Macht & Psychologie Die Waffen der Intriganten

Wie Machtspiele in Büros und Chefetagen funktionieren, analysiert die Psycholgin Regina Michalik in ihrem Buch „Intrige“. In einem exklusiven Auszug stellt sie die vier wichtigsten Werkzeuge von Intriganten vor.

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Physische Gewalt als Intrigenwerkzeug: zum Beispiel durch den Miethai Quelle: Stefan Körber/Fotolia

Nicht alle Intrigenwerkzeuge kann ich hier erläutern; eine Enzyklopädie war nicht vorgesehen vom Verlag. Aber vier Kategorien von Intrigenwerkzeugen und die Breitbandmethode der Tarnung stelle ich Ihnen vor.

Denn wenn Sie versuchen, eine Intrige zu entdecken, sollten Sie eine möglichst große Bandbreite an Werkzeugen im Kopf parat haben. Die klassischen wie Dolch, Schwert und Gift sind tendenziell vom Aussterben bedroht, von einigen regionalen und kulturellen Nischen einmal abgesehen. So spielt das Schwert in Japan noch eine Rolle – Harakiri als Methode, sich der beruflichen Verantwortung zu entziehen; Gift wurde in der Ukraine vor wenigen Jahren noch im Kampf um die politische Macht eingesetzt, der damalige Präsidentschaftskandidat Viktor Juschtschenko ist noch heute von diesem Anschlag gezeichnet. Aber über Jahrhunderte hinweg hat sich doch die Wahl der Tatwerkzeuge verändert, im realen Intrigenleben wie in der E- und U-Kultur. Gleich geblieben sind aber noch die zur Verfügung stehenden Kategorien an Werkzeugen.

Physische Gewalt als Intrigenwerkzeug gibt es immer noch

Physische Gewalt, die erste Kategorie an Intrigenwerkzeugen, gibt es immer noch; das potentielle Strafregister für Täter umfasst den Giftanschlag, Körperverletzung, Entführung, Sachbeschädigung und Diebstahl. Nur bedingt strafrechtlich relevant, aber dennoch gewalttätig ist es, wenn böswillig Heizung oder Wasser abgestellt werden, Müll vor die Tür gekippt oder virtuelle Viren und Würmer in den Computer eingeschleust werden. Der Trojaner ist hier immer noch aktuell, nicht nur zu Pferde. Physische Gewalt ist zwar seltener geworden; aber man findet sie immer noch, unter Miethaien und Immobilienmaklern, in Eigentümergemeinschaften und auch in manchen Betrieben. Angst und Schrecken werden erzeugt durch „versehentliches“ Einsperren des Opfers im Betrieb oder im Keller, durch Ekel oder Angst auslösende Dinge wie Spinnen oder Geräusche etc., alles um Mitarbeiter zu zermürben. Gängiger und moderner sind subtilere und unsichtbarere Methoden; der moderne Dolch ist nicht mehr aus Metall, das moderne Gift nicht aus der Apotheke. Noch relativ unbekannte, für das Opfer neue Methoden sind äußerst wirksam, wie beispielsweise Cybergewalt, Gewalt durch elektronische Werkzeuge. Sie liegt im Übergang zur zweiten Kategorie:

Klassiker: Anonyme Briefe, Erpressung, Schikane und Sabotage

Regina MIchalik: Intrige; erschienen im Econ-Verlag, Februar 2011, 304 Seiten, 18 Euro

In der zweiten Kategorie, der psychischen Gewalt, finden wir immer noch die alten Klassiker: den anonymen Brief wie die Erpressung, Schikane und Sabotage, lächerlich machen und Druck ausüben. Manches wird heutzutage moderner bezeichnet, gern englisch, so wie die Face Threatening Acts (FTA), also wenn Opfer das Gesicht verlieren; und es gibt einige Trendvariationen wie Mobbing oder Stalking, noch moderner auf dem elektronischen Weg. So findet Stalking inzwischen auch per Internet statt, genauso wie Verunglimpfung, Drohung, Erpressung, Nötigung etc.

Gerade bei Stalking zeigt sich, wie schwer sich physische und psychische Gewalt voneinander abgrenzen lassen: Wenn der Stalker unvermutet direkt vor der Gestalkten steht, nachts im Hausflur, auf der Straße oder allein im Betrieb, so ist zumindest die empfundene Bedrohung auch eine physische, auch wenn der Stalker „nur“ dasteht.

Allgemein geht der Trend zu Werkzeugen, die gut wirken, aber möglichst wenig Spuren hinterlassen am Tatort. Das ist besonders bei der dritten Werkzeugkategorie der Fall, den (scheinbaren) Belohnungen: Lob und Preise, Anerkennung und Auszeichnungen können Intrigenwerkzeuge sein, wenn sie falsch sind, von der falschen Seite kommen oder zur falschen Zeit. Der als unfähig angesehene sogenannte Fachmann schreibt einen Empfehlungsbrief, die Politikerin, deren Anträge noch nie angenommen wurden, tritt auf der Versammlung öffentlich für einen Kandidaten ein, die Soziologin wird zum Vorwort in einer Festschrift für den umstrittenen Professor gebeten, der Konkurrent wird rechtzeitig weggelobt. Wer diese Werkzeuge gezielt, geplant und gekonnt einzusetzen vermag, ist schon fortgeschritten in der Kunst der Intrige. Zur Basiskompetenz gehört bereits das »Tot-Loben« – also eine demonstrative, vermeintlich positive Sonderbehandlung, die im Rahmen von Mobbing bekannt und beliebt ist und in Intrigen als ein Werkzeug eingesetzt wird. Hier wird die vom Chef Gelobte Opfer von Neid, Kritik und Spott ihrer Kollegen.

Lob engt Freiheit ein. »Gegen Kritik kann man sich wehren, gegen Lob ist man machtlos«, meinte schon Sigmund Freud. Es ist ein hervorragendes Intrigenwerkzeug, »tückisch, weil es so unschuldig daherkommt«

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