Psychologie Das Geheimnis der Autorität

Wenige haben sie, alle wollen sie. Nie war es schwieriger als heute, Autorität zu erlangen – und sie zu behalten.

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Drei Paviane im tierpark Quelle: dpa

Wie bleibt in der Hierarchie oben, wer oben ist? Durch "soziale Intelligenz und psychologisches Geschick", sagt Robert M. Sapolsky. Der Professor aus Stanford hat Aufstieg und Fall vieler autoritärer Charaktere erlebt. Salomon, Nebukadnezar und wie sie alle hießen. "Um seine Autorität und damit seine Macht zu festigen, muss der Chef wissen, mit wem er Koalitionen schmieden sollte. Und von wem er sich besser fernhält."

So beschreibt der Forscher das Erfolgsgeheimnis der Führungspersönlichkeiten, die er genauestens beobachtet hat. Ein besonders wichtiges Element sei auch die Impulskontrolle: "Den anderen einfach ignorieren, wenn die Angelegenheit nicht wirklich wichtig ist – auch das schafft Autorität."

Sapolsky ist Neurobiologe. Und seine Einsichten ins Wesen der Autorität erlangte er in Kenia, bei einer Pavianhorde. Der Forscher hat es nicht beim distanzierten Beobachten belassen, sondern wurde über die Jahre ein anerkanntes Mitglied der Affenbande. In seiner Autobiografie Mein Leben als Pavian schildert er ihre Machtspiele und die Rollenverteilung über viele Affengenerationen hinweg – Buddenbrooks für Primatologen.

Autorität wird in Politik, Familie und Fußballplatz gesucht

Die Paviane Salomon, Nebukadnezar, Deborah, Naomi und Aaron haben Sapolsky die Augen für wiederkehrende Verhaltensmuster geöffnet. Denn wie alle sozialen Wesen müssen auch die Affen eine Hackordnung festlegen. Und wer nach oben kommen will, braucht vor allem eines: Autorität.

Doch was ist die Basis dieser geheimnisvollen Eigenschaft? Wer verfügt über Autorität? Und wie erlangt man sie? Diese Fragen stellen sich nicht nur in der Pavianhorde, sondern ebenso in der Politik, am Familientisch, in der Schule oder auf dem Fußballplatz. Und Antworten sind heute schwieriger zu finden denn je.

Einerseits wünschen sich die Menschen in einer unübersichtlicher werdenden Welt nichts sehnlicher als überzeugende Führungsfiguren, die ihnen Weg und Richtung weisen. Andererseits begegnet der aufgeklärte Bürger spätestens seit 1968 jeder vermeintlichen Autoritätsperson mit grundsätzlichem Misstrauen. Wir wollen an die Hand und zugleich ernst genommen werden, wir wollen Führung und Basisdemokratie – und wundern uns, dass diesem unmöglichen Anspruch so gut wie keine Respektsperson genügen kann.

Autorität ist unter solchen Umständen zu einem schwierigen Spagat geworden. Politiker, Vorstandsvorsitzende oder Lehrer sollen bitte schön Führungsstärke zeigen, aber bloß nicht autoritär daherkommen. Gerne sind wir zur Heldenverehrung bereit (Beispiel Barack Obama), aber wenn der Held nicht umgehend unsere Erwartungen erfüllt, wenn er keinen Erfolg hat, lassen wir ihn bereitwillig fallen. In der modernen Gesellschaft, so scheint es, ist Autorität immer nur vorübergehend und auf Abruf möglich.

Wer Autorität erringen und bewahren möchte, muss viele, manchmal widersprüchliche Anforderungen erfüllen. Da wären zunächst jene reflexhaften Erwartungen, die evolutionsbiologisch in unserem Erbe stecken: Größe, Körperbau und energisches Auftreten beeindrucken den Homo sapiens heute noch ebenso sehr wie in der Steinzeit.

Experimente zeigen, dass wir bei einer Begegnung schon in den ersten Sekundenbruchteilen nach diesen äußeren Autoritätsmerkmalen Ausschau halten. US-Psychologen haben statistisch nachgewiesen, dass große Menschen beruflich erfolgreicher sind und bei Wahlen dynamische Kandidaten bevorzugt werden. Männern verschafft höheres Alter einen Autoritätsbonus, Frauen profitieren von kürzerem Haar. Ebenfalls von Vorteil sind kräftige Stimme und gepflegte Sprache.

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