6000 Soldaten sollen folgen.

Zwar versprach Indonesien im September 2014 in einem regionalen Abkommen, Maßnahmen zu ergreifen oder für die Auswirkungen des giftigen Rauches zu haften. Jedoch betont Präsident Joko Widodo, der Smog sei „kein Problem, das man schnell lösen kann. Sie werden bald Ergebnisse sehen, und in drei Jahren werden wir es gelöst haben“.

Schockierende Aussage

Vizepräsident Jusuf Kalla sorgte für diplomatische Verstimmung mit der Aussage, die Nachbarländer „genießen schon elf Monate saubere, frische Luft aus Indonesien“ und sollten sich nicht wegen eines Monats Dunst beschweren. Kabinettsminister K. Shanmugam aus Singapur fand dies schockierend: „Wie können führende Regierungsmitglieder so etwas von sich geben, ohne Rücksicht auf ihr Volk, oder unseres, ohne Verlegenheit oder Gefühl für Verantwortung?“, schrieb er auf Facebook.

In Malaysia schlug die stellvertretende Ministerin Chew Mei Fun vor, finanzielle Entschädigung von Indonesien einzufordern. Malaysische Straßenhändler hätten in einem Monat Einbußen von 30 Prozent erlitten. „Es ist lächerlich, dass sie dieses Problem nicht lösen“, sagte sie der nationalen Nachrichtenagentur Bernama. „Die Kinder können nicht in die Schule gehen. Gleichzeitig möchte keiner Malaysia besuchen.“

Doch auch die Nachbarn selbst tragen Verantwortung: Manche der Palmölplantagen, die Brandrodung betreiben, gehören nach Recherchen des Zentrums für internationale Forstwissenschaft CIFOR Konzernen aus Malaysia und Singapur. „Es gibt keine einfachen Lösungen“, sagt Heng Yee Kuang, Dozent für Internationale Beziehungen an der Lee Kuan Yew School of Public Policy in Singapur. „Wir brauchen bessere Informationen, wer diese Waldbrände verursacht.“

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