Mode Was einen guten Anzug ausmacht

Designer Michael Sieger über nützliche und hübsche Merkmale eines guten Anzugs.

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Michael Sieger

WirtschaftsWoche: Herr Sieger, Sie gestalten Porzellanteller, Gläserserien und Badezimmerarmaturen. Nun machen Sie auch noch Anzüge. Gibt es nicht genug davon?

Michael Sieger: Doch, es gibt Tausende von Modellen – aber es fehlte uns eben immer etwas.

Was genau?

Anzüge, die den Bedürfnissen einer neuen, jüngeren Generation gerecht werden. Bislang kamen die Produkte, die uns am nächsten lagen, aus Modehäusern wie Etro und Paul Smith. Das eine steht für die italienische Auffassung von Anzugmode, vor allem für einen taillierten Schnitt, das andere für den britischen Stil, für eine – auch wenn es überraschend klingt – gewisse Farbigkeit. Der Gestaltungsspielraum in der Männermode ist relativ gering. Ich habe meine Frau jedenfalls immer beneidet, weil die Damenmode viel individueller ist als die der Herren – und auch mehr auffällt.

Der Anzug ist ein Kleidungsstück fürs Büro, er soll seriös wirken, was nun mal am besten mit gedeckten Farben funktioniert.

Sicher, man darf nicht den spektakulären, polarisierenden Effekt suchen. Die Zielgruppe derjenigen, die so etwas tragen wollen – oder können –, ist sehr klein. Aber die Liebe zum Detail, wie wir sie aus der Damenmode kennen, kann man auch auf den Anzug übertragen, ohne dass sein Träger im Vorstand gleich unangenehm auffällt.

Was sind das für Details?

Fangen wir beim Schnitt an: Die Ärmel unserer Anzüge sind so kurz geschnitten, dass immer ein Stück vom Hemd inklusive Manschettenknopf zu sehen ist.

Ihre Anzüge sind am Ärmel nicht nur kürzer, sondern eng und körperbetont geschnitten. Ist das ein Design, das jedem steht?

Grundsätzlich ja, gerade etwas beleibtere Männer profitieren keineswegs von weiten Anzügen, die sie im Gegenteil oft noch stärker wirken lassen.

Was ist mit den Stoffen?

Auch da lohnt sich die Arbeit am Detail. Ein Nadelstreifenanzug etwa kann durch einen violetten Nadelstreifen wirken, ohne an Seriosität einzubüßen. Außerdem kann man mit der Farbe des Innenfutters spielen.

Das sieht man aber kaum.

Richtig, nur wenn das Sakko geöffnet wird. Aber der Träger weiß es. Unsere Anzüge sollen auch Spaß machen. Dazu gehört, dass unter den Kragen der Spruch „follow your visions“ eingestickt ist, den keiner sieht, aber dem Träger das Bewusstsein vermittelt, etwas Besonderes in seinem Anzug zu verstecken. Auch in unseren Krawatten sind Botschaften versteckt, die dafür sorgen sollen, dass ich mir gut gelaunt die Krawatte umbinde.

Als Designer, der Dinge des Alltags gestaltet hat, sind Sie es gewohnt, auf Funktionalität zu achten. Wie prägt das Ihre Arbeit als Modemacher?

Nehmen wir eine Situation wie eine Messe oder Abendveranstaltung, auf der man viele Visitenkarten erhält und verteilt. Unsere Sakkos haben innen jeweils eine Tasche auf jeder Seite, damit Ihre eigenen Karten nicht mit denen der anderen vermischt werden. Einigen Modellen sind außerdem Pfeile an diesen Taschen eingenäht, die für „Eingang“ und „Ausgang“ stehen. Ein anderes praktisches Detail: Das Innenfutter unserer Brusttaschen ist aus gestreiftem Hemdenstoff genäht. Sie können ihn so herausziehen, dass er wie ein Tuch wirkt.

Ihre Anzüge sind eng genäht. Wohin dann mit dem Smartphone und dem Portemonnaie? Die tragen doch sofort auf?

Richtig, das ist ein Problem, an dem wir noch arbeiten. Wir denken an eine Business-Weste, die man unter dem Sakko trägt, wie ein Schulterhalfter, wo Platz ist für Mobiltelefon und Portemonnaie. Die Sachen wären dann in einer Höhe positioniert, wo sie nicht so leicht auffallen.

Wo sehen Sie sonst noch Verbesserungsmöglichkeiten?

Beim Reiseanzug. Ich besitze einen aus schwerem Stoff, der auch nach drei Tagen unterwegs noch knitterfrei ist. Aber im Sommer ist er untragbar. Wir suchen immer noch nach Stoffen, die ähnlich haltbar und dennoch leicht sind.

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