Seine Geschichten sind fiktiv, aber verdammt nah an der Realität: Marc Elsberg beschreibt in seinen Büchern „Blackout“ und „Zero“ die Gefahren der vernetzten Welt. Im Interview mit dem „Handelsblatt“ warnt er vor einem zunehmenden Macht-Ungleichgewicht zwischen Bürgern und Unternehmen, beziehungsweise Institutionen.
Herr Elsberg – Amazon will uns Produkte liefern, bevor wir sie bestellt haben, unsere Drogerie weiß möglicherweise vor uns, ob wir schwanger sind und der Arbeitgeber, wann wir kündigen wollen. Alptraum oder große Chance für die Menschheit?
Marc Elsberg: In der gegenwärtigen Situation ist es ein Alptraum – noch dazu ein institutionalisierter Alptraum, der offensichtlich sogar von unserem rechtlichen System getragen wird.
Worauf spielen Sie an?
Ich erinnere da immer wieder an ein Urteil des Bundesgerichtshofs. Demnach muss die Schufa nicht offenlegen, wie sie zu ihren Beurteilungen der Kreditwürdigkeit des Einzelnen kommt. Wir müssen uns dem Unternehmen gegenüber also komplett transparent gestalten, während das anders herum nicht gilt. Wissen ist Macht und die Unternehmen und Behörden wissen teilweise mehr über mich, als ich selbst. Da herrscht ein massives Macht-Ungleichgewicht.
Wie könnte ein verantwortungsvoller Umgang der Unternehmen mit unseren Daten aussehen?
Wir müssten selbst entscheiden können, ob erstens gewisse Daten überhaupt gesammelt werden und zweitens darauf basierend Analysen von uns gemacht werden dürfen und drittens die Möglichkeit haben, diese zu bekommen. Viertens müssen wir wissen, wie sie diese Analysen zustande kommen. Das ist eines der großen Probleme: Man erklärt uns, dass diese Analysen sehr genau sind. Dabei basieren sie immer auf Wahrscheinlichkeiten. Was passiert, wenn die Nicht-Wahrscheinlichkeit eintritt, sehen wir, wenn im Drohnenkrieg jemand ermordet wird, der – entgegen der Wahrscheinlichkeit – doch kein Terrorist war. Fünftens darf es uns nicht schaden, wenn wir einen der vorgenannten Punkte verweigern.
Wo sehen Sie den meisten Handlungsbedarf, damit uns die neuen Technologien mehr helfen als schaden?
Da weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll. Grundsätzlich beim Schutz der Privatsphäre. Vor allem muss das Macht-Gleichgewicht zwischen dem Individuum einerseits und Unternehmen und Institutionen auf der anderen Seite wieder hergestellt werden. Das ist essentiell wichtig für eine funktionierende Demokratie.
Für Unternehmen sind persönliche Daten über die Verbraucher aber eine Goldgrube…
Einerseits. Andererseits schadet Überwachung der ganzen Gesellschaft – und letztendlich auch der Wirtschaft. Eines der wesentlichen Probleme von Überwachung ist Konformitätsdruck: Man hört auf, anders zu denken und anders zu handeln. Die freie Marktwirtschaft ist aber darauf angewiesen, Innovationen zu schaffen. Es wundert mich eigentlich, dass sich die Wirtschaft über die Wirtschaftsspionage beschwert, aber nicht über dieses grundsätzliche gesellschaftliche Problem, diese mangelnde Innovationsfähigkeit, die da irgendwann entstehen wird.