Initiative Wunder von Bremen

Wie sich die Uni Bremen, einst als rote Kaderschmiede verschrien, in eine Elitehochschule verwandelt hat.

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Die Expedition lief gut. Millionen Jahre alte Bodenproben hatten die Forscher des amerikanischen Bohrschiffes dem Ozean abgerungen. Dann, irgendwo im subtropischen Blau vor Westafrika, erreichte sie die Nachricht: „Das New Yorker Lager ist voll. Bringt alles Material nach Bremen.“ Bremen? Die Besatzung staunte nicht schlecht. Noch während sie den Mittelatlantik kreuzte, war das Kräfteverhältnis unter den führenden Geologen der Welt gekippt. Von nun an sollte die Uni Bremen sämtliche Meeresbodenproben aus dem Atlantik archivieren. Sie erhielt 1994 den Zuschlag für das erste und bis vor Kurzem einzige maritime Bohrkernlager außerhalb der USA. Keine andere Uni, kein anderes Land hatte den Amerikanern damals einen ähnlich überzeugenden Antrag präsentiert. Dies ist nur ein Beispiel: Verblüffend oft hat sich die Uni Bremen in den vergangenen Jahren im Wettlauf um hoch dotierte Forschungsprojekte durchgesetzt. Allerdings nahm die Öffentlichkeit davon selten Notiz. Seit gut einer Woche aber, seitdem Wissenschaftsrat und Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) dem unscheinbaren Nordlicht das Zeug zur Spitzen-Hochschule bescheinigten, gilt die Uni Bremen als Star. Sie ist Überraschungssieger in der Vorauswahl der so genannten Exzellenzinitiative von Bund und Ländern.

Als eine von zehn deutschen Hochschulen und einziger Kandidat aus dem Norden darf sie sich nun um Elitefördermittel in zweistelliger Millionenhöhe bewerben. Favoriten wie die Humboldt-Uni Berlin oder die TU Darmstadt dagegen blieben auf der Strecke. Damit haben selbst Insider nicht gerechnet: „In unserem Forschungsranking liegt die Uni Bremen nicht mal unter den Top Ten“, staunt Yorck Hener, Projektleiter beim Centrum für Hochschulentwicklung. Immer noch klebt an Bremen der Ruf der „roten Kaderschmiede“, ein Erbe aus den Siebzigern. Als „Marx- und Moritz-Uni“ war die Hochschule damals verschrien. Kritiker ätzten über ihr Schwergewicht an „Laberfächern“ wie Pädagogik und Politik. Und mokierten sich über gelebte Klassenharmonie: In Bremen durften Mensamitarbeiter und Pförtner mit den selben Rechten wie Professoren und Studenten über das Wohl der selbst ernannten Reformuni mitbestimmen. So stark gedieh die linke Gesinnung, dass im Gründungsjahr 1971 die Bremer FDP den Sozialdemokraten aus Protest die Koalition aufkündigte.

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