Mongolei Warten auf den Wohlstand

Die Mongolei galt als aufstrebende Rohstoffmacht. Der Staat verfügt über große Kupfer-, Kohle- und Goldvorkommen sowie Zink, Uran, Erdöl, Seltene Metalle und Erden. Doch der Boom ist vorbei. Ein Ortsbesuch.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die Mongolei hat die fetten Rohstoffjahre nicht genug nutzen können. Diesen Fehler haben viele Schwellenländer gemacht. Quelle: dpa

Ulan Bator In grauen Schwaden zieht der dichte Rauch aus dem Energiekraftwerk Nummer vier in die Höhe. Es ist das größte Kohlekraftwerk der Mongolei und liefert rund zwei Drittel der Energie für die Hauptstadt Ulan Bator. Im Schatten der beiden Schlote breitet sich ein Geflecht umzäunter Fabriken aus. Matschige Wege schlängeln sich durch das Industriegebiet im Westen der mongolischen Hauptstadt. Vor allem Unternehmer aus China haben sich hier niedergelassen.

Denn die Volksrepublik ist der wichtigste Export- und Importpartner der Mongolei. Rund 90 Prozent der Ausfuhren gehen in das Milliardenreich und rund ein Drittel der Einfuhren kommt aus dem Nachbarland. China ist vor allem an den Rohstoffen der Mongolei interessiert. Der Binnenstaat zwischen China und Russland verfügt über große Kupfer-, Kohle- und Goldvorkommen sowie Zink, Uran, Erdöl, Seltene Metalle und Erden. Bodenschätze sind das wichtigste Exportgut des Landes. Das machte den Staat zu einem attraktiven Ziel für chinesische Unternehmen.

Eines davon führt Yang Hailong. Der 40-Jährige blickt von seinem Büro direkt auf die Kraftwerksschlote. Vorsichtig schlürft er heißes Wasser aus einer Tasse. Feiner Kohlestaub bedeckt seinen Schreibtisch, seinen Computer und die Zettelstapel vor ihm. "Die Chance auf das große Geld hat mich in die Mongolei gelockt", erzählt der Unternehmer. 2008 war das. China wurde von den Auswirkungen der globalen Finanzkrise gepackt.

Viele Chinesen drängten in die Rohstoffindustrie. Und Yang witterte eine Chance im Immobiliensektor. "Es gab eine Goldgräberstimmung. Überall wurde gebaut", beschreibt er die Stimmung in der Mongolei vor acht Jahren. Er gründete die Firma Jin Tan Sun Di, die sich auf die Herstellung von Glasfaserbeton spezialisierte. Das wichtige Produkt des Unternehmens sind Fertigwände, die aufgrund der eingebetteten Glasfasern besonders robust sind.

Für den Betrieb lief es hervorragend. Die Produkte waren gefragt. Getrieben vom Rohstoffboom strömten Investoren ins Land. Gleichzeitig stieg der Lebensstandard. Die Mongolei gehörte mit einer Wachstumsrate von durchschnittlich real 14 Prozent von 2010 bis 2014 zu den am schnellsten wachsenden Ländern der Welt. Im großen Stil wurden Immobilienprojekte auch für einkommensschwache Familien vorangetrieben. Sie sollten in Wohnungen in Hochhäusern umziehen. Das war zumindest die Vorstellung der Immobilieninvestoren.

Doch die Realität hält sich nicht an den Plan. Beflügelt vom Wirtschaftswachstum, verteilte die Regierung großzügige Steuergeschenke für ihre Wähler. 2012 nahm der Staat eine Rekordneuverschuldung von 7,7 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes auf. "Das Land hat sich als reich empfunden. Es wurde Geld ausgegeben, das noch gar nicht eingenommen worden war", sagt Laurenz Melchers, ein deutscher Pionierunternehmer in der Mongolei und Länderausschussvorsitzender beim Ostasiatischen Verein (OAV) in Hamburg. Im gleichen Jahr winkte das Parlament zudem ein neues Investitionsgesetz durch, das ausländische Unternehmen in Sektoren wie Bergbau und Finanzen mit strengen Regeln belegte. Politiker schürten Ängste vor einem Ausverkauf des Landes, besonders an China.


Rohstoffbaisse reißt Länder in die Tiefe

Die Entscheidung schreckte internationale Unternehmer ab. Obwohl das Gesetz später wieder entschärft wurde, breitete sich Misstrauen aus. "Das Gesetz hatte starke Auswirkungen. Mit ihrem Rohstoff-Nationalismus hat sich die Mongolei sehr gute Entwicklungschancen verbaut", sagt Si Linge, Leiter des Instituts für Russland- und Mongoleistudien an der Akademie der Wissenschaften und Wirtschaft in der Inneren Mongolei.

Hinzu kam ein Streit mit dem Rohstoffkonzern Rio Tinto. Die Kupfer- und Kohlemine Oyu Tolgoi soll zum wichtigsten Wachstumstreiber werden. Wenn die Mine einmal voll im Einsatz ist, soll sie etwa ein Drittel des mongolischen Bruttoinlandsprodukts ausmachen. Der Staat ist zu 34 Prozent an dem Projekt beteiligt. Aber zwischen Regierung und Rio Tinto ist es zum Konflikt gekommen. Der Ausbau der Mine stockt.

So hat die Mongolei die fetten Rohstoffjahre nicht genug nutzen können. Diesen Fehler haben viele Schwellenländer gemacht. Bei einigen rohstoffreichen Ländern Südamerikas und Afrikas wird gar vom Ressourcenfluch gesprochen, weil die Bodenschätze das Lebensniveau der Bevölkerung kaum merklich anheben können, sondern vielmehr Korruption und Konflikte begünstigen.

Afrika als Kontinent zum Beispiel besitzt rund drei Viertel aller Platinreserven und produziert zwei Drittel aller Diamanten. Während des Rohstoffbooms zwischen 2000 und 2012, als sich die Preise verdreifachten, wuchsen Afrikas Volkswirtschaften im Schnitt um fünf Prozent. Doch im vergangenen Jahr waren es in Subsahara-Afrika noch mickrige drei Prozent. Korruption verhindert, dass die Rohstoffeinnahmen wachstumsfördernd eingesetzt werden - und zugleich eine Strategie für die Rohstoffbaisse ersonnen wird. Bis heute sind fast alle afrikanischen Staaten vom Export eines einzigen Rohstoffs abhängig: In Sambia oder dem Kongo ist es Kupfer, in Angola, Gabun oder Nigeria Öl.

Betongerippe wie Mahnmale So reißt die Rohstoffbaisse die Länder mit in die Tiefe. Sambia etwa nahm ermutigt vom Rohstoffboom hohe Kredite auf, die der Staat statt in die Infrastruktur vor allem in die Bezahlung seiner Staatsbeamten steckte - und nun ohne Hilfe des Internationalen Währungsfonds nicht mehr bedienen kann.


Ein gescheiterter Boom

In Angola, Afrikas viertgrößter Volkswirtschaft, ruht die Arbeit auf den meisten Baustellen in der Hauptstadt Luanda, seit der städtische Haushalt drastisch gekürzt wurde. Die Landeswährung Kwanza stürzte in diesem Jahr um mehr als 40 Prozent zum US-Dollar ab, was Importe verteuert. Weil das Land vom Wein bis zur Windel fast alles importieren muss und fast nichts selber produziert, schmelzen seine Devisenreserven nun im Rekordtempo dahin.

Auch in der Mongolei endete der Boom in der Baubranche, bevor er richtig begonnen hatte. Die kargen Betongerippe der Hochhäuser stehen wie Mahnmale am Rand des Jurten-Viertels. Die Bauarbeiter sind verschwunden. "Es wurde am wahren Bedarf vorbei gebaut. Die Immobilienfirmen haben Projekte geplant, die niemand braucht", sagt Architekt Batdorj Gongor. Er hat eine Nichtregierungsorganisation gegründet, die die Lage in dem Jurten-Viertel erfasst.

Nun kommt alles zusammen: ein gescheiterter Bauboom, sinkende Investitionen, hohe Staatsverschuldung und schwache globale Rohstoffpreise. "Wirtschaftsaktivitäten sind so gut wie nicht vorhanden", sagt Laurenz Melchers.  Doch für die Mongolei gibt es Hoffnung. Langfristig dürfte der Reichtum an Rohstoffen den wirtschaftlichen Aufstieg des Landes begünstigen, urteilen Asiatische Entwicklungsbank und Weltbank. Zudem gewann Ende Juli die Opposition mit deutlicher Mehrheit die Parlamentswahlen und hat eine stabile Mehrheit.  "Alle haben verstanden, dass es so nicht weitergehen kann", sagt Melchers. Und im Streit um die Mine Oyu Tolgoi haben sich Regierung und Rio Tinto geeinigt, so dass der Ausbau wieder vorankommt. Bis zum Jahr 2027 soll die Mine voll in Betrieb sein.

Geschäftsmann Yang Hailong tritt aus seinem Büro nach draußen. Mehrere Nachbargrundstücke liegen brach. "Die chinesischen Eigentürmer haben die Hoffnung aufgegeben. Aber ich halte durch", sagt Yang. Sein Personal hat er drastisch reduziert. Falls die Lage nicht besser werde, ziehe er weiter. "Die Mongolei hat großes Potenzial. Aber ich kann nicht ewig auf den Durchbruch warten."

Mitarbeit: Wolfgang Drechsler

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%