Da verkündet Renate Künast die Forderung der Grünen zur "geschlechtergerechten Besetzung von Aufsichtsräten" - und erst vergangene Woche meldete sich der Verband deutscher Unternehmerinnen zusammen mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopres mit einem ähnlichen Ansinnen zu Wort. Im Monat zuvor drohte EU-Kommissarin Viviane Reding mit dem Finger: Sie will Mindestquoten für Frauen in Aufsichtsräten ab 2011, wenn bis dahin kein deutlicher Anstieg des Frauenanteils im Management gemessen wird.
Diese Ideen sind allesamt löblich, doch das immer im gleichen Atemzug genannte Ziel "mehr Frauen in Führungspositionen!" wird mit dem einäugigen Schielen auf die Räte nicht erreicht. Ein Sitz im Aufsichtsrat ist keine Führungsposition, sondern eine Kontrollfunktion. Wir haben in Deutschland qua Gesetz ein zweiteiliges System: Geführt wird im Vorstand. Der Aufsichtsrat berät und überwacht diese Führung.
Wer mehr Damen in der operativen Chef-Funktion sehen will, muss Frauen also nicht für die Ratsebene, sondern für die Vorstände qualifizieren, denn da wird wirklich entschieden, da werden Strategien beschlossen und Märkte gemacht.
Enttäuschte Hoffnung
Leider ist auch das immer wieder häufig genannte Musterbeispiel Norwegen irreführend. Da gibt es eine Frauenquote von 40 Prozent für die Aufsichtsräte. Die Hoffnung, darüber die Zahl der Frauen im operativen Top-Management dramatisch beeinflussen zu können, erfüllt sich indes nicht: Selbst in den emanzipiertesten Gesellschaften der Welt dümpelt die Frauenquote in den aktiven Vorstandspositionen bei rund 15 Prozent – viele der höher aussehenden Zahlen aus Skandinavien verwirren, weil auch sie "non-executive board members", also kontrollierende Aufsichtsräte mit "executive board members" zusammenwerfen, also tatsächlich operativ führenden Vorständen.
Was ich meine, verdeutlicht ein Beispiel aus Großbritannien. Die 20 größten börsennotierten Unternehmen beschäftigen 141 "non-executive board members", davon sind 33 weiblich. Der Frauenanteil der Kontrolleure liegt also bei tollen 23 Prozent. Dieselben Unternehmen haben 158 "executive board members", davon sind 22 weiblich. Frauenanteil im operativen Topmanagement: 14 Prozent.
Ich bin absolut für mehr Frauen in Führungspositionen, aber gesetzliche Quoten für Aufsichtsgremien produzieren nicht automatisch mehr weibliche Topmanagerinnen. Eigentlich kann die Sache nur umgekehrt funktionieren: Die für eine Kontrollfunktion erforderlichen Kompetenzen können nur in einer aktiven Entscheiderrolle aufgebaut werden. Ein substanzieller Frauenanteil in der ersten und zweiten Führungsebene wäre daher extrem wünschenswert – tatsächlich sind laut einer Erhebung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung von den 833 Vorständen der 200 größten deutschen Unternehmen aber nur 21 weiblich - das sind drei Prozent. Es wäre hoch an der Zeit, da anzusetzen.
Seltsame Blüten
Stattdessen führt der Hype um Frauen im Aufsichtsrat nicht zu mehr weiblichen Topmanagern, sondern nur zu seltsamen Blüten. Vergangene Woche sagte mir eine auf Baurecht spezialisierte Juristin, mittelfristig sehe sie sich auch als Aufsichtsrätin. Dieser Ehrgeiz ist eindrucksvoll, aber auch Frauen brauchen für die Ratsrolle spezifische Kompetenzen. Gerade Juristinnen sollten mit den rechtlichen Konsequenzen vertraut sein, die das Gesetz für stümperhafte Kontrolleure börsennotierter Gesellschaften vorsieht.
Insgesamt wäre es hilfreich, wenn die ganze Diskussion künftig etwas nüchterner geführt würde. In den Unternehmen – die die Frauen ja qualifizieren und beschäftigen sollen – wird durchaus zwischen Aufsichtsrat und Vorstand unterschieden. Möglicherweise sehen da nun einigen Herren in der Debatte um den "ohnehin mit Arbeitnehmervertretern verwässerten" Aufsichtsrat eine Möglichkeit zu einer Feigenblatt-Scheinlösung in der Frauenfrage: Sollen die Damen da herumwursteln, Hauptsache im Vorstand bleiben wir unter uns!